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Coreum: Zwischen Staub und Stahl - Das Coreum als »Baustelle zum Anfassen«

Ein tonnenschwerer Hydraulikbagger, der sich seinen Weg mit ratternden Ketten durch Geröll und Staub bahnt – wer die Baubranche kennt, der weiß, dass sich große Maschinen und der harte Baustellenalltag nicht digital erklären lassen. Bau war und ist etwas zum Anfassen und damit gerade in Zeiten von Corona leidgeprüft. Denn durch die Absagen der Präsenzmessen fehlt der direkte Draht: Digital lässt sich ein Backenbrecher oder Radlader zwar beschreiben, aber Profis wollen erleben, wie sich eine Maschine im Einsatz anfühlt. Eine Brücke geschlagen hat hierfür das Coreum in Stockstadt am Rhein. Das von der Kiesel-Gruppe 2018 ins Leben gerufene Großprojekt diente gerade in den vergangenen zwei Jahren als eine der wenigen Plattformen für Ausstellungen, Trainings, Schulungen und Events, die trotz Pandemie für Besucher geöffnet war. Bestes Beispiel dafür ist die »Expo Kanalbau«, bei der sich im Juni einen Monat lang alles um Sonderausstellungen, Demo-Baustellen, Tests und Produktvorführungen drehte. Die bauMAGAZIN-Redaktion hat sich das in Stockstadt angeschaut und mit Kathrin Kiesel und Björn Hickmann – die als Geschäftsführer-Team das Coreum leiten – sowie Marketing-Leiterin Nicola Bojarski darüber gesprochen, wie das Coreum bislang die Corona-Pandemie gemeistert hat und welche Investitionen und Erweiterungen in den kommenden zwei Jahren geplant sind.

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Von: Michael Wulf

Es ist ein Drahtseilakt – wer Theorie mit Praxis vereinen möchte, betritt erfahrungsgemäß schwieriges Terrain. Größter Anlaufpunkt, um beispielsweise neue Baumaschinen oder Anbaugeräte kennen zu lernen, waren bisher die großen Messeveranstaltungen. Sie sind Publikumsmagnet und Branchentreff zugleich, doch in den meisten Fällen vorrangig Ausstellungsfläche. Anfassen ist hier in der Regel verboten – und ob der erhöhten Besucherfrequenz ist an entspannten Erfahrungsaustausch kaum zu denken. Als das Coreum 2018 eröffnete, wollte man genau diese Lücke schließen und eine Plattform schaffen, die 365 Tage im Jahr – unabhängig von Wind und Wetter – praxisnahe Schulungen, Seminare und Ausstellungen zulässt. Dann kam Corona und damit der Stillstand aller Messen und Veranstaltungen.

Coreum vs. Corona – Glück im Unglück

Während Vor-Ort-Veranstaltungen seit Anfang 2020 flächendeckend ins Wasser fielen, konnte das Coreum durchgehend geöffnet bleiben. Ein wesentlicher Grund dafür ist der gewaltige Neubau in Stockstadt. Auf einer Fläche von mehr als 120 000 m² mit einem 80 000 m² großen Baumaschinen-Park, sechs Demo-Baustellen, einem 400 m³ großen Indoor-Sandkasten sowie 1 500 m² an Ausstellungsfläche war für ausreichend Abstand gesorgt. Gleichzeitig konnte das Coreum mit weitläufigen Büro- und Seminarräumen sowie umfangreichen Hygiene- und Schutzmaßnahmen punkten. »Trotz Corona können wir zufrieden sein, wir hatten durchgehend geöffnet. Trainings, Besprechungen, Besuche und Beratungen – wir waren als dauerhafte Messe aktiv und haben nicht stillgestanden«, so Kathrin Kiesel. »Betriebliche Veranstaltungen durften in der Corona-Krise stattfinden – zusammen mit unserem gut durchdachten Konzept war das natürlich unser Glück, weiterhin für Besucher öffnen zu dürfen. Größere Veranstaltungen mussten hingegen abgesagt werden, was uns schlussendlich aber etwas Luft verschafft hat, intensiver am Außengelände und anderen Konzepten weiter zu arbeiten«, ergänzte Nicola Bojarksi.

Zu spüren bekam das Coreum die Krise dennoch: Die umfangreichen Auflagen und klar eingeschränkte Besucherzahlen haben nach ergänzenden Lösungen verlangt: »Die Krise hat gezeigt, wie wichtig digitale Kanäle geworden sind. Das Coreum ist zum Glück von Beginn an digital gut aufgestellt. Dadurch, dass wir zusätzlich Besucher vor Ort empfangen durften, konnten wir beide Kanäle gleichermaßen bedienen«, sagte Kathrin Kiesel. Gleichwohl, so die Geschäftsführerin weiter, habe Corona aber auch aufgezeigt, dass digitale Lösungen kein Allheilmittel sind: »Unsere Akademie zum Beispiel, hat aufgrund von Corona zwar weniger Teilnehmer verzeichnet, aber gerade im technischen Bereich hat sich gezeigt, dass manche Themen ausschließlich digital nicht funktionieren und eine Präsenz vor Ort notwendig machen. Unser Vorteil ist, dass wir über große Schulungsräume, viel Platz und damit viel Abstand verfügen. Die Trainings-Konzepte gehen auf und wurden unter anderem durch Führungstrainings ergänzt.«


Viel Geld – sinnvoll angelegt

Der Neubau 2018 war in so mancher Hinsicht auch ein gewagtes Spiel: Zwar unterscheidet sich das Coreum deutlich von traditionellen Messen, aber man teilt sich eine Klientel und steht damit zwangsläufig im Wettbewerb. Wohlwissend, dass das Coreum deshalb neue bzw. andere Wege gehen muss, hat die Kiesel-Gruppe viel Geld in die Hand genommen. Aktuell stehen die Planung sowie Fertigstellung des Messeparks, zusätzlicher Bürokapazitäten, des Recycling-Parks sowie der Bau eines eigenen Hotels auf der Agenda, das laut Kathrin Kiesel Ende 2022 fertiggestellt werden soll. Gerechnet wird für diese vier zusätzlichen Investitionen derzeit mit einer Gesamtsumme von rund 30 Mio. Euro – die mit Abstand größte Investition der Firmengeschichte. »Seit der Eröffnung des Coreums ist das Konzept schlichtweg aufgegangen. Durch den großen Zuwachs an Partnern und die hohen Besucherzahlen platzen wir mittlerweile aus allen Nähten, was schlussendlich der Grund für diese weiteren Investitionen ist.«

Das Verschmelzen zweier Welten

Beim Betreten der Expo-Halle, der Galerie oder des Außenbereichs wird deutlich, dass das Zusammenspiel von Theorie und Praxis tatsächlich funktioniert: Maschinen, Anbaugeräte und Baustellen-Equipment lassen sich inmitten von Schotter und Sand anfassen und ausprobieren – darauf bedacht, dass die Präsentation von Produkten realitätsnah und damit glaubwürdig bleibt. Als eine große Stärke des Coreums beschreibt Kathrin Kiesel außerdem die große Flexibilität: »Sowohl die Fachvorträge als auch die Ausstellungsstücke spiegeln das wider, was der Markt gerade sehen will.« Ziel ist es laut Björn Hickmann, mit der Expo einen Treffpunkt der Branche zu schaffen, der sich auf die tatsächliche Praxis am Bau bezieht. »Wichtig ist auch, dass der Austausch mit den Besuchern auf Augenhöhe passiert. Profis zeigen Profis die Themen auf, was die Ausstellung authentisch macht.«

Eine Besonderheit des Coreums ist auch das Gelände selbst: Neben der vielseitigen Außenanlage bieten sich im Hauptgebäude beispielsweise bis zu 12 m hohe Werkstätten, die als Trainings- oder Schulungsraum genutzt werden können. Während also erklärt wird, wie sich ein 30-t-Bagger bedienen oder warten lässt, steht dieser gleich mit im Seminarraum. »Durch die großzügigen Räumlichkeiten und Zugänge haben wir die Möglichkeit, direkt an der Maschine zu lernen. Das erleichtert den Wissensaustausch und das Netzwerken enorm«, erläuterte Björn Hickmann.

Eine Plattform für Arbeitssicherheit

Aktuell verzeichnet das Coreum 49 teilnehmende Partner – eine Zahl, die laut Hickmann noch weiter steigen wird. Ein gutes Beispiel dafür, wie sich eine Plattform wie das Coreum sinnvoll nutzen lässt, ist die Recalm GmbH. Das noch junge Unternehmen aus Hamburg hat ein auf Antischall basierendes System namens ANCOR entwickelt, das zur Lärmminderung in Fahrzeugkabinen eingesetzt wird und damit schädliche Geräusche auf Knopfdruck reduziert (das bauMAGAZIN berichtete darüber in Heft 3/21, Seite 26). Der Clou: Trotz der Gegenfrequenz bleiben andere Geräusche wie etwa durch Funkgerät, Radio, Telefon oder Gespräche mit dem Vorarbeiter weiter hörbar. Als Partner stellt Recalm seine Active-Noise-Cancelling-Lösung (ANC) derzeit im Start-up-Bereich der Expo-Halle aus. Und damit ist das Unternehmen auch ein Beispiel dafür, dass Sicherheit am Bau mehr Gehör findet. »Generell hat sich das Thema Arbeitssicherheit in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Teilbereich entwickelt, der verstärkt nachgefragt wird. Gleichzeitig ist es aber auch notwendig, dieses Wissen direkt zu vermitteln, um das Arbeiten auf der Baustelle künftig noch sicherer zu machen«, so der Anwendungsberater und Branchenexperte Philipp Ellsäßer.

Bei einem Rundgang durch die Expo und über das Außengelände stellten Coreum-Experten Philipp Ellsäßer und Louis Rittersberger der Redaktion weitere Beispiele vor, wie sich Produkte der Baubranche praxisnah präsentieren lassen. »Das Coreum fühlt sich für Besucher an wie eine echte Baustelle, was das Ganze auch so glaubwürdig macht. Die größte Bestätigung für uns ist es, wenn ein Expo-Besucher mit 25 oder 30 Jahren Berufserfahrung für das hier Erlebte ›Danke‹ sagt.«    d

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