Dr.-Ing. Bernd Wagner von der Arbeitsgemeinschaft Fernwärme (AGFW) e. V. sprach über das Thema »ZFSV im Fernwärmeleitungsbau – Aktuelle Ergebnisse des 2024 abgeschlossenen Forschungsvorhabens FW-ZFSV 4.0«. Darin sagte er unter anderem, dass »der beschleunigte Ausbau der Nah- und Fernwärme im Jahr 2023 nochmals erheblich an Bedeutung gewonnen hat. Einflüsse wie das Kreislaufwirtschaftsgesetz oder die Ersatzbaustoffverordnung wirken sich zudem auf den Einsatz von Sand als Verfüllmaterial und den Umgang mit Grabenaushubmaterial aus. Innovationen im (Fernwärme-)Rohrleitungsbau – wie der Verfüllbaustoff ZFSV – gewinnen damit weiter an Bedeutung und zunehmenden Einsatzmöglichkeiten.«
Fernwärme als zentraler Schlüssel der Wärmewende
Weiter stellte er fest, dass die Fernwärme in nahezu allen aktuellen Langfristszenarien als einer der zentralen Schlüssel für die urbane Wärmewende identifiziert wird. Die Zielwerte in diesem Bereich sind beachtlich: So soll sich die Gesamttrassenlänge in Deutschland von ca. 21 500 km auf 45 000 km im Jahr 2030 erhöhen. Außerdem ist bis 2045 eine Verdreifachung der Anzahl der angeschlossenen Gebäude (mittelfristig 100 000 Anschlüsse pro Jahr) geplant. Für 2030 sind 45 Prozent erneuerbare Wärme sowie Abwärme angestrebt und langfristig soll der Anteil der Fernwärme auf etwa 30 Prozent des Wärmebedarfs der Gebäude steigen.
Das stellt auch die ausführenden Bauunternehmen vor neue Herausforderungen. Denn das bisher übliche Bettungsmaterial – der Sand – wurde von ihm, angesichts des ständig steigenden Bedarfs, als ein »endlicher und nur begrenzt erschließbarer Rohstoff weltweit«, proklamiert. Dazu Dr. Wagner: »Alternativen zur Verfüllung mit Sand in der Leitungszone werden als zukünftige Verfüllbaustoffe erheblich an Bedeutung gewinnen.« Die Chancen von ZFSV als innovative Baustoffe und Bauweise in Fernwärmenetzen sollen dadurch überdurchschnittlich steigen. Auftraggeber sehen das inzwischen genauso – was aber den meisten fehlt, sind die Langzeiterfahrungen.
Langzeitstudie über den Einsatz von Flüssigboden
An dieser Stelle konnte Dr. Wagner auf die Ergebnisse der AGFW-Langzeitstudie »Fernwärmeleitungsbau 4.0 mit zeitweise fließfähigen selbstverdichtenden Verfüllbaustoffen für niedrige und hohe Betriebstemperaturen« verweisen und erste Ergebnisse präsentieren. Die AGFW arbeitet mit einer Bypassleitung als Forschungsmessstrecke. Nach einer Betriebszeit von mittlerweile acht Jahren gab es jetzt überzeugende Zahlen und Ergebnisse. Dazu Dr. Wagner: »Die Ergebnisse der Durchschiebeversuche zeigen, dass Kunststoffmantelrohre (KMR) auch nach acht Jahren Betrieb über ausreichende Festigkeiten verfügen, um den wirkenden Bettungskräften standzuhalten (τax ≥ 0,13 MPa).« Die ausgegrabenen Leitungen auf der Teststecke lassen keine Unterschiede in der durch die thermische Beanspruchung erwartungsgemäß verringerten Verbundfestigkeit der KMR infolge des Bettungsmaterials erkennen. Auch bei einer höheren Dehnungsbehinderung gibt es keinen Hinweis auf Beschädigungen des KMR im ZFSV.
Sein Fazit: Leicht lösliche ZFSV, zu dem auch der Flüssigboden nach RAL-GZ 507 gehört, sind für den Fernwärmeleitungsbau bestens geeignet. Sie bieten eine große Chance und beinhalten ein hohes Optimierungspotenzial beim deutschlandweiten Ausbau des Wärmenetzes. Bernd Wagner: »Die Langzeiterfahrungen der AGFW belegen diese mit Zahlen und Fakten und schließen die Lücken hinsichtlich bestehender Unsicherheiten, Herausforderungen und Hemmnisse.« Und abschließend stellte er fest: »Es geht zunächst nicht ohne Lernkurve und zusätzlichen Aufwand bei ZFSV – wie bei allem Neuen. Aber es kann sich sehr gut lohnen!«
Flüssigboden bewährt sich in der Praxis: vier Beispiele
Am zweiten Tag des Treffens standen Berichte aus der Praxis im Mittelpunkt. So vermittelte Verena Baune von der Stratiebo Alfred Bogatzki & Sohn GmbH eine »Wirtschaftlichkeitsbetrachtung aus Sicht eines mittelständischenBauunternehmens«. Das Straßen- und Tiefbauunternehmen aus Münster bringt regelmäßig Flüssigboden zum Einsatz. Eines der erklärten Ziele dabei ist ein zukunftsfähiger Umgang – auch mit belasteten Böden – durch die Flüssigbodentechnologie und die Einführung der Abfallhierarchie auf Basis des Kreislaufwirtschaftsgesetzes 2012. Ein Kostenvergleich am Beispiel des innerstädtischen Bauens ergab, dass der Einsatz von Flüssigboden günstiger ist als die konventionelle Bauweise.
Einen speziellen Fall für den Flüssigbodeneinsatz stellte Eike Sophie Winkler von Flüssigboden SH (Schleswig-Holstein) vor. Dabei ging es um den Einsatz von Flüssigboden zur Vermeidung von Setzungen durch unterirdische Hohlräume und Wiederherstellung der Tragfähigkeit. Die Baustelle war der Ersatzneubau des 380-kV-Umspannwerks Wilster-West – ein wichtiger Baustein für den Netzausbau und ein Drehkreuz für den Stromtransport vom Norden in den Süden. Nach der Inbetriebnahme des Umspannwerks im Oktober 2020 wurden Setzungen festgestellt, die unterhalb der Pfahlkopffundamente und der Pfahlkopfbalken zu Hohlräumen geführt haben. Ursache hierfür waren organischen Weichschichten aus Klei und Torf. Die Hohlräume haben sich seitlich schlotartig bis zur Geländeoberkante ausgebildet und behindern die Betretbarkeit sowie die Befahrbarkeit des Geländes und gefährden damit den Betrieb des Umspannwerks. Berechnungen ergaben, dass dem Problem über den Einsatz von Blähton und Kies oder Schaumglas nicht beizukommen wäre. Doch Flüssigboden konnte die Stabilität wiederherstellen.
Einen weiteren Praxisbeitrag steuerte Julian Rott von der Bernhard Rott GmbH & Co. KG bei. Auf dem Gelände der BV Candis in Regensburg sollte eine alte Saugleitung der Zuckerfabrik verpresst werden. Diese hatte eine Länge von ca. 400 m bei DN 500, was einem Verfüllvolumen von 65 m3 entspricht. Die Länge allein war schon eine Herausforderung – hinzu kam, dass sich am Ende der Strecke eine Dükerung befand. Aber dank Flüssigboden konnte auch diese Aufgabe mühelos bewerkstelligt werden.
Als weiteres Beispiel berichtete Julian Rott von der Baustelle Flughafen München, wo eine Fernwärmeleitung eingebettet werden musste. Hier war das logistische Problem, dass sich zwischen Flüssigbodenanlage und Einbauort 100 km Entfernung und 80 Minuten Fahrzeit befanden. Zehn Fahrmischer waren im Einsatz und eine Pumpe vor Ort brachte den Flüssigboden an die richtige Stelle. Die Vorträge zeigten, welche Möglichkeiten die Flüssigboden-Technologie bietet – vorausgesetzt, die Qualitätssicherung klappt und die Güte- sowie Prüfbestimmungen werden strikt eingehalten.s