Liebherr-Werk Telfs GmbH Auf Rädern und Ketten: Liebherr-Telfs stellt sich zukunftssicher auf

Lesedauer: min | Bildquelle: Liebherr
Von: Dan Windhorst

Keine Lenkkupplung, keine Bremse, kein Schaltgetriebe – als bei Liebherr im Jahr 1976 die erste Planierraupe im damals neu errichteten Werk im österreichischen Telfs vom Band lief, stellte das eine heftig diskutierte Revolution innerhalb der Branche dar. Das Antriebs- und Bedienkonzept galt als neu, exotisch und technisch anspruchsvoll. Gleichwohl galt Liebherrs Verwendung hydrostatischer Antriebe unter Branchenexperten schnell als wegbereitend. Heute – und damit 47 Jahre später – kann Liebherr in Telfs noch immer von ambitioniertem Erfindergeist profitieren, wenngleich das Werk nach fast einem halben Jahrhundert kaum mehr wiederzuerkennen ist. Erst kürzlich wurde dort ein neues Hochleistungslogistikzentrum aus dem Boden gestampft (das bauMAGAZIN berichtete in Heft 8/23, Seite 18). Die Redaktion hat diese Gelegenheit genutzt und sich einmal genauer bei Liebherr in Telfs umgeschaut.

Als Produktionsstandort für Baumaschinen mit hydrostatischem Antrieb ist das Liebherr-Werk in Telfs auf die Fertigung von Planier- und Laderaupen sowie Teleskoplader und Rohrleger spezialisiert. Und obwohl Liebherr bereits in den späten 1970er-Jahren »state of the art« produzieren konnte, lässt sich das mit der computergestützten, hochtechnologisierten Entwicklungs- und Fertigungsarbeit von heute wohl kaum mehr vergleichen. Und auch der Blick auf die Fertigungstiefe zeigt, dass Liebherr sich seither sukzessive weiterentwickelt hat. Ein Sinnbild dafür ist das erst kürzlich errichtete neue Logistikzentrum.

Mit einer Investitionshöhe von mehr als 35 Mio. Euro erweist sich der neue Lager- und Logistikkomplex als umfassende Maßnahme, um dem starken Wachstum sowie dem gestiegenen Marktpotenzial Rechnung zu tragen. Gleichwohl zeigte Geschäftsführer Alfred Weithaler gegenüber dem bau­MAGAZIN auf, dass der Neubau, der künftig Platz für 16 200 Paletten sowie 41 000 Kleinteile bietet, »nur der Anfang« sei. »Das erklärte Ziel ist es, bis 2026 über 3 000 Maschinen pro Jahr zu fertigen und genau dann eine Maschine zu liefern, wenn sie bestellt wurde.«

Ausgelegt ist das neue Logistikzentrum, dessen Herzstück ein vollautomatisiertes Hochregallager darstellt, auf weit effizientere Arbeitsprozesse. »Einzelne Baukomponenten lassen sich künftig, auf den Bedarf in der Fertigung zugeschnitten, individuell zusammenstellen. Egal, was gerade benötigt wird, das System stellt es zur Verfügung«, erläuterte Alfred Weithaler beim Gang durch den Neubau. Auffällig sind die enormen Lagerkapazitäten: Ein Hochregallager, das bis unter die Decke des insgesamt 32 m hohen Gebäudes reicht, ermöglichte Liebherr die Automatisierung hochkomplexer Lagerprozesse. Digital überwacht, lässt sich von der kleinsten Schraube bis zum tonnenschweren Bauteil alles in Echtzeit im Blick behalten. In der jüngsten Vergangenheit hatte Liebherr bereits 20 Mio. Euro in ein neues Verwaltungsgebäude investiert.

Ebenso zeigt ein Blick hinter die Fertigungskulissen, dass bei der Konstruktion der Telelader, Rohrleger, Schweißraupen sowie Planier- und Laderaupen auf neueste Technik gesetzt wird. Neben vollautomatischen 3D-Schweißrobotern und hochmodernen Bearbeitungszentren sowie effizienten Tools zur Produktionssteuerung zeigen sich auch ausgeklügelte Ideen, um das Arbeiten weit ergonomischer zu gestalten: So lässt sich beispielsweise die tonnenschwere Grundkonstruktion eines Teleladers komfortabel auf die gewünschte Arbeitshöhe bringen und sogar um 360° wenden, damit das Einsetzen aller benötigten Bauteile möglichst rückenschonend und ebenso kraftsparend verläuft. »Gleichzeitig setzen wir in Telfs auf digitale Prozesse«, fügte Alfred Weithaler an.

Jeder einzelne Fertigungsabschnitt ist, ebenso wie das darin integrierte Qualitätsmanagement, mit großzügigen Displays und Bedieneinheiten ausgestattet. Selbiges spiegelt sich in den Bereichen Design und Entwicklung wider. Für Letzteres hat Liebherr im Übrigen ein hauseigenes Testgelände geschaffen – »und das nicht zuletzt deshalb«, so Alfred Weithaler weiter, »weil unsere Entwicklungsabteilung auf ein anwendernahes Konzept setzt: In unserem Testbereich treffen Generationen an Maschinisten, Projektleitern und Ingenieuren zusammen, um an einem Tisch auf Augenhöhe zu diskutieren. Natürlich wissen unsere Entwickler, wie eine neue Maschine zusammengesetzt werden muss – vom Schreibtisch aus mache ich aber trotzdem keine 20 oder 30 Jahre an Praxiserfahrung wett.« Grundsätzlich, so Weithaler, soll von- und miteinander gelernt werden, »um am Ende eine Maschine auf den Weg zu bringen, die das Maximum an Effizienz, Leistung und Zuverlässigkeit erreicht«.

Stück für Stück ans Ziel: Laut Geschäftsführer Alfred Weithaler sollen in Telfs bis 2026 mehr als 3 000 Maschinen jährlich gefertigt werden. Dazu zählt auch das Raupenmodell PR 766 Litronic.

Teleskoplader als Multifunktionalisten

Ein Segment, das bei Liebherr in den vergangenen Jahren starkes Wachstum verzeichnet hat, sind die Telelader: Allein durch die OEM-Partnerschaft mit der Firma Class im Jahr 2015 konnte Liebherr weiteres Absatzpotenzial im Agrarsektor erschließen. »Hinzu kommt ein gestiegenes Interesse an unseren Teleladern aus der Baubranche: Im vergangenen Jahr haben wir mehr als 1 000 Einheiten der Claas-Telelader an die Bauindustrie geliefert«, sagte Alfred Weithaler. Den Grund dafür sieht er in erster Linie in der Multifunktionalität eines Teleskop­laders: »Die Maschinen sind geländegängige Stapelmaschinen und mittlerweile unentbehrlich in vielen industriellen, baulichen und landwirtschaft­lichen Anwendungen.« Und gerade weil diese Geräte so vielseitig sind, zeigt sich ein enormes Innovationspotenzial. »Aus diesem Grund prägen laufende technolo­gische Fort- und Neuentwicklungen dieses dynamische Maschinensegment. Markt, Wettbewerbsdruck sowie Kundenerwartungen und selbst­verständlich Megatrends, wie alternative Antriebskonzepte, Digitalisierung und Automatisierung, liefern hierbei die Impulse und setzen die Rahmenbedingungen«, erklärte Marketingleiter Alexander Katrycz.

Alfred Weithaler,  Geschäftsführer Liebherr-Telfs

»In unserem Testbereich treffen Generationen an Maschinisten, Projektleitern und Ingenieuren zusammen, um an einem Tisch auf Augenhöhe zu diskutieren sowie von- und miteinander zu lernen.«

Als aktuelles Flaggschiff in diesem Segment sticht zweifelsohne der T60-9s hervor. Sein robuster Aufbau, eine leistungsstarke Arbeitshydraulik sowie der stufenlose Fahrantrieb bei einer Motorleistung von 115 kW machen ihn laut Liebherr zu einer Universalmaschine, die schnell und wendig agieren kann, um große Materialmengen effizient zu transportieren und präzise aufzuhalden. Die maximale Hubhöhe liegt bei 8,7 m und die Reichweite bei rund 4,8 m, während die maximale Traglast 6 t beträgt. Und obwohl der Telelader robust daherkommt, erweist er sich als agil: Konstruiert und individuell konfigurierbar soll der T60-9s selbst auf extreme Einsätze abgestimmt sein und aufgrund seiner vier wählbaren Lenkarten flink und wendig sein.

»Etwas, das unsere Telelader zusätzlich auszeichnet, ist die Komfortkabine: Wir haben sozusagen um den Fahrer herumgebaut, um eine ideale Rundumsicht aus der Kabine heraus zu bieten, was die tägliche Arbeit nicht nur angenehmer, sondern auch sicherer gestaltet«, erläuterte Alexander Katrycz. Gleiches dürfte im Übrigen für das Modell T55-7s gelten: Ebenfalls mit 115 kW an Motorleistung sowie einer maximalen Hydraulikfördermenge von 200 l/min ausgestattet, soll der Allrounder Hubhöhen von bis zu 7 m, eine Reichweite bis 3,9 m sowie eine Traglast bis 5,5 t aufbieten. Der hier verbaute hydrostatische Antrieb soll schnelle Transferfahrten mit bis zu 40 km/h bei geringem Spritverbrauch ermöglichen.

Die verbaute Hochleistungsarbeitshydraulik zielt auf ein feinfühlig zu bedienendes System ab. Und genau das scheint sich für Liebherr seit vielen Jahren zu bewähren: Bereits bei Markteinführung der ersten Liebherr-Teleskoplader im Jahr 2006 warteten die Maschinen mit Technologien auf, die lange Zeit ein Alleinstellungsmerkmal darstellten. Beste Beispiele sind Funktionen wie »Auto Power« oder die programmierbare Schaufelrückführung, die sich seit dem Start der Produktion für die Landmaschinenmarke Claas und der neuen Industrieteleskoplader größter Beachtung erfreuen. Die Prämisse bei Liebherr lautet zudem seit Jahren: Steigerung von Produktivität und Sicherheit durch Automatisierung und Assistenzfunktionen. Hier lassen sich ergänzend zu den oben genannten Beispielen weitere Liebherr-Funktionen, wie die Feinsteuerung zum präzisen Ablegen von Lasten, die aktiv eingreifende Überlastwarneinrichtung oder die Berganfahrhilfe »Auto Hill Assist«, anführen.


Antriebsalternativen für Teleskoplader

Bereits auf der Bauma 2022 stellte Liebherr neue Konzepte vor, die auf Grundlage der jahrelangen Erfahrungswerte basieren und gleich drei alternative Antriebsmöglichkeiten aufzeigen sollten. Insgesamt stellte Liebherr acht Teleskoplader vor, die Traglasten von 3,2 t bis 6 t sowie Hubhöhen von 7 m bis 10 m abdecken. Neben hydriertem Pflanzenöl (HVO) als umweltfreundliche Treibstoffalternative standen ein emissionsfreier batterieelektrischer Antrieb sowie ein Plug-in-Hybridkonzept für Telelader im Mittelpunkt. Bei den Einsätzen von Teleskopladern wird die Wahl des richtigen Modells klassischerweise beeinflusst durch eine Vielzahl an Faktoren wie Hubhöhe, Traglast, Geschwindigkeit von Fahr- und Arbeitshydraulik, gewünschte Umschlagleistung, Ein- oder Mehrschichtbetrieb, einfache Bedienbarkeit und Fahrerkomfort sowie Anzahl und Funktionsweise der zu betreibenden Arbeitswerkzeuge.

Mit dem Ziel maximaler Leistungsfähigkeit bei größtmöglicher Umweltverträglichkeit werden weitere Parameter immer entscheidender. Hierzu zählt u. a. der Einsatzort mit den jeweiligen Um­weltauflagen – etwa der Innen- oder Außenbereich oder lokale Umweltzonen mit Auflagen im Bereich Luft- und Geräuschemissionen. Gleichwohl hat man die Fahrstrecken der Maschinen sowie die Verfügbarkeit von Energieträgern und die notwendige Ladeinfrastruktur im Blick. Liebherr befasst sich nach eigenen Angaben mit den heute und in absehbarer Zeit verfügbaren Techniken der Energieumwandlung, also Motoren, und den hierfür geeigneten Energieträgern.

Zahlen

Teleskoplader T60-9s  
Motorleistung: 115 kW
Arbeitshydraulik: 200 l/min
Max. Hubhöhe/Reichweite: 8,7 m/4,8 m
Max. Traglast: 6 t

Als Flaggschiff im Teleskoplader-Segment lässt sich bei Liebherr der T60-9s bezeichnen: Mit 115 kW Leistung ermöglicht dieser Allrounder Hubhöhen bis 8,7 m, eine Traglast bis 6 t sowie eine Reichweite bis 4,8 m. Beliebt ist diese Maschine insbesondere aufgrund ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten sowie einer hohen Leistungskraft bei einfacher Handhabung.

Einen immer wichtigeren Platz nimmt bei Liebherr der nachhaltige, synthetische Kraftstoff HVO ein – der erste kommerziell erwerbbare Kraftstoff, mit dem Verbrennungsmotoren nahezu klimaneutral betrieben werden können. Neben emissionsarmen Lösungen werden in einigen Ländern und Regionen schon bald komplett emissionsfreie Alternativen gefragt sein: So dürfen etwa in Norwegen ab 2025 alle kommunalen und ab 2030 generell alle öffentlichen und privaten Baustellen nur noch emissionsfrei betrieben werden. Das Konzept für einen emissionsfreien Teleskoplader ist ein modulares Hochvoltbatteriekonzept gepaart mit einem Elektroantrieb, das sich nach Kundenwunsch und -einsatz passend skalieren lässt und mit einer Onboard-Ladeelektronik ausgestattet ist. Gezeigt wurde das Konzept bereits auf der Bauma im vergangenen Oktober. Dieser Antrieb eignet sich besonders für Indoor-Anwendungen, wie zum Beispiel im Recycling, und überzeugt durch erhöhten Fahrerkomfort, geringe Lärmemissionen und optimiertes Vibrationsverhalten. Durch diese neue »Leisestärke«, so Liebherr, lassen sich Arbeiten auch problemlos in der Nacht erledigen.

Achte Raupengeneration mit bewährten und neuen Vorzügen

Geht es um Liebherr-Telfs, führt allerdings auch kein Weg an den Planierraupen vorbei. Seit vielen Jahrzehnten gelten die Liebherr-Raupen als kraftvolle Arbeitstiere, die im schweren Reißeinsatz, beim Materialtransport oder beim Feinplanieren auf innovative Technologie setzen. Ein gutes Beispiel dafür dürfte die D7-Klasse sein. In Telfs läuft etwa mit der PR 746 Litronic die mittlerweile achte Generation vom Band. Bei einem Einsatzgewicht von bis zu 31,5 t, einer Schildkapazität von 7,2 m³ und einer Motorleistung von 190 kW möchte Liebherr eigenen Angaben zufolge auf die altbewährten Grundsätze seiner Raupen setzen. Im Vordergrund stehen Zuverlässigkeit und Effizienz – wobei ein Blick in das Innere schnell zeigt, dass die achte Raupengeneration nur so vor Fahrerassistenzsystemen strotzt und sich auch Maschinensteuerungen integrieren lassen. Damit können digitale Planungsdaten genutzt werden, um die Maschinenausrüstung beim Abtrag oder beim Aufbringen von Material automatisch zu steuern. Auf diese Weise, so der Hersteller, lassen sich komplexe Flächen und exakte Planien schnell und präzise herstellen.

Zahlen

Planierraupe PR 746 Litronic Generation 8  
Einsatzgewicht: 25,9 t bis 31,5 t
Schildkapazität: 6 m³ bis 7,2 m³
Motorleistung: 190 kW
Abgasstufe: EU-Stufe V/Tier 4f

Mit der Planierraupe PR 746 Litronic hat Liebherr ein Modell der D7-Reihe geschaffen, das dank des Einsatzes von Assistenzsystemen und Maschinensteuerung hohe Effizienz aufbietet. Die rund 31 t schwere Maschine verfügt über eine Schildkapazität von 7,2 m³ und eine Motorleistung von 190 kW.

Hilfreich beim Einsatz von automatischen Steuerungen dürfte insbesondere der verbaute hydrostatische Antrieb sein: Der Hydrostat sorgt für gleichmäßigen und ruckfreien Vortrieb ohne Schaltvorgänge. Ein tiefer Maschinenschwerpunkt ermöglicht zudem sicheres Arbeiten auch auf steilen Böschungen. Der Maschinist erhält alle wichtigen Maschinenparameter über sein Touch-Display. Ebenso kann er fahrerspezifische Einstellungen vornehmen, etwa das Ansprechverhalten bei der Arbeits- und Fahrhydraulik oder das Aktivieren von Eco-Mode, Automat, Drehzahlreduktion und Motorabschaltung. Geboten werden außerdem eine Echtzeit-3D-Lageanzeige, eine aktive Unterstützung beim Feinplanieren mittels »Free Grade« und mit »Definition Grade« die Erstellung von definierten 2D-Flächen. Grundsätzlich können 2D- und 3D-Maschinensteuerungssysteme aller gängigen Hersteller auf Liebherr-Planierraupen jeder Größe aufgebaut werden. Liebherr bietet allerdings auch werkseitig montierte Vorrüstkits für Steuerungen verschiedener Marken an. Das umfasst etwa alle Vorbereitungen an der Maschine, die zum späteren Anbau einer automatischen Steuerung notwendig sind. Betroffen sind davon beispielsweise elektrische und hydraulische Einbauten sowie Halterungen und Steckverbindungen. »Auch das ist ent­standen, weil wir durch die Nähe zu unseren Anwendern passgenaue Lösungen bieten. Eine Liebherr-Maschine lässt sich individuell abstimmen und damit auf den jeweiligen Einsatzbereich zuschneiden«, ergänzte Alexander Katrycz. Alles in allem, so Alfred Weithaler abschließend, werde Liebherr an genau dieser Philosophie festhalten: »Wir müssen uns und unsere Maschinen auch in Zukunft gezielt hinterfragen. Gerade weil die wirtschaftlichen, politischen, aber auch marktspezifischen Herausforderungen nicht weniger werden, ist Weitsicht gefragt – und Schlüsseltechnologien werden hierfür entscheidend sein.«    d

 

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