Prof. Roll & Pastuch »Sicher ist nur die Unsicherheit«

Die Auswirkungen der US-Zollpolitik sind auch in der Baubranche zu spüren. Die Redaktion des bauMAGAZINs hat zu diesem Thema zwei Experten befragt: Prof. Dr. Oliver Roll, Experte für Preis- und Handelspolitik bei der auf Pricing spezialisierten Unternehmensberatung Prof. Roll & Pastuch, und seinen Kollegen Martin Steinmeyer, Vertriebs- und Preisexperte der Bauindustrie mit Wurzeln im Bauhandwerk. Hinweis der Redaktion: Das Interview wurde Ende April geführt, bis zum Erscheinungstermin kann sich die Situation unter Umständen wieder geändert haben.

Pressemitteilung | Lesedauer: min | Bildquelle: Prof. Roll & Pastuch

bauMAGAZIN: Herr Professor Roll, beim Besuch der italienischen Ministerpräsidentin sagte der US-Präsident, er glaube »zu 100 Prozent an einen Deal mit der EU« – was auch immer das am Ende des Tages bedeutet. Wie bewerten Sie solche Aussagen?

Roll: Solche Aussagen sind typisch für das derzeitige US-Handelsnarrativ. Sie klingen nach Dialog, aber schaffen keine belastbare Planungssicherheit. Für global operierende Branchen – wie sie die Bauindustrie in Teilen ist – bleibt damit ein Unsicherheitsfaktor bestehen, der sich in der gesamten Wertschöpfungskette bemerkbar machen kann.

Steinmeyer: Für die Praxis im Bau heißt das: Man plant eher auf Sicht und kalkuliert mit Sicherheitsreserven. Gerade bei langfristigen Projekten können plötzliche Zölle massive Effekte haben – da hilft keine politische Rhetorik, sondern nur systematische Risikovorsorge.

bauMAGAZIN: Inwiefern ist die Baubranche von EU-Gegenzöllen auf US-Importe betroffen?

Steinmeyer: Bei Baustoffen kaum. Die stammen überwiegend aus EU-Ländern oder Nachbarstaaten wie der Schweiz. Es gibt Ausnahmen wie bestimmte erdölbasierte Dämmstoffe – immerhin kommen etwa 18 Prozent aller Erdölimporte Deutschlands aus den USA. Sollten diese von Gegenzöllen betroffen sein, so kann es zu merkbaren Preiserhöhungen kommen. Aber: Das ist die Minderheit. Wenn, dann sind es eher Maschinen – z. B. Spezialbaumaschinen oder Komponenten –, die aus den USA importiert werden. Diese sind langlebig und werden über viele Jahre abgeschrieben. Der kurzfristige Effekt ist begrenzt.

Roll: Genau. Maschinenimporte machen sich eher langfristig in den Investitionskosten bemerkbar. Wirklich problematisch wird es, wenn Ersatzteile oder softwaregebundene Komponenten für Baumaschinen betroffen sind. Da Stillstand keine Option ist, werden diese Kosten langfristig umgelegt werden müssen.


bauMAGAZIN: Welche Rolle spielen Handelskriege für die Preiskalkulation?

Roll: Eine große – abhängig vom Importanteil der betroffenen Produkte. Je höher dieser ist, desto stärker steigen die Preise. Anbieter nutzen Zölle oft als Begründung für Preisaufschläge, selbst wenn ihre Kostenbasis nicht vollständig betroffen ist. Umgekehrt können Unternehmen ohne Importabhängigkeit ihre Preise kaum anheben, ohne Marktanteile zu verlieren.

Steinmeyer: Für kleinere und mittlere Bauunternehmen heißt das: Wer flexibel einkaufen kann und lokale Lieferanten kennt, ist im Vorteil. Die Kalkulation muss heute viele »Was-wäre-wenn«-Szenarien enthalten.

bauMAGAZIN: Und wie wirken sich US-Zölle auf EU-Produkte aus?

Steinmeyer: Das trifft hauptsächlich die Stahl- und Aluminiumerzeugnisse, die aus der EU in die USA importiert werden. Wenn diese durch Zölle nicht mehr mit Gewinn abgesetzt werden können, weil amerikanischer Stahl – wenn er denn die Nachfrage abdecken kann – günstiger ist, so müssen sich die europäischen Hersteller alternative Märkte suchen – u. a. auch hier bei uns. Dann steigt das Angebot, und die Preise könnten leicht sinken.

Roll: Die Kapazitätsauslastung ist für Hersteller entscheidend. Wenn Werke nicht ausgelastet sind, wird eher der Preis gesenkt als die Produktion gedrosselt. Aber das betrifft nur wenige Nischenprodukte – einen flächendeckenden Preisverfall sehe ich nicht.

bauMAGAZIN: Wie können sich Bauunternehmen resilienter aufstellen?

Steinmeyer: Preisgleitklauseln sind heute Standard. Ebenso zeitlich begrenzte Preisgültigkeiten in Angeboten. Das hat sich bereits in der Pandemie und erst recht seit Beginn des Ukrainekriegs bewährt. Wer es heute noch nicht nutzt, riskiert Marge oder Liquidität.

Roll: Es geht auch um Vertragsgestaltung. Flexibilisierung ist wichtiger denn je – etwa durch Optionen zur Neuverhandlung bei bestimmten Schwellenwerten. Das schafft Spielräume in unklaren Marktlagen.

bauMAGAZIN: Werden zusätzliche Kosten an die Kunden weitergegeben?

Roll: Wie gesagt, das hängt vom betroffenen Produktsegment ab. Bei hohem Importanteil werden Bauunternehmen Preiserhöhungen kaum vermeiden können. Wenn aber andere Länder neue Absatzmärkte suchen – Stichwort: chinesischer Stahl oder PV-Module –, dann kann das sogar zu fallenden Preisen führen.

Steinmeyer: Gerade bei PV-Modulen sehen wir, dass riesige chinesische Produktionsmengen die Preise drücken – unabhängig von Zöllen. Aber das ist ein eigenes Thema. Wichtig ist: Preisveränderungen sind keine Einbahnstraße. Auch Umverteilungen von Warenströmen haben große Effekte.

bauMAGAZIN: Wie können Unternehmen Zollrisiken frühzeitig erkennen?

Steinmeyer (lacht): Der morgendliche Check der Nachrichten hilft schon mal. Im Ernst: Sicher ist nur die Unsicherheit. Unternehmen brauchen heute kontinuierliche Marktbeobachtung und realistische Preisszenarien.

Roll: Wir empfehlen regelmäßige Preis-Absatz-Simulationen mit verschiedenen Zollannahmen. Damit lassen sich fundierte Entscheidungen treffen, anstatt nur zu reagieren. Wer das systematisch angeht, hat einen echten Wettbewerbsvorteil.s

 

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