Wenn ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von zuletzt 203 Mio. Euro innerhalb von drei Jahren 40 Mio. Euro in die Erweiterung und Modernisierung des Standortes investiert, dann ist das eine klare Ansage. Im Fall der Liebherr Telfs GmbH, die in der Unternehmensgruppe Liebherr für die Entwicklung und Produktion von Teleskopladern, Planierraupen (siehe auch Seite 20) und Rohrverleger zuständig ist, heißt das: Die Tiroler setzen ihre Ankündigung um, mit der komplett neu entwickelten Teleskopladerreihe – die acht hydrostatische angetriebene Modelle in 26 Varianten im Bereich von 3,2 t bis 6 t Traglast umfasst – »alle Marktsegmente abzudecken und die Marke Liebherr im Segment der Teleskoplader neu zu positionieren« (das bauMAGAZIN berichtete in Heft 3/18, Seite 116). Mit dieser Formulierung hat Liebherr den Startschuss gegeben für diese Produktoffensive, deren Grundlage die 2015 vereinbarte OEM-Partnerschaft mit dem deutschen Landmaschinenhersteller Claas ist. Jetzt ist die neue Montagelinie eingerichtet, es werden derzeit in 13 Takten täglich fünf bis sechs Teleskoplader produziert. »Wir sind sehr zufrieden mit dieser Entwicklung, übertrifft doch die Nachfrage unsere Erwartungen«, sagte Marketingleiter Alexander Katrycz im Gespräch mit dem bauMAGAZIN. »Wir sind gut auf Kurs.«
Agrarwirtschaft, Bauwirtschaft und Industrie – das sind die drei Zielmärkte, die Liebherr zusammen mit dem Partner Claas mit seinen neuen Teleskopen im Visier hat. Mit durchaus sportlichen Absatzerwartungen. »Wir können auf unserer neuen Montagelinie bis zu 1 800 Einheiten im Jahr produzieren«, erläuterte beim Redaktionsbesuch des bauMAGAZIN in Telfs Marc-Philipp Offner. Der ist im Bereich Prozessmanagement Produktion tätig und hat die neue Teleskoplader-Montagelinie gemäß den Grundlagen der »Lean Production« als »getaktete Fließfertigung« mit konzipiert und den Aufbau begleitet. Dazu wurde die 2 500 m² große Halle, in der man früher jährlich zwischen 60 und 120 Einheiten der seinerzeit drei Modelle umfassenden Teleskopladerreihe produziert hat, komplett leergeräumt. Dann wurde innerhalb kürzester Zeit die neue Montagelinie installiert – eine Investition von rund 2 Mio. Euro.
Derzeit fünf bis sechs Maschinen pro Tag
Nach Anlauf der Produktion zu Beginn des Jahres geht Marc-Philipp Offner davon aus, in diesem Jahr rund 1 000 Teleskoplader ausliefern zu können, bedingt durch die Marktverteilung zwischen Land- und Bauwirtschaft der überwiegende Teil davon für den Kooperationspartner Claas. »Unser mittelfristiges Ziel ist es, jährlich bis zu 1 800 Einheiten zu produzieren, die mit dieser Montagelinie möglich sind«, sagte Alexander Katrycz.
Die Maschinen sollen natürlich auch in die Bereiche Bau und Industrie geliefert werden. »Derzeitig fertigen wir fünf bis sechs Maschinen pro Tag«, so Marc-Philipp Offner, »das Maximum liegt bei acht Maschinen. Und da wollen wir hin.« Dabei verhehlen beide nicht, dass die derzeit gute wirtschaftliche Lage sowohl im Agrar- als auch im Baubereich »sehr hilfreich ist bei der neuen strategischen Ausrichtung«.
Was aber nicht heißt, dass man sich bei der Liebherr Telfs GmbH langfristig mit diesen 1 800 Einheiten pro Jahr zufriedengeben will. »Alleine in Europa werden jährlich in allen Klassen rund 30 000 Teleskoplader produziert, davon mehr als die Hälfte für die Agrarwirtschaft, der Rest verteilt sich auf die Bauwirtschaft oder die Industrie«, erläuterte Alexander Katrycz. »Wir haben in unseren Fokusmärkten das klare Ziel, in unseren Maschineklassen auf einen Marktanteil von über zehn Prozent zu kommen.«
Drei neue Teleskopen auf der Bauma
»Mit unseren momentan acht Modellen können wir natürlich noch nicht alle Segmente des Teleskoplader-Marktes abdecken.« Deshalb gebe es eine »Roadmap«, wann und wie die Teleskoplader-Range erweitert werden soll, vor allem im »oberen Bereich«. Aber man werde Schritt für Schritt vorgehen.
So wird Liebherr auf der Bauma im kommenden Frühjahr drei Teleskopen präsentieren, die nicht auf der intern sogenannten Plattform 2 basieren, sondern auf der Plattform 3, die es ausschließlich als »S-Modelle« gibt. Diese sind im Gegensatz zu den kostenoptimierten Value-Modellen für normale Stapel- und Hebeeinsätze auf Höchstleitungen ausgelegt und bieten eine Maximalgeschwindigkeit von 40 km/h.
Unter anderem verfügen die S-Modelle über eine Hochleistungsarbeitshydraulik, die aufgrund eines Steuerblocks mit lastunabhängiger Durchflussverteilung überlagernde Arbeitsbewegungen und damit dynamische und schnelle Arbeitszyklen ermöglicht. »Das sind die Maschinen, die hinsichtlich Fahr- und Ladegeschwindigkeit und Zugkraft beispielsweise prädestiniert sind für den Materialumschlag, für Produktionsanwendungen oder den harten Einsatz auf der Baustelle«, so Alexander Katrycz. Dabei sind alle Teleskopen mit modernen Dieselmotoren ausgerüstet, die nur mit geringen Modifikationen schon heute die Emissionsvorschriften der Stufe V erfüllen können.
Großen Wert auf Modularität gelegt
Dass die Entwicklung der neuen Teleskopladerreihe und der Aufbau der Montagelinie im laufenden Betrieb eine »spannende und große Herausforderung« gewesen ist, darauf hat auch Ulrich Hammerle als Geschäftsführer Technik der Liebherr Telfs GmbH hingewiesen. »Es war klar, dass die neuen Teleskopen die Ansprüche aus beiden Segmenten erfüllen müssen. Nämlich die, die an eine Maschine in der Landwirtschaft gestellt werden, und die, die für die Bauwirtschaft relevant sind. Das umzusetzen, war die größte Schwierigkeit.«
Die zentralen Themen in der Entwicklung, während virtuelle Prototypen erstellt wurden, seien die Elektronik und Steuerung, das Kabinendesign, die Verbesserung der Sichtverhältnisse, eine erhöhte Hydraulikleistung und die Schaffung eines Baukastensystems für die Produktion gewesen, so Ulrich Hammerle weiter. Großen Wert habe man auch auf die Modularität des Maschinenaufbaus gelegt, um eine möglichst hohe Effizienz und Flexibilität in der Montage zu erreichen. So könnten zentralen Einheiten, wie Tragrahmen, Powerpack, Kabine oder Ausleger, je nach Modell und Kundenwunsch individuell zusammengestellt werden, was den Produktionsprozess vereinfache.
Sehr zufrieden ist man bei Liebherr auch mit der Resonanz nach der Premiere auf der Intermat in Paris, wo die neuen Teleskoplader erstmals der breiten Öffentlichkeit präsentiert worden sind. »Das Echo dort war wirklich ausgezeichnet«, sagte Alexander Katrycz. »Auch die Mitbewerber nehmen uns ernst. Das haben wir in Paris ganz klar gemerkt.«
40 Mio. Euro Gesamtinvestition
Insgesamt investiert Liebherr am Standort Telfs mit einer Gesamtfläche von 170 000 m² die Summe von 40 Mio. Euro. So wurden neben der neuen Montagelinie für die Teleskoplader auch die Fertigungslinien für die Raupen und deren Flaggschiff PR 776 neu konzipiert und der Maschinenpark erneuert. Außerdem wurde eine 2 500 m² große Montagehalle plus Parkplatz und ein angeschlossenes Bürogebäude gebaut, in dem unter anderem das neue Schulungszentrum, die Logistik und die Dokumentationsabteilung untergebracht sind. Derzeit noch im Bau ist das neue sechsstöckige Verwaltungsgebäude, das nächstes Jahr bezugsfertig sein wird.
Mitarbeiterzahl steigt von knapp 500 auf 750
Schon dieses Jahr sollen, so die bisherige Planung, in Telfs mehr als 1 800 Maschinen produziert werden – vom kleinsten Teleskoplader, über Rohrverleger mit bis zu 100 t Hubkraft bis hin zur 73-t-Raupe. Eine bemerkenswerte Steigerung, denn im Jahr 2017 waren es noch 760 Maschinen. Analog dazu ist auch die Zahl der Mitarbeiter gestiegen, und zwar innerhalb von knapp drei Jahren von knapp 500 auf heute 750. »Auch das ist eine Entwicklung, die uns sehr freut und die noch nicht abgeschlossen ist«, sagte Alexander Katrycz. »Schließlich haben wir in Telfs in den kommenden Jahren einiges vor.« ß