Agritechnica Rückblick Agritechnica

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Von: Thomas Seibold

Nachdem die ursprünglich für 2021 geplante Agritechnica aufgrund der Corona- Pandemie zunächst auf das Frühjahr 2022 verschoben und dann komplett abgesagt wurde, war es nun vom 12. bis 18. November endlich wieder so weit: 2 811 Aussteller aus 52 Ländern kamen in Hannover mit über 470 000 Besuchern (neuer Rekord) zusammen, um diesen Produkte und Lösungen aus den Bereichen Smart Farming und autonome Landtechnik sowie – die auch die Baubranche betreffenden Themen – Automatisierung, Konnektivität und alternative Antriebe zu präsentieren. Letztere waren vor allem in den »Systems & Components«-Hallen zu finden, dem B2B-Marktplatz der internationalen Zulieferindustrie der Landtechnik und des gesamten Off-Highway-Sektors. Die Redaktion des bauMAGAZIN war mit Fokus darauf auf dem Messegelände unterwegs und stellt exemplarisch einige Highlights, Trends und Lösungen vor.

Das Messefazit aus Sicht des Veranstalters gleich vorneweg: Die Corona-bedingte Zwangspause hat der Bedeutung der Messe nicht geschadet, ganz im Gegenteil. Dazu Timo Zipf, Projektleiter der Agritechnica: »Die Agritechnica 2023 hat als Weltleitmesse der Landtechnik gezeigt, wie höchst innovativ die Branche ist. Nach vier Jahren war es den Ausstellern endlich wieder in Präsenz möglich, hier in Hannover der Welt ihre Fülle an Neuheiten zu zeigen. Zudem haben alle wieder die persönlichen Gespräche und das Networking für entstehende Geschäftsanbahnungen genossen.« Tobias Eichberg, Geschäftsführer der DLG Service GmbH, ergänzt: »Das Herz der internationalen Landtechnikbranche schlägt im Takt der Agritechnica und 2023 hat den Herstellern gezeigt, welche Pulsfrequenz die richtige ist, um ihre Entwicklungen am Markt zu platzieren: nämlich zwei Jahre.« Und für Freya von Czettritz, CEO der DLG Holding GmbH, war »das persönliche Networking und die Kontaktpflege auf der Agritechnica schließlich von unschätzbarem Wert für jeden Besucher«.

Im Vergleich zur letzten Agritechnica vor vier Jahren mit insgesamt 2 803 Ausstellern waren 2023 mit 2 811 sogar minimal mehr vertreten. Bei den internationalen Ausstellern konnte zudem mit einem Anteil von 65 % ein neuer Höchststand verzeichnet werden – vor vier Jahren lag dieser Wert noch bei knapp 61 %. 2019 kamen insgesamt 446 871 Besucher, dieses Jahr rund 23 000 mehr.

In Hannover wurde die elektrisch angetriebene Kehrmaschine bema ­Sweezy 580 Dual E erstmals gezeigt. Speziell entwickelt für E-Trägerfahrzeuge, soll sie die Einsatzdauer elektrischer Fahrzeuge deutlich verlängern, indem bis zu 72 % weniger Antriebsenergie benötigt wird.

Die Produktpaletten und Präsentationen der Aussteller spiegelten in vielen Fällen die reale Situation bei den Kunden wider: Neben reinen Agrarprodukten fanden sich hier immer wieder Lösungen, die auch in der Bau- bzw. GaLaBau-Branche und im Kommunalbereich eingesetzt werden können, wie beispielsweise die Rad- und Teleskop­lader von Atlas Weyhausen, Doosan Bobcat, Faresin Industries, Giant by Tobroco, JCB, Kramer und Zeppelin-Caterpillar.

Bei Mercedes-Benz Special Trucks war unter anderem der Unimog U 535 mit Traktor-Typenzulassung und einer Leistung von 260 kW (354 PS) zu sehen. Dank der optionalen Reifendruckregelanlage »Tirecontrol plus« kann der Fahrer in Off-­Road-Bereichen per Knopfdruck Luft aus den Reifen ablassen und diese auf der Straße sogar während der Fahrt wieder aufpumpen. Die größere Aufstandsfläche der Reifen erhöht dabei die Traktion und begünstigt bodenschonendes Fahren und Arbeiten. Mit der Zulassung als Zugmaschine oder nach EU-Typgenehmigung für schnelllaufende Traktoren (amtliche Bezeichnung: T1b) profitiert der Unimog von Steuer- und Mautbefreiungen, der Befreiung von EG-Kontrollgerät und Fahrerkarte sowie der Ausnahme vom Fahrverbot an Sonn- und Feiertagen.

Trendthema: Wasserstoffmotoren

Ein spannendes Thema sind die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Motorentechnik. Auf der Messe hatte jeder Hersteller mindestens ein Dieselaggregat mit Tauglichkeit für alternative Kraftstoffe und/oder einen elektrischen bzw. Hybrid-Antrieb am Stand. Liebherr Components stellte etwa den HVO-kompatiblen 18-l-Reihen-Sechszylinder D976 mit bis zu 670 kW Leistung für eine Vielzahl von Off-Road-Anwendungen vor. Für niedrige Gesamtbetriebskosten sind unter anderem wartungsfreie Ventiltrieb- und Kurbelgehäuse-Entlüftungssysteme verbaut. Ein im Ventilgehäuse integriertes Kraftstoffsystem soll zudem das Leckage-Risiko begrenzen und die Sicherheit erhöhen. Auch dabei: zwei Nebenantriebe mit unterschiedlichen Leistungen und ein Motorsteuergerät aus eigener Entwicklung.

Der Unimog U 535 verfügt über eine Leistung von 260 kW  (354 PS) sowie Traktorzulassung. Begrenzt auf 60 km/h reicht bereits ein Traktorführerschein, um diesen Unimog zu fahren.

Bei Deutz gab es unter anderem den Wasserstoffverbrennungsmotor TCG 7.8 H2 mit 220 kW Leistung zu sehen. Der für das Unternehmen »richtungsweisende Baustein Richtung Klimaneutralität« baut auf einem bestehenden Motorkonzept auf und soll nicht nur CO₂-neutral, sondern auch sehr leise laufen. Er eignet sich laut Deutz für alle heutigen Anwendungen sowie den Off-Highway-Einsatz. Darüber hinaus war das ISO-26262-zertifizierte, kompakte elektrische 400-Volt-Antriebssystem mit einem Splitantrieb in Form zweier 40 kW starken Elektromotoren zu sehen. Die 42 kWh-Batterie stammt aus dem eigenen modularen Baukasten und soll mit dem 22-kW-Schnellladesystem in einer Stunde auf bis zu 80 % geladen werden können.

Die »Destination Zero«-Strategie von Cummins umfasst die Produktion von grünem Wasserstoff, dessen Management und Transport sowie die Anwendung in Motoren und Brennstoffzellen. Am Stand zu sehen war der Wasserstoffmotor B6.7H mit einer Spitzenleistung von 216 kW und einem Drehmoment von 1 200 Nm. Diese Motorplattform der nächsten Generation ist für die Stufe VI/Tier 5 vorgesehen. Die Cummins Wasserstoff-Verbrennungsmotoren können in dieselbe Ausrüstung wie ein Dieselmotor eingebaut werden und verwenden auch dasselbe Getriebe, Kühl- und Hydrauliksystem.

Mit einer Weltpremiere wartete Kohler Engines auf. In Hannover wurde erstmals der neue »Kohler Direct Injection Hydrogen (KDH)«-Motor präsentiert. Bei dem Aggregat kommt modernste Wasserstoffmotoren-Technologie zum Einsatz. Als Basis dient der KDI 2504 TCR. Dadurch weist der Motor die gleichen Einbaumaße, Abmessungen, Nebenantriebe und Leistungen wie herkömmliche Dieselmotoren auf. Als »Drop-in«-Lösung eignet er sich daher laut Angaben des Herstellers für eine Vielzahl von Anwendungen. Um die Leistung des Dieselmotors einschließlich des Einschwingverhaltens beizubehalten und das Problem der Rückzündung zu vermeiden, setzt Kohler auf die technisch anspruchsvollere Direkteinspritzung (DI, Direct-­Injection).


Mehr Designfreiheit bei der Lichtausstattung

Am Stand von Aspöck Systems war eine große Bandbreite an Lichtanlagen für die unterschiedlichsten Einsatzzwecke zu sehen, angefangen von LED-Beleuchtungen (darunter die neue Flatpoint IV Reihe) über die Zweitmarke Fabrilcar bis hin zu kompletten Kabel- und Stecksystemen. Laut Aspöck bieten vor allem die FlexLED-Lichtbänder einen besonders hohen Designfaktor, da sie in Form und Funktion flexibel eingesetzt werden können.

Breitere Unterstützung in der Werkstatt

Beim Ersatzteilgroßhändler Granit Fricke waren bereits kurz nach Öffnung der Messe das Interesse groß und sämtliche Tische besetzt. Kein Wunder, denn das Unternehmen wartete mit einer Reihe an Neuheiten auf. Beispielsweise wurden die Proboss Sitzmodelle für Land- und Baumaschinen sowie unter der neuen Eigenmarke Rotaro leistungsstarke Gelenkwellen präsentiert. Zudem ist die onlinebasierte Multimarken-Datenbank Rep.Guide nun für Fachwerkstätten in ganz Europa und in mehr als 15 Sprachen verfügbar. Anwender sparen wertvolle Zeit bei der Recherche von technischen Daten, wie Anzugswerten, Füllmengen sowie Schalt- und Wartungsplänen für Schlepper und andere Maschinen.

Eine Messe, die sich lohnt

»Alles richtig gemacht«, möchte man der Messegesellschaft und allen Ausstellern an dieser Stelle zurufen. Die Agritechnica hat sich nicht nur ihren Fokus bewahrt, sondern auch die Realität in den Maschinenparks der Kunden und Anwender berücksichtigt. Der Besuch der Messe lohnt sich daher sicherlich auch künftig für die Baubranche. Die nächste Agritechnica ist vom 9. bis 15. November 2025 geplant.s

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