VDBUM - Förderpreis verliehen
An den Folgetagen standen die fünf Leitthemen »Spezialtiefbau«, »Tief-, Kanal- und Straßentief-bau«, »Forschung und Entwicklung«, »Turmdrehkrane – Technik, Transport und Genehmigungsverfahren« sowie »Werkstatt 4.0 – Was uns im Service weiterbringt« im Mittelpunkt. Gezeigt hat sich bei der nunmehr 51. Auflage des Großseminars aber auch, dass insbesondere die Vergabe des Förderpreises viel Aufmerksamkeit erhält. Bereits zum zehnten Mal verliehen, verzeichnete der VDBUM mit insgesamt 52 Bewerbungen so viele Einreichungen wie nie zuvor.
Der renommierte Branchenpreis ging in diesem Jahr an die Max Wild GmbH für das ressourcenschonende mobile Bohrschlamm-Recycling Mudcleaner, an Benninghoven, Branch of Wirtgen Mineral Technologies, für die Vorzüge von Kataly satoren an Asphaltanlagen, sowie an die TU München, die die kollaborative Rüttelplatte Cobot vorgestellt hatte. Alle 52 Wettbewerbsbeiträge wurden zuvor im Ausstellungsbereich vorgestellt, um deren Lösungen einer breiten Masse präsentieren zu können. »Die zusätzliche Fachausstellung mit mehr als 100 Unternehmen ist wie immer das stark genutzte Kommunikationszentrum gewesen«, sagte Dieter Schnittjer, Geschäftsführer, Vorstandsmitglied sowie zuständig für Marketing & Vertrieb beim VDBUM. In den Vortragspausen habe sich hier viel Zeit zum fachlichen Austausch und zum »nutz werken« geboten.
Mobiles Bohrschlamm - Recycling
In der Kategorie »Innovationen aus der Praxis« setzte sich mit dem Mudcleaner eine Lösung aus dem Hause Max Wild durch, die aufgrund ressourcenschonender Arbeit einen wichtigen Nerv der Branche trifft: Leitungen für Öl, Gas, Wasser, Abwasser, Strom oder Telekommunikation erfolgen immer häufiger mittels Horizontalbohrungen und damit unterirdisch. Das grabenlose Verfahren stellt einen minimalinvasiven Eingriff in das örtliche Ökosystem dar, der Wasserverbrauch ist jedoch hoch und die Entsorgung des anfallenden Bohrschlamms, ein Gemisch aus Wasser, Bentonit und Erdreich, auf Ackern ist inzwischen gesetzlich verboten.
Unter dem Namen Mudcleaner wurde vor diesem Hintergrund eine mobile Recycling-Anlage bei Max Wild konzipiert, die die gesamte Aufbereitung des Bohrschlamms leisten soll. Dieser kann laut Hersteller direkt auf der Baustelle nahezu verlustfrei in Bentonit, Wasser und Reststoffe aufgetrennt werden. Dies ermöglicht die Mehrfachverwendung des Prozesswassers und minimiert so die zu entsorgende Menge und den gesamten Wasserverbrauch. Zudem ergeben sich weitere positive Umwelteffekte aus der Nichtinanspruchnahme von Deponieraum und der Verringerung von Treibhausgas-Emissionen durch wegfallende Fahrten zur Frischwasserbeschaffung und zur Entsorgung des Bohrschlamms. Der Recycling-Prozess läuft vollautomatisch, wird detailliert auf einem Display dargestellt und ist von jeder Bohranlage aus steuerbar. Das Fahrzeug kann bereits nach einer kurzen Ein weisung selbstständig bedient werden. Der Mud cleaner-Truck empfiehlt sich für kleinere und mittlere Projekte mit einem Durchsatz von 150 m3/Tag bis 180 m3/Tag. Die innovative Lösung (das bau MAGAZIN berichtete ausführlich in Heft 8/22, Seite 48) wurde von Max Wild in Eigenleistung entwickelt, produziert und vertrieben und befindet sich seit drei Jahren im Einsatz.
Katalysator für Asphaltanlagen
Als Gewinner in der Kategorie »Entwicklungen aus der Industrie« konnte sich das zur Wirtgen Group gehörende Unternehmen Benninghoven mit seinem Revoc-System durchsetzen (bauMAGAZIN 10/22, Seite 146): Im Zeichen der Ressourcen schonung ist das Recycling von Asphalt ein bevorzugter Lösungsansatz. Durch das Verwenden von Recycling-Material bei der Herstellung von Asphalt in herkömmlichen Asphaltmischanlagen erhöht sich der Gesamtkohlenstoff-Ausstoß jedoch dramatisch. Die Lösung für diesen Zielkonflikt soll nunmehr Benninghovens Revoc-System und damit eine patentierte Innovation der Wirtgen Group sein.
Das System kann einfach nachgerüstet werden und bringt Bestandsanlagen auf den neuesten Stand der Technik. Dies ist besonders wichtig, da der Lebenszyklus von Asphaltmischanlagen 20 bis 30 Jahre beträgt. Zur Funktionsweise: Zunächst werden die Abgase direkt am Ort ihrer Entstehung aktiv abgesaugt. Allen voran aus dem Mischer der Asphaltmischanlage – dort, wo das erhitzte Gestein, das Recycling-Material und das Bitumen aufeinandertreffen und zu frischem Asphalt vermischt werden. Die Dämpfe, die hohe Kohlenwasserstoff-Konzentrationen (Cges) aufweisen, werden zur thermischen Nachbehandlung in den Rekuperator geleitet. Das Revoc-System nutzt die ohnehin erzeugte Energie für Trocknung und Erhitzung des Weißminerals zur thermischen Nachbehandlung der Gesamtkohlenstoffe. Dies macht den Betrieb laut Hersteller hoch energieeffizient. Vor allem jedoch halbieren sich durch die Technologie die Cges-Emissionen auf < 50 mg/m3. Das Revoc-System steht für eine hohe Anlagenperformance, den Einsatz eines hohen Recycling-Anteils von bis zu 60 % und damit für weniger CO2 sowie vor allem für eine Halbierung der Gesamtkohlenstoff-Emissionen. Ein Prototyp der Anlage befindet sich seit 2020 im Einsatz.
Kollaborative Rüttelplatte
Nachdem die Verdichtung mittels schwerer Rüttelplatte an der TU München als personalintensiver, repetitiver und gesundheitsgefährdender Teilprozess identifiziert wurde, entstand die Idee eines kollaborierenden Roboters, eines sogenannten Cobots, der der TU München letztlich den Preis in der Kategorie »Projekte aus Hochschulen und Universitäten« einbrachte. Die kollaborierende Rüttelplatte verdichtet auf Basis des digitalen Geländemodells das vom Bagger erzeugte Planum autonom bis zu einem vorgegebenen Verdichtungsgrad.
Zunächst wurden die Maschinensignale einer handelsüblichen, funkgesteuerten Rüttelplatte einem ROS-basierten (Robot-Operating-System) eingebetteten Computer zugänglich gemacht und mittels WLAN eine Schnittstelle zur Programmierung des Systems geschaffen. Schließlich wurden zwei GNSS-Empfänger auf der Platte montiert. Die Rüttelplatte war damit in der Lage, vorgegebene GNSS-Punkte autonom anzufahren und den lokalen Verdichtungswert zu dokumentieren. Zur Kollaboration mit einem Bagger wird das digitale Geländemodell aus der 3D-Baggersteuerung inklusive Verdichtungssollwert per WLAN an die Platte übergeben und autonom von dieser abgearbeitet . Der Einsatz des Cobots erlaubt die Halbierung der Arbeitszeit, da Verdichtung und Erdbaumaßnahmen gleichzeitig stattfinden können. Dabei befindet sich kein Bediener im Gefahrenbereich des Baggers. Ermöglicht wird auch der lokale Ein-Mann-Betrieb solcher Tiefbaustellen durch einen Maschinisten. Die kollaborative Rüttelplatte be findet sich seit Juni 2021 auf dem Testgelände der TU München im Einsatz.
Podiumsdiskussion
Zu den Schwerpunktpartnern der ersten Podiumsrunde zählten Johann Bögl, Gesellschafter und Aufsichtsratsvorsitzender der Firmengruppe Max Bögl, Dominik Friedhofen, Vertriebsleiter D-A-CH bei Bomag, Matthias Henke, Gesamtvertriebsleiter bei Hansa-Flex sowie Frank Dahlhoff, Geschäftsführer bei Sitech Deutschland. Matthias Henke erklärte, dass 50 % des CO2-Abdrucks von Hansa-Flex durch die Fahrzeugflotte verursacht wird. Dem tritt das Unternehmen gemeinsam mit den Kunden mit vorbeugender Planung und somit der Reduzierung unnötiger Fahrten oder auch der Drosselung der Geschwindigkeit der 800 Firmenfahrzeuge auf 120 km/h entgegen. Bögl bat die Hersteller darum, die digitale Baustelle mit mehr Nachdruck voranzutreiben. Es sei wichtig, dass Nutzer und Hersteller in einen Dialog eintreten. Eine wirksame Lösung gegen den Fachkräftemangel sieht das Unternehmen darin, maßgebliche Bereiche des Bauens zu industrialisieren. Bögl hatte dazu bereits am Eröffnungsabend die Schaffung von Baufabriken genannt. Frank Dahlhoff sprach die Schnittstellenproblematik an und erklärte, durch Standards könne die Akzeptanz für Vernetzung und Maschinensteuerung deutlich gesteigert werden. Skandinavien sei hier bereits viel weiter als Deutschland. Dominik Friedhofen sagte, dass Bomag grundsätzlich offen zum Teilen von Daten sei. Mit automatisierten Systemen, die den Benutzer unterstützen und vor allem auch die Freude an der Arbeit erhöhe, steigere das Unternehmen die Effizienz im Bauprozess.
In der zweiten Gesprächsrunde begrüßte Moderatorin Alexandra von Lingen wiederum VDBUM-Präsident Peter Guttenberger, Jens Kleinert, Technischer Leiter bei GP Günter Papenburg, Philipp Fricke, Leiter Baumaschinendivision der Fricke Holding, Saskia Grossmann, Vorständin der Onestoptransformation, Ralf Lüddemann, Vorstandsmitglied der Strabag, Inga Stein-Barthelmes, Geschäftsführerin bei planen und bauen 4.0, sowie erneut Johann Bögl. Ralf Lüddemann sieht bei der digitalen Transformation noch großen Nachholbedarf. Von der Verwaltung bis zur Baustelle gebe es viel Potenzial, in kleinen Schritten digitale Lösungen zu implementieren und somit Ressourcen zu schonen. Lüddemann sprach sich für eine Standardisierung in allen Bereichen aus. Das beinhalte selbstverständlich, dass sich dazu auch die Bauunternehmen öffnen und einen Blick in die Prozesse zulassen müssen. Philipp Fricke berichtete, dass die Firmengruppe derzeit eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt. Künftig soll jedes Projekt auf seine Nachhaltigkeit hin überprüft werden. Das Unternehmen hat bereits recycelbares Verpackungsmaterial eingeführt und damit bei immerhin 80 000 Ersatzteilsendungen, die täglich verschickt werden, ein starkes Signal gesetzt.
Vernetzung der Akteure
Bei den Bauherren, vor allem der öffentlichen Hand, gebe es in Sachen BIM noch einige Probleme, sagte Inga Stein-Barthelmes. planen und bauen 4.0 sei gegründet worden, um hier zu unterstützen. Wichtig sei vor allem, dass die beteiligten Ministerien – Bauen und Verkehr – die gleiche Sprache sprächen, sich auf ein Wording und einen Standard einigten. Peter Guttenberger erklärte, dass der VDBUM, der auch Gesellschafter von planen und bauen 4.0 ist, die angesprochenen Themen aufgreife und die Akteure zusammenbringe. Er erwähnte hier den Zukunftszirkel des VDBUM, in dem Fragestellungen analysiert und Lösungen erarbeitet werden. »Was nützt eine flächendeckende Verdichtungskontrolle, wenn der Bauherr sie nicht anerkennt?«, fragte Guttenberger.
Der VDBUM sieht sich gerade in diesen Bereichen als Vermittler, der Lösungen, gern auch gemeinsam mit anderen Verbänden, vorantreibt. KI und Big Data sind bei der Digitalisierung nur die Werkzeuge, die von den Menschen bedient werden, sagte wiederum Saskia Grossmann. Insofern sei es wichtig, die Bediener bei der digitalen Transformation mitzunehmen. Die Bereitschaft, sich diesbezüglich zu öffnen, sei in den Unternehmen meist alters- und geschlechtsunabhängig. Es sei ein Kulturwandel nötig, die Vorgesetzten müssten die neue Kultur vorleben, nur so sei die digitale Transformation zu bewältigen. Jens Kleinert beschrieb, welche Veränderungen durch die neuen Technologien auf die Mitarbeitenden zukommen, wie sich Berufsbilder verändern und welch gewaltiger Wissenstransfer dabei erforderlich ist. Dies sei im Arbeitsalltag kaum zu bewältigen. Benötigt würde daher intuitive, leicht zu bedienende Technik, mit der sich die Mitarbeitenden abholen lassen. Dem stimmte Johann Bögl zu. 1 000 Mitarbeitende von Max Bögl verabschieden sich in den nächsten zehn Jahren in den Ruhestand, insofern seien Automatisierung, Digitalisierung und einfach bedienbare Maschinen nötig, um die Bauaufgaben mit den dann zur Verfügung stehenden Fachkräften zu erledigen.