thyssenkrupp: Ausgeklügeltes Konzept für den Brückenneubau

Mit einer Länge von 531 m ist der Neubau der Brücke »Pfädchensgraben« an der A 61 eine Herausforderung für sich. Hinzu kommt, dass sie in ihrem Verlauf eine S-Kurve beschreibt und sich damit die Querneigung des neuen Brückenüberbaus von – 6 % zu + 6 % verändert. Um die Bauaufgabe zu meistern, setzte das ausführende Essener Unternehmen Heitkamp Industrial Solution auf Trag- und Vorschubgerüste sowie das technische Know-how von thyssenkrupp Infrastructure. Die Lösung lag in der Kombination von einem Hydrauliksystem zur Höhenverstellung der Schalungsträger und höhenverstellbaren Auflagerschlitten im Bereich der Pfeilereinrüstung.

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In rund 48 m Höhe überspannt die Großtalbrücke Pfädchensgraben die A 61. Seit 2017 wird der Abschnitt zwischen der Anschlussstelle Rheinböllen und der Tank- und Rastanlage Hunsrück auf sechs Fahrstreifen ausgebaut und dabei die beiden rund 50 Jahre alten Talbrücken Tiefenbach und Pfädchensgraben erneuert. Um den Verkehr während des Neubaus der Talbrücke Pfädchensgraben aufrecht erhalten zu können, wurde neben der alten Brücke das erste Teilbauwerk der neuen Brücke errichtet. Nach Fertigstellung fließt der Verkehr über das neue Teilbauwerk und es erfolgt der Abriss der alten Brücke sowie der anschließende Neubau des zweiten Teilbauwerkes.

30 % Tragfähigkeit eingespart

Die Talbrücke wird als Spannbetonbrücke mit Hohlkastenprofil ausgeführt und mithilfe Vorschubgerüst erstellt. Insgesamt sind neben den zwei Widerlagern und zehn Pfeilern elf Brückenfelder zu errichten. Die Einzelstützweite beträgt beim ersten und letzten Feld 40,5 m und bei den restlichen neun Feldern 50 m. Hauptbestandteile des unten laufenden Vorschubgerüstes sind die Pfeilereinrüstung, die Hauptträger, die Schalungsquerträger sowie die Koppelfugenabstützung. Dabei liegt die Pfeilereinrüstung auf zwei dreistegigen Durchsteckträgern und wurde aus modularen röro-Querträgern mit einer Breite von 25 m und einer Höhe von 2,5 m montiert. Auf diesen Trägern wiederum befinden sich die Auflagerschlitten, die die Hauptträger inklusive Vor- und Nachläufer tragen. Diese 4 m hohen Hauptträger bestehen aus je zwei innenliegenden Hauptträgerscheiben (Tragscheiben) und einer äußeren Begleitträgerscheibe (Begleitscheibe) aus röro-Systemträgern U 3500, die über Verbände zu einem Raumfachwerk verbunden sind. Sie tragen die Schalungsquerträger, auf denen das Schalungsge­spärre und die Schalung zur Herstellung des Überbaus montiert sind.

»Damit eine einheitliche Biegelinie bei dem Brückenbauwerk entsteht, wird über jeden Brückenpfeiler hinaus immer ein Kragarm mit einem Fünftel der Länge des Brückenfeldes mitbetoniert«, erläutert Matthias Lang, Leiter Bereich Vorschubtechnik bei thyssenkrupp Infrastructure die Vorgehensweise bei der Erstellung der Brücke. An diesem Kragarm wird dann das Vorschubgerüst für den nächsten Bauabschnitt über die Koppelfugenaufhängung angehängt. Diese ist über ein Radfahrwerk längs auf dem Überbau verfahrbar und regelt die Aufhängelast des Vorschubgerüstes über Hydraulikzylinder. So entsteht eine glatte Untersicht an den Betonierabschnittsfugen. Lang: »Ein weiterer statischer Vorteil des Kragarms ist, dass dieser die Feldstützweite reduziert und so bei den Hauptträgern ungefähr 30 % Tragfähigkeit eingespart werden kann. Oder anders ausgedrückt: Würde immer das Feld von Pfeiler zu Pfeiler betoniert, müsste der Hauptträger 30 % tragfähiger sein, als er es jetzt ist.«


Auf engstem Raum

Autobahnbrücken bestehen meist aus zwei Bauwerken, über die je eine Fahrtrichtung in mehreren Spuren geführt wird. Dabei sind die Teilbauwerke im Regelquerschnitt so ausgeführt, dass sie im Bedarfsfall auch beide Fahrtrichtungen aufnehmen können. So kann eine Erneuerung unter Verkehr stattfinden. Schwierig wird es, wenn das neue Brückenbauwerk in der Trassierung nicht parallel zu der bestehenden verläuft und beispielsweise eine S-Kurve beschreibt. Dann ist der Abstand zwischen neuem Teilbauwerk und alter Brücke teilweise sehr gering und erfordert eine durchdachte Lösung für die Vorschubgerüst- und die Schalungskonstruktion. So auch am Pfädchensgraben, wie Lang erklärt: »Um die Pfeiler beim Verfahren des Vorschubgerüsts passieren zu können, wurden sowohl die Schalungsquerträger um je 1,5 m als auch die Hauptträger um je 3 m auf den Auflagerschlitten nach außen verschoben. Daher haben wir bei der Pfeilereinrüstung unsere modularen röro-Querträger mit einer Länge von 25 m und einer Höhe von 2,5 m verwendet. Dabei gab es innerhalb der S-Kurve Situationen, bei denen sehr wenig Platz zur Verfügung stand und wir gerade eben mit dem Traggerüst den Pfeiler passieren konnten, ohne den Brückenüberbau der alten Brücke zu berühren.«

Findige technische Lösung

Erschwerend kam bei der S-Kurve hinzu, dass der Drehpunkt, um den die Querneigung im Verlauf der Kurve um ± 6 % variiert, in der Brückenachse beider Brückenüberbauten liegt. Somit variiert die Höhe des gegenüberliegenden Randes um rund 1,6 m. Lang: »Daher musste die Traggerüstkonstruktion höhenverstellbar ausgeführt sein.« Hierzu kombinierten die Techniker von thyssenkrupp Infrastructure höhenverstellbare Auflagerschlitten im Bereich der Pfeilereinrüstung mit einem Hydrauliksystem, über das die Schalungsquerträger entsprechend ausgerichtet werden konnten. »Die verstellbaren Auflagerschlitten können so rund 58 cm in der Höhe verstellt werden. Da sich die Auflagerschlitten in unmittelbarer Nähe der Pfeiler befinden, wird allein hierdurch der äußere Rand der Schalung um gut 1 m angehoben. Die restlichen 60 cm wurden von dem Hydrauliksystem unter den Schalungsquerträgern übernommen«, erklärt Lang das Zusammenspiel.

Mit Litzenhebern abgesenkt

Das Teilbauwerk wurde in elf Takten hergestellt. Dabei kam beim ersten und letzten Takt aufgrund der reduzierten Feldstützweite von 40,5 m ein verkürztes Vorschubgerüst zum Einsatz. Lang: »Im ersten Feld wurde das Vorschubgerüst ohne Nachläufer verwendet. Beim schrittweisen Aufbau wurde es zusätzlich auf zwei Hilfsunterstützungen gelagert.« Nach der Fertigstellung des ersten Feldes wurde das Vorschubgerüst in das nächste Feld verfahren. Dabei montierten die Monteure von thyssenkrupp Infrastructure den Nachläufer. Dann wurde Feld für Feld der neue Brückenüberbau abschnittsweise betoniert. Für das letzte Feld wurde das Vorschubgerüst eingekürzt: diesmal wurde der Vorläufer demontiert. Da das Vorschubgerüst auch bei dem Bau des zweiten Teilbauwerkes zum Einsatz kommen soll, entschieden sich die Beteiligten dafür, es vor Ort zu belassen. So wurde nach Fertigstellung des elften Takts das Vorschubgerüst zurück in das vorherige Brückenfeld gefahren und dort per Litzenhebern abgelassen.    t

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