Der Grundriss ist der Grundstücksform folgend ein abgewandeltes Dreieck mit erst runden und dann rechtwinkligen Ecken. Die ästhetisch und energetisch gleichermaßen hochwertige Fassade wird, ohne weitere Verwendung künstlich hergestellter Dämmstoffe, mit einer auf den Dämmbeton aufgebrachten Holzstruktur hergestellt. Eine bauliche Reminiszenz an die Wurzeln des 1909 als Zimmerei gegründeten Unternehmens. Im Innenraum werden puristisch anmutende Materialien wie Sichtbeton, geschliffene Betonböden und Holzoberflächen eingesetzt. Auf drei Geschossen mit einer Fläche von 4 300 m² entstehen überwiegend offene Bürostrukturen. Konferenz- und Veranstaltungsbereiche, ein Betriebsrestaurant sowie ein »Vita-Campus« ergänzen die Büroflächen. Ein Atrium sorgt für Luftigkeit und verbindet als Erschließungspunkt alle Geschosse. Das Untergeschoss bietet Raum für Tiefgarage und Haustechnik wie Wärmepumpe, Blockheizkraftwerk und Eisspeicher. Für den Entwurf des Gebäudes zeichnet das Stuttgarter Architekturbüro Ackermann+Raff verantwortlich. Die Erstellung des Rohbaus erfolgte bis Dezember 2020.
Dreieck mit schrägen Ecken
Die komplexeste Anforderung der Baumaßnahme war die Herstellung der 60 cm starken schrägen Leichtbetonwände des Erdgeschosses, die innen glatt, nach außen aber abgestuft sind und hier die für das Gebäude charakteristische Holzstruktur aufweisen. »Dies war bau- und schalungstechnisch ein absolutes Novum, das wir nur mit einem Partner lösen konnten, der über dezidierte Kenntnisse im Sonderschalungsbau sowie über das besondere Druckverhalten von Leichtbeton verfügt«, erläutert Dusan Koluvija, der bei Gustav Epple für das Prestigeobjekt verantwortliche Bauleiter.
Leichtbetone unterscheiden sich von normalen Betonen im Wesentlichen durch ihre Trockenrohdichte und erfordern daher besonderes Schalungs-Know-how. Im Unterschied zum Normalbeton, bei dem die Trockenrohdichte bei 2 kg/dm³ bis 2,6 kg/dm³ liegt, beträgt diese beim Leichtbeton gemäß DIN EN 206-1/DIN 1045-2 zwischen 0,8 kg/dm³ und 2 kg/dm³. In Stuttgart-Degerloch kam ein Leichtbeton der Festigkeitsklasse LC 13/15 und einer Rohdichtenklasse von D1,1 zum Einsatz, was lediglich ungefähr dem Gewicht von Wasser entspricht.
Sonderschalungen konfektioniert
Die definierten Anforderungen konnten nur durch den Einsatz von Sonderschalungselementen erfüllt werden, bei deren Details viele unterschiedliche Anforderungen zu berücksichtigen waren. So stand fest, dass eine Befestigung des Stahlgerippes an der darunter liegenden Decke des Untergeschosses nur eingeschränkt möglich wäre, da zwischen Tiefgarage und Gebäude eine 1,5 m breite Schwindgasse um das Bauwerk herum verläuft. Diese soll Setzungen des Gebäudes vorbeugen und wird erst nach Betonage der letzten Decke geschlossen. Um aber durchgängig eine sichere Aufstellebene für die Schalungssysteme des Erdgeschosses zu schaffen, mussten teilweise zusätzliche Fundamente beziehungsweise eine Betonschicht erstellt werden. Des Weiteren galt es, die Sonderschalungen so zu konfektionieren, dass die für die Erstellung der Holzstruktur aufzubringenden Planken unsichtbar an der Schalungsrückseite verschraubt werden konnten und ein Ausschalen ohne Beschädigung der Kanten sichergestellt war.
»Um die Holzstruktur in der gewünschten hochwertigen Optik herzustellen, haben wir die exakt auf die Rahmenbedingungen der Baustelle zugeschnittenen Sonderschalungselemente maßgenau in Rödermark vorproduziert«, beschreibt Max Hannawiya, Projektleiter bei ULMA, wichtige Schritte der Arbeitsvorbereitung. »Diese wurden vor Ort auf der Baustelle stufenweise mit Hölzern belegt und von hinten verschraubt, sodass die Betonoberfläche nach außen mit der gewünschten Maserung und innen komplett glatt erstellt werden konnte«, so Hannawiya weiter. Da die Hölzer nicht mehrfach verwendet werden konnten, mussten nach erfolgter Betonage alle Schrauben gelöst, das Holz demontiert und entsorgt werden. Dann wurde die Schalung umgesetzt und erneut mit Holz belegt, das Ganze dreimal, für jede Ecke des Dreiecks. »Die Erstellung der schrägen, innen glatten und außen gemaserten Leichtbetonwände war in jeder Hinsicht – sowohl statisch als auch schalungs- und bauausführungstechnisch – ein Highlight, das niemand von uns jemals zuvor so realisiert hat«, resümiert Hannawiya.
Leichtbetonbrüstungen – einfach andersherum
Für die drei in den Gebäudeecken befindlichen Treppenhäuser wurden Sichtbetonwände erstellt. Hier wurde auf der Rückseite einhäuptig mit Leichtbeton gegen den Sichtbeton betoniert, sodass auch hier wieder die Holzstruktur umgesetzt wurde. »Wenn man von außen durch das Gebäude blickt, ist eine durchgängige Maserung aus Beton erkennbar«, erklärt Hannawiya die ungewöhnliche Einzelheit. Ungewöhnlich war auch die Herstellung der Gebäudebrüstungen ohne Fertigteilelemente. Dies hatte zur Folge, dass quasi in »verkehrter« Reihenfolge gearbeitet wurde. Die 2,43 m hohen Leichtbetonunterzüge wurden noch vor der Decke ebenfalls mit einer Holzstruktur außen hergestellt. Im Anschluss wurde die Decke betoniert und an die Brüstungen angeschlossen. Somit galt es für die an der Außenseite mit Hölzern belegte Orma-Rahmenschalung – innenseitig wurde eine Zemdrain-Schalungsbahn eingesetzt, um die glatte Betonoberfläche zu optimieren –, zunächst Aufstandsflächen herzustellen.
»Damit die Mitarbeiter vor Ort sicher arbeiten konnten, haben wir für die Schalung, das Bewehren und Betonieren ULMA-Deckentische benutzt«, erläutert Koluvija. Auf Gerüsttürmen im Außenbereich wurden die Deckentische gelagert. Diese Türme wuchsen mit dem Gebäude bis zu einer Höhe von 14,21 m mit. Im Innern wanderten die Deckentische nach der Betonage der Decke um eine Etage nach oben, um dort die nächste Aufstandsfläche für die nächste Brüstung zu bilden. »Um zu jedem Zeitpunkt eine zuverlässige Absturzsicherung zu gewährleisten, haben wir alle Deckentische mit MBP-Gitterelementen ausgestattet«, so Hannawiya.
Zentraler Erschließungspunkt
Zentrales Element des Atriums ist eine Wendeltreppe, die die Geschosse verbindet. »Die Öffnung des Artriums verdreht sich in jedem Stockwerk um 120° um diese Wendeltreppe herum, sodass der Treppenanschluss in jedem Stockwerk variiert«, so Koluvija. Auch im Atrium wurden zunächst die Brüstungen in Sichtbetonweise hergestellt und dann die Decken an die Brüstungen betoniert. »Für die Brüstungen haben wir eine Alkus-Kunststoffschalhaut verwendet, um die Sichtbetonoberfläche zu optimieren. Die in diesem Bereich erforderlichen Rundungen wurden ebenfalls mit Sonderschalungselementen hergestellt«, sagt Koluvija.
Gefühlte fünf Baustellen
»Mit einer so großen Vielzahl derart heterogener Anforderungen hat man es im Rahmen einer nur einzigen Baustelle sehr selten zu tun«, erklärt Hannawiya, der als technischer Kopf bei ULMA koordinierend tätig war. »Die komplette Außenschale ist einmalig, so etwas haben wir bislang noch nicht gebaut. Weil wir alle stets vertrauensvoll Hand in Hand gearbeitet haben, haben in Summe sämtliche Bauabläufe im Rahmen dieses mehr als anspruchsvollen Projektes so reibungslos funktioniert«, betont Koluvija die Team-Leistung. t