Liebherr-International Deutschland GmbH Ein Urgestein der Bauma, das sich immer wieder neu erfindet

Pressemitteilung | Lesedauer: min | Bildquelle: Liebherr-International
Von: Dan Windhorst

Jeder erfahrene Bauma-Besucher weiß, dass der Messeauftritt von Liebherr quasi aus der Tradition heraus einer alles überschattenden Reizüberflutung gleicht: Wohin das Auge reicht, reckten sich gigantische Kranausleger gen Himmel, während haushohe Kipper und tonnenschwere Kettenbagger in mehrmals täglich abgehaltenen Live-Shows gehörig Staub aufwirbelten. Gleichwohl folgte alles einem bis ins Detail durchdachten Messekonzept. Erklärte Zielsetzung war es, die vielen Geschäftsbereiche der Firmengruppe zu repräsentieren, insbesondere aber auf neu konzipierte Antriebslösungen und effizientere Maschinen hinzuweisen, um als Ideengeber und Richtungsweiser zu fungieren. Die bauMAGAZIN-Redaktion hat sich einen Überblick verschafft und wurde dabei insbesondere auf den mit Wasserstoff betriebenen Raupenbagger R 9XX H2 aufmerksam, der in München nicht nur seine Weltpremiere feiern durfte, sondern gleichzeitig den Bauma Innovationspreis 2022 in der Kategorie Klimaschutz gewann.

Als erster von einem Wasserstoffverbrennungsmotor angetriebene Liebherr-Bagger hat der R 9XX H2 auf der Bauma für viel Wirbel gesorgt. Um einen Beitrag zur Emissionsreduktion zu leisten und sich auch im Bereich der großen Baumaschinen zukunftssicher aufzustellen, hat Liebherr-France die Entwicklung dieses 50 t schweren Kolosses energisch vorangetrieben. Auf Konstruktionsbasis seiner 8. Generation an Raupenbaggern soll der Bagger seinen Fokus auf Effizienz und Komfort richten. Der R 9XX H2 erfüllt laut Hersteller die gleichen Leistungsdaten wie eine Ausführung mit Dieselmotor und soll als robuste Lösung für Erdbau- und Steinbruchanwendungen dienen. Der auffälligste Unterschied zu seinen Diesel-Pendants bleibt natürlich das Betanken: Für ein schnelles und sicheres Auffüllen soll eine Infrarotkommunikation zwischen Bagger und Tankstelle stattfinden. Henrik Weitze, Projektleiter bei Liebherr-France, hob in diesem Zusammenhang hervor, dass »die in Colmar erfolgten Tests ausgesprochen überzeugend« waren und diese Technologie viele Vorteile für die Zukunft verspricht.

Das Herzstück des Raupenbaggers R 9XX H2 ist der Motor H966, ein Prototyp, der zusammen mit dem H964 erstmals in München präsentiert wurde (siehe Kasten »Fakten« unten auf dieser Seite). Der emissionsfreie 6-Zylinder-Motor des Typs H966 soll die für den 50-t-Bagger geforderte Leistung in seiner PFI-Konfiguration erfüllen.

Der 50 t schwere Raupenbagger R 9XX H2 ist das erste von Liebherr entwickelte Baggermodell mit Wasserstoffmotor und hat auf der Bauma seine Weltpremiere gefeiert.

Neu für Erdbewegung und Materialumschlag

Gerade im Bereich der Compactlader trumpfte Liebherr mit neuen sowie verbesserten Baureihen der 8. Generation auf. Erstmals auf einer deutschen Messe präsentiert wurde der L 504 Compact und damit das bislang kleinste Radladermodell der Firmengruppe. Er soll die Qualitäten größerer Baureihen verkörpern, gleichzeitig aber auch seine kompakteren Vorzüge ausspielen. Mit dem L 508 Compact war außerdem ein Modell der mittelgroßen Radlader vertreten (das bau­MAGAZIN berichtete in Heft 10/22, Seite 36). Überarbeitet wurden hier u. a. die intelligenten Assistenzsysteme wie das leistungsfähige Skyview-Kamerasystem oder die aktive Personenerkennung. Weitere Radlader aus anderen Baureihen, zum Beispiel der L 509 Tele oder der L 586 XPower sollten den Auftritt der Liebherr-Radlader komplettieren. Hervor stachen außerdem der neue Raupenbagger R 928 G8 mit einer semi-automatischen Maschinensteuerung (bauMAGAZIN 9/22, Seite 36), der 23 t schwere A 922 Rail Litronic, der erstmals mit hydrostatischem Antriebskonzept und neuem Likufix-Schnellwechselsystem ausgestattet wurde, sowie der knickgelenkte Muldenkipper TA 230 Litronic, der auf der Bauma seine internationale Premiere feierte.

Im Segment der Materialumschlagmaschinen zeigte Liebherr mit dem LH 22 M Industry, der für die Holzwirtschaft konzipiert wurde, sowie dem LH 26 M Industry E und dem LH 150 M Port E, die beide für Einsätze im Recycling-Bereich sowie Hafenumschlag vorgesehen wurden, ein leistungsstarkes Trio. Im mächtigen Design zeigte sich auch die neue Erdbewegungsraupe PR 766 der 8. Generation (bauMAGAZIN 10/22, Seite 202). Mit rund 55 t Einsatzgewicht verfügt dieses Modell laut Liebherr über das für schwere Gewinnungsarbeiten konzipierte »High Drive«-Laufwerk, was die Effizienz und Zuverlässigkeit im Einsatz deutlich steigern soll. Die Raupe der 8. Generation durfte auf der Bauma im Übrigen das erste Mal Frischluft schnuppern und überzeugte dabei gleich mit einem Live-Auftritt.

Bühne frei für die Schwergewichte

Ebenfalls ihren ersten Auftritt in der Öffentlichkeit feiern durften die neuen Raupenbagger in der 70-t- bis 100-t-Klasse: Im Rahmen der Überarbeitung der Modellreihe wurden die Bagger der 5.2- und 6.2-Generation mit vielfältigen Verbesserungen ausgestattet. Laut Liebherr betreffe das insbesondere die optimierten Leistungsdaten, einen höheren Komfort, niedrigeren Kraftstoffverbrauch sowie neue Assistenzsysteme. Grundsätzlich werden die neuen Raupenbagger R 972, R 978 SME, R 992 und R 998 SME die älteren Modelle R 966, R 970 SME, R 976 und R 980 SME ersetzen. Die neue Namensbezeichnung, so Liebherr, stehe diesmal in direktem Zusammenhang mit dem jeweiligen Einsatzgewicht. Auffällig war bei der Begutachtung der neuen Modelle ein modernisiertes Design, während unter der Haube Vieles für die Reduzierung des Gesamtenergieverbrauchs zu erkennen ist. Helfen soll dabei u. a. das neue Liebherr-System Power Efficiency (PE) – Engine Control. Konkret abgebildet wird die neue PE-Funktion durch einen Arbeitsmodus, der die bereits bestehenden Modi des Raupenbaggers P+, P und E ergänzt. Die neue Lösung soll eine Kraftstoffeinsparung von bis zu 15 % gegenüber den Vorgängermodellen erlauben. Neu ist außerdem die Assistenzfunktion Bucket Fill: Sie verfügt laut Liebherr über einen Anti-Stalling-Modus, der das Blockieren des Löffels während des Eindringens in das Bodenmaterial verhindert.

R 9300 mit 250 t für das Mining-Segment

Ein brachiales Biest, das bei so manchem Bauma-Besucher für leuchtende Augen gesorgt hatte, war der neue Mining-Bagger R 9300: Aktuell befindet sich das Modell der Generation »8« in der Testphase – 2024 ist der voraussichtliche Start der Serienproduktion. Ersetzen soll der Stahlkoloss aus der 250-t-Klasse den aktuellen R 9250. Wie der 2021 bereits eingeführte R 9600 verfügt der R 9300 der Generation »8« über eine höhere Betriebsleistung sowie Automatisierungen und Null-Emissions-Optionen. Der Motor des R 9300 ist in FCO und US EPA Tier 4 und damit EU-Stufe V mit SCR-Abgasnachbehandlung erhältlich. Zudem lässt sich das Modell mit Diesel- oder Elektroantrieb konfigurieren, wobei bei Elektroantrieb die Kabel-Management-Lösung von Liebherr eingesetzt werden kann. Während des Betriebs ermöglicht die Trommel das automatische Auf- und Abrollen des Kabels je nach benötigter Kabellänge, was die Mobilität der Ma­schine verbessern soll. Auch bei der Lebensdauer konnte man laut Liebherr zulegen: Mit rund 60 000 h bedeutet das eine Steigerung von 33 % gegenüber dem Modell R 9250.

Ein schöner Rücken kann auch entzücken: Der elektrisch angetriebene Liebherr-Mining-Dumper T 274 E von hinten betrachtet.

Krane, die am Himmel kratzen

Für einen gehörig steifen Nacken sorgte wiederum der Raupenkran LR 1400 SX. Mit einer Gesamthöhe von 116 m war er das mit Abstand höchste Exponat am Liebherr-Stand. Dabei war der Kran anlässlich der Bauma nicht einmal mit der maximalen Auslegerlänge konfiguriert – wäre das der Fall gewesen, hätte er laut Liebherr beispielsweise Lasten auf den 170 m hohen Frankfurter Opernturm heben können. Für München war der LR 1400 SX mit einem 68 m langen Haupt- und einem 62 m langen Nadelausleger ausgerüstet. Mit seinem recht kompakten Transportgewicht von 46 t lässt sich der Kran zwischen den Baustellen bewegen. Die Podeste und Geländer bleiben während des Transports am Oberwagen montiert und müssen nur ein- oder ausgeklappt werden. Dank Selbstmontagesystem, so der Hersteller, lassen sich Auslegerstücke, Zentralballast, die Raupen und Hubwinden ohne Hilfskran montieren und demontieren. Sogar den rund 150 t schweren Heckballast kann der Kran eigenständig hydraulisch anheben, absenken und sichern.


Im Vergleich dazu fast schon unauffällig wirkte der neue Mobilkran 1100-5.3: Ein 62 m langer Teleskopausleger ermöglicht einen großen Arbeitsbereich. Gleichzeitig verfügt der Mobilkran über wichtige Neuerungen gegenüber den Vorgängermodellen. So sind beispielsweise eine neue Kabine, eine neue Kransteuerung sowie ein neues Getriebe verbaut worden. Zudem führt der Kran bis zu 16,9 t Ballast bei 12 t Achslast auf öffentlichen Straßen mit – das Modell, so Liebherr weiter, ist zudem weltweit wirtschaftlich mobil, da es mit nur 9 t Achslast verfahren kann. Identisch zum bereits vorgestellten LTM 1110-5.2 verfügt die 5.3-Ausführung über die neue Liccon3-Steuerung. Abseits der Mobilkrane hat sich allerdings auch einiges im Bereich der Turmdrehkrane getan, wie Liebherr in München mitteilte. Beispielsweise wurde der neue Kran 520 EC-B gezeigt (bauMAGAZIN 9/22, Seite 154). Das Flat-Top-Modell punktet Angaben des Herstellers zufolge insbesondere mit hohen Traglasten und einem spitzenlosen Design. Ausgestattet ist der 520 EC-B überdies mit einem Faserseil – die Tragfähigkeit liegt bei bis zu 20 t.

Aufstockung des Komponentensegments

In der Komponentenwelt gestattete Liebherr einen Blick auf die aktuelle Entwicklungsarbeit aus den Bereichen Baumaschinen, Krane und Mining. So wurde beispielsweise das Axialkolbenportfolio um zwei Hydraulikpumpen mit insgesamt neun Nenngrößen weiter ausgebaut. In einer Konzeptstudie stellte Liebherr zudem die Systemlösung einer Parallelpumpe mit innovativer Ansteuerung vor. Mit elektro-hydraulischer Steuerung ausgestattet, möchte Liebherr so die mechanischen Produkteigenschaften mit neuester Elektronik kombinieren. Viel Aufmerksamkeit erhielt allerdings auch die neue Produktreihe LiXplore, bestehend aus digitalen Kamera-Monitor-Lösungen (bauMAGAZIN 5/22, Seite 81). Je nach Bedarf, so der Hersteller, könne der Anwender zwischen verschiedenen Ausführungen und intelligenten Zusatzfunktionen wählen. Bei der Entwicklung der Systeme hatte Liebherr auf die Robustheit bewährter Komponenten wie der digitalen Smart-Kamera MDC3 und dem Display-Controller DC5 zurückgegriffen. Die 360°-Variante LiXplore Bird’s Eye soll überdies eine vollständige Rundumsicht für den Arbeitsbereich einer Maschine bieten. Dabei setzt das System die Bilder von gewöhnlich vier montierten Kameras nahtlos zu einem einzelnen Gesamtbild aus der Vogelperspektive zusammen. Herzstück des Systems ist die besagte Hochleistungskamera MDC3, sie soll hochkontrastreiche Bilder ohne Über- oder Unterbelichtung liefern.    d

Fakten

Prototypen für Wasserstoffmotoren

Mit den 6-Zylinder-Modellen H964 (Direkteinspritzung/DI; Bild re.) und H966 (Saugrohreinblasung/PFI) hat das Liebherr-Produktsegment Komponenten seine ersten beiden Prototypen von Wasserstoff-Verbrennungsmotoren vorgestellt.

Während der H966 im Raupenbagger R 9XX H2, der ersten Maschine von Liebherr mit einem zu 100 % wasserstoffbetriebenen Verbrennungsmotor, seine Leistungsfähigkeit bei den Demo-Shows im Freigelände unter Beweis stellte, wurde der mit DI-Technologie ausgestattete H964 auf dem Stand von Liebherr Components gezeigt. Bei diesem Motor wird der Wasserstoff direkt in den Brennraum eingespritzt, während er bei der PFI-Technologie in den Ansaugtrakt geblasen wird. Die DI bietet ein höheres Potenzial in Bezug auf Verbrennungseffizienz und Leistungsdichte als PFI. Dies macht Wasserstoffmotoren, so Liebherr, zu einer attraktiven Alternative zu Dieselmotoren, wenn es um anspruchsvollere Anwendungen geht.

Geplant ist seitens der Komponenten-Abteilung von Liebherr, bis 2025 mit der Serienproduktion von Wasserstoffmotoren zu starten.

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