Bomag: Zwischen brachialen Baumaschinen und filigranen Hightech-Erfindungen

Im Rahmen der »Innovation Days« hat Bomag im September seine neueste Baumaschinentechnologie am Stammsitz in Boppard vorgestellt (das bauMAGAZIN berichtete bereits kurz in Heft 9/19, Seite 20). Das großzügig angelegte Demo- und Trainingszentrum bot den rund 1 300 Besuchern das komplette Sortiment – vom handgeführten Stampfer bis zum über 50 t schweren Müllverdichter, der mit seiner imposanten Erscheinung für Aufsehen sorgte. Und obwohl tonnenschwere Maschinen, martialische Sounds und meterhohe Feuerfontänen während der Vorführungen für viel Aufsehen sorgten, stand mit dem bereits zur diesjährigen Bauma gewählten Slogan »Think further« noch etwas anderes im Mittelpunkt: »Die kommenden Jahre bringen neue Anforderungen mit sich. ›Think further‹ soll verdeutlichen, dass wir weiter in die Zukunft denken müssen, um uns gezielt darauf vorzubereiten«, betonte Ralf Junker, Präsident der Bomag.

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Die Baumaschinenbranche erlebt im Augenblick einen weitreichenden Technologiewandel. Gegeben hat es den natürlich schon immer – mal schleichender, mal schneller. Das, was diesen Wandel derzeit aber so bedeutsam macht, ist die damit einhergehende Gratwanderung zwischen Entwicklungseifer und rentabler Anwendbarkeit. Bomag hat in den vergangenen Jahren viel investiert, um die Einführung alternativer Antriebe sowie die Automatisierung und Digitalisierung von Baumaschinen unter einen Hut zu kriegen.

Das Ergebnis lautet »Think further« – ein Leitspruch, der aus Sicht von Bomag-Präsident Ralf Junker unterstreichen soll, »wie wichtig wir die anstehenden Herausforderungen nehmen«. Hinzu kommen aber auch wirtschaftliche Veränderungen: Obwohl Bomag 2018 mit einem weltweiten Umsatz von 830 Mio. Euro das erfolgreichste Ge­schäftsjahr der Unternehmensgeschichte geschrieben hat, ist man für 2019 vorsichtiger geworden: »Während der Bedarf in Deutschland, Frankreich und Nordamerika weiterhin enorm ist, verzeichnen wir ein Abschwächen in anderen Märkten. Ein Beispiel dafür ist die Türkei: Dort hat es im Bauwesen in den vergangenen Jahren unglaublich ge­boomt, nun ist der Marktbedarf um ein Drittel eingebrochen, das merken natürlich auch wir«, so Ralf Junker.

»Seit einigen Monaten ist aber auch eine Verlangsamung des Wachstums in China festzustellen, was letztlich auf den Handelsstreit mit den USA zurückzuführen ist. Marktrückgänge erleben wir zudem in Indonesien, Australien und Thailand.«

Aktuell, so Junker, rechne man bei Bomag für 2019 mit einem Rückgang von 3 % bis 4 %. »Damit sind wir natürlich weit entfernt von einer Krisensituation, zumal wir gerade hier in Europa, wo wir allein die Hälfte unseres Gesamtumsatzes generieren, nach wie vor von einem hohen Niveau sprechen«, ergänzte Junker. Abzuwarten bleibe, wie sich die Märkte in den kommenden Monaten im Einzelnen entwickeln und welche Auswirkungen der Handelskrieg zwischen den USA und China sowie der Brexit haben. Insgesamt betrachtet scheint Bomag aber bestens gewappnet, gerade mit Blick auf die neuesten Baumaschinen-Lösungen, die während der »Innovation Days« zweifelsohne im Mittelpunkt standen.

Eine große Bandbreite an Maschinen

Auf dem überdachten Trainings- und Demonstrationsgelände, das fast so groß ist wie ein Fußballfeld, hat Bomag alles aufgefahren, was das Baumaschinen-Sortiment hergibt. Gezeigt wurde der komplette Straßen-Einbauzyklus, der von der Logistik über Stabilisieren und Verdichten bis zum Asphaltieren reicht. Und das unter realen Bedingungen, wie sie auch auf jeder gewöhnlichen Straßenbaustelle existieren. »Die Live-Demos haben den Vorteil, dass unsere Kunden einen Einblick in unsere hohe Fertigungstiefe erhalten und sich noch vor Ort einen Eindruck von der Qualität verschaffen können«, so Junker.

Ein Highlight war die autonome Tandemwalze Robomag, eine Neuentwicklung, die bereits auf der Bauma begutachtet werden konnte (das bau­MAGAZIN berichtete im Heft 5/19, Seite 101). Allerdings hat Bomag die auf Basis der BW 154 konzipierte Maschine nun erstmals im direkten Einbauprozess in Kombination mit anderen Maschinen gezeigt. Sensoren- und GPS-Technologie sorgt dafür, dass die Walze vollautonom in einem für sie vordefinierten Arbeitsgebiet arbeiten kann. Der Vorteil sei hierbei, so Lutz Stallgies, Leiter Produkt-Management bei Bomag, dass der Robomag zusätzlich per Fernsteuerung bedient werden könne, etwa beim Verladen.

Gleichwohl ist die Maschine dazu in der Lage, vorgegebenen Fahrmustern zu folgen, was gerade in besonders schwierigem Arbeitsumfeld von Vorteil sein kann. Mit dieser hochmodernen Autonommaschine geht aber auch die Weiterentwicklung des »Asphalt Manager 2« von Bomag einher: Das System kann die jeweilige Verdichtungsarbeit überwachen sowie die erbrachten Einbauprozesse umfangreich dokumentieren. Letzteres rückt im Zuge der generellen Digitalisierung zunehmend in den Mittelpunkt, da die bisherigen Lösungen zur flächendeckenden Verdichtungskontrolle (FDVK) als umständlich gelten.

Die Baustelle 4.0 – Apps als Echtzeitlösung

Einen wichtigen Schritt im Bereich »smarter Baustellen« hat Bomag mit seiner »Bomap« gemacht. Die App ist intuitiv bedienbar und lässt sich ohne großen Aufwand oder Vorkenntnisse vom je­weiligen Maschinenführer verwenden. Sie ist kostenfrei und mittels Smartphone oder Tablet nutzbar. Das Besondere: Der Maschinenführer kann »Bomap« auf den Walzen jedes Herstellers nutzen, um die Überfahrten zu dokumentieren oder den GPS-Standort zu übermitteln. Weitere wichtige Informationen wie Asphalttemperatur oder die Verdichtungskontrolle mittels EVIB-Messtechnik lassen sich per Bluetooth automatisch aufzeichnen. Komplett wird die digitale Aufrüstung durch das Prozessoptimierungssystem »AsphaltPro«, das ebenfalls speziell für den Straßenbau entwickelt wurde. Mithilfe dieser App kann die Koordination der gesamten Baustelle erfolgen. So lässt sich zum Beispiel ein Überblick über alle verfügbaren Ressourcen schaffen: Von der Mischanlage über den Transport soll mit »AsphaltPro« bis zum Einbauprozess alles miteinander vernetzt sein, um Störungen im Bauablauf in Echtzeit zu erkennen und besser darauf regieren zu können.

»Das Ergebnis dieser Hilfsmittel ist eine detailreiche Prozessdokumentation analog des Buildung Information Modellings (BIM)«, ergänzte Lutz Stallgies. »Planung, Analyse und Dokumentation von Straßenbauprojekten werden damit abgedeckt. Der Vorteil ist, dass jeder Unternehmer dadurch schon während der Planungsphase weiß, wie viele Maschinen er benötigt und welchen Materialbedarf er hat. Das verringert die Stillstandzeiten und sorgt gleichzeitig für geringere Lagerkosten.« Als weiteren Pluspunkt nennt Bomag, dass die Einbauparamenter nicht nur während des Bauprozesses digital verfügbar seien, sondern gleichzeitig auch im Nachgang dokumentiert würden.

Vielseitigkeit bei den Maschinenneuheiten

Im Gepäck hatte Bomag zu den »Innovation Days« auch bewährt schweres Gerät, das aber häufig dem Wunsch nach alternativen Antriebstechnologie entsprechend vorgestellt wurde. So hat Bomag den Umweltschutz bei der Vorstellung seiner neuen Maschinen klar auf die Agenda gesetzt und neben Hybridversionen auch Gas- sowie Elektroausführungen präsentiert. Die neueste Generation an Bomag-Maschinen erfülle zudem bereits jetzt die ab 2020 geltende Abgasnorm der Stufe V.

Eine Besonderheit war der neuentwickelte City-Fertiger BF 200. Seine geringe Einbaubreite von 1,1 m bis 3,4 m eignet sich ideal, um flexibel unter innerstädtischen Bedingungen eingesetzt zu werden. Laut Lutz Stallgies eigne sich diese Ausführung deshalb besonders gut für Rad- und Fußgängerwege. Das 2-Plattformen-Konzept ermögliche zudem die Verwendung auf beengtem Baustelleterrain wie etwa Unterführungen und schmale Durchgänge. Ein aktives Motor- und Hydraulikmanagement soll bei der Ausführung BF 200 C-2 außerdem eine Kraftstoffreduzierung von bis zu 20 % ermöglichen und den Baustellenlärm deutlich verringern.

Neue Wege gehen: Die erste Hybrid-Tandemwalze

Mit einer speziellen Antriebseinheit, bestehend aus Dieselmotor und hydraulischem Speicher, ist die Tandemwalze BW 174 AP Hybrid ausgestattet. Der Hydraulikspeicher deckt kurzzeitige Lastspitzen ab, wie sie beispielsweise bei der Vibrationszuschaltung auftreten. Daher, so Lutz Stallgies, konnte für die BW 174 AP ein kompakterer Motor verwendet werden. Und auch hier zeigen sich aus Sicht von Bomag wichtige Umweltaspekte: Die Tandemwalze spare neben dem Kraftstoffverbrauch auch CO₂-Emissionen – beides um rund 20 %.


Ähnliches gilt für die reversierbare Vibrationsplatte BPR 60/65 Benzin, die mit einem Betriebsgewicht von 420 kg und der Arbeitsbreite von 650 mm hohe Flächenleistung bei Erd- und Pflasterarbeiten erbringen kann, gleichzeitig aber für niedrigere Betriebskosten sorgt. Im Zusammenspiel mit dem System »Bomag Economizer« wird der Verdichtungsfortschritt automatisch ermittelt, was zusätzliche Nacharbeiten verhindern und damit viel Zeit einsparen soll.

Eine neue Generation an Kompaktfräsen

Im Bereich der Kompaktfräsen ist Bomag laut Ralf Junker bei der zweiten Generation gezielt auf die Bedürfnisse der Maschinenanwender eingegangen. »Ein Kernziel war es, die komplette Plattform zu überarbeiten.« Dazu gehören auch die Bedienelemente, die samt der Plattform nun schwingungsisoliert sind, um die Vibrationsbelastung auf den Fahrer zu verhindern.

Ergonomische und verstellbare Sitze sollen den Komfort zusätzlich erhöhen. Darüber hinaus verfügen die neuen Kompaktfräsen über moderne 7"-Farb-Displays, auf denen die wichtigsten Einbauparameter jederzeit abgelesen werden können. Die Höhe der Fräse lässt sich zudem am Lenkrad oder Joystick festlegen, um die Präzision zu erhöhen und Bedienabläufe zu vereinfachen.

Ein neues Bedienkonzept hat Bomag aber auch für seinen Straßenfertiger BF 700 HMI 1.0 auf den Weg gebracht: Das kettengetriebene Modell der zweiten Generation besitzt einen Multifunktionssitz, um Bedienung, Sitzen und Fahren noch komfortabler zu gestalten. »Auch das«, so Ralf Junker, »sind Schritte, die wir auf Basis von Erfahrungswerten unserer Kunden gehen, um die Handhabung unserer Maschinen weiter zu verbessern.«

Auffällig ist, dass alle wichtigen Bedienfunktionen mittels Armkonsolen und Joystick erreicht werden können, was unnötiges Strecken, Beugen oder Lehnen verhindert. An der Bohle zeigen sich überdies neue Bedienpanele, die laut Bomag durch die integrierte Nivellierung und Zusatzfunktionen wie Massenrechner oder wegeabhängige Neigungs- und Dachprofilsysteme überzeugen.

Serviceleistungen weiter ausgebaut

Immer wieder tauchten während der Live-Demos aber auch Beispiele für den Vor-Ort-Service auf, und damit ein Geschäftsmodell, das Unternehmern nicht nur viel Zeit, sondern auch Aufwand und Geld sparen soll. Im Kern geht es dabei um eine digitale Service-Plattform, mit der Wartungs- und Reparaturaufgaben weltweit verbessert werden können. Mithilfe des »Remote Service Assistant« kann der Servicetechniker laut Bomag direkt Unterstützung von Experten aus dem Back Office anfordern.

Im Bedarfsfall können Entwicklungsingenieure das jeweilige bestehende Problem aus der Ferne durch die Übertragung mittels Augmented-Reality-Brille (AR) beobachten und dann in Echtzeit eine Lösung anbieten. Auf diese Weise entfielen mit der Soforthilfe in vielen Fällen hohe Reisekosten, aber eben auch Stillstandzeiten des Fuhrparks.

Als weiteren Vorteil nennt Lutz Stallgies, dass jede Servicearbeit damit lückenlos dokumentierbar sei. Alle relevanten Daten wie Bilder, Videos oder Textinhalte könne man zentral sichern und jederzeit nachvollziehen. Zum Bereich der Serviceleistungen zählt Ralf Junker aber auch das Angebot an Trainings und Fachkraftqualifizierung: »Sowohl unsere Kunden als auch Servicekräfte lernen in unseren Anwendungstrainings, die hier direkt in Boppard abgehalten werden, den richtigen Umgang mit unseren Maschinen. Das betrifft neben der Bedienung aber auch Wartung und Reparatur. Außerdem können sich die Leute untereinander austauschen und ihre Erfahrungswerte mit einbringen.« Gerade mit Blick auf den noch immer vorherrschenden Fachkräftemangel sieht Junker zudem einen großen Nutzen in der Nachqualifizierung: »Mit unseren Schulungen bilden wir zum Beispiel qualifizierte Bediener von Fertigern aus, was für Bomag aber kein Medium darstellt, mit dem man Geld verdient, sondern eine Dienstleistung für unsere Kunden.«

Staubreduzierung bei Fräsarbeiten

Neben der Vorstellung neuer Maschinen oder digitaler Lösungen hatte für Bomag aber auch die Gesundheit für Baustellenarbeiter und Maschinenführer eine starke Gewichtung. Ralf Junker war es ein wichtiges Anliegen, klarzustellen, dass gerade die Staubentwicklung beim Einbauprozess ein Risiko darstelle, das man eindämmen müsse. »Feinstaub hat die unangenehme Eigenschaft, unglaublich lang in der Luft zu stehen.«

Anders als Grobstaub verbleibt Feinstaub laut Bomag wie eine unsichtbare Wolke, die nur langsam zum Boden absinkt. Am Markt existieren derzeit Lösungen, die den Feinstaub aus der direkten Arbeitsumgebung absaugen und dann zum För­derband leiten, was zwar den Maschinenführer schützt, den Staub letztlich aber nicht eliminiert. Neben den Passanten und Anwohnern ist deshalb auch das nachfolgende Baustellenpersonal weiterhin gefährdet. »Bedenkt man jetzt den Einsatz von Fräsen im innerstädtischen Bereich, wo ein besonders hoher Publikumsverkehr vorherrscht, sollte es aus meiner Sicht verpflichtend sein, sinnvolle Gegenmaßnahmen zu verwenden.«

Um dem Risiko von Feinstaub in den Atem­wegen zu reduzieren, hat Bomag speziell für Kaltfräsen die Ion-Dust-Shield-Technologie auf den Weg gebracht. Diese Lösung wird in einem kleinen Kasten direkt am Förderband eingebaut: Durch die Staubabsaugung lassen sich die feinen Staubpartikel durch ein elektrisches Feld befördern, wo diese positiv aufgeladen und daraufhin vom negativ geladenen Gehäuse angezogen werden. Auf diese Weise verklumpt der Staub – das Resultat ist dann Grobstaub, der sich weitaus einfacher und vor allem sicherer zusammen mit dem Fräsgut abtransportieren lässt.

»Ein Institut hat unsere Filtersysteme bewertet und herausgefunden, dass das Ion-Dust-Shield bei einem Wirkungsgrad von bis zu 80 % liegt. Demnach lässt diese Lösung nur noch 20 % des gewohnten Feinstaubs zu«, so Ralf Junker ergänzend.    d

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