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Handtmann Systemtechnik GmbH & Co. KG Made in Biberach

Als Christoph Albert Handtmann im Jahr 1873 in Biberach eine Messinggießerei gründete, konnte er natürlich nicht ahnen, dass damit die Grundlage für die heutige Unternehmensgruppe mit weltweit rund 4 700 Beschäftigten geschaffen wurde. Über 150 Jahre später präsentiert sich Handtmann in fünf Geschäftsbereichen als Systempartner für die Automobilindustrie, Pharmazie, Chemie, Biotechnologie, Leistungselektronik sowie Lebensmittel- und Getränkeindustrie. Wie und mit welchen Lösungen das Unternehmen nun auch in der Baubranche Fuß fassen möchte, erfuhr die Redaktion des bauMAGAZIN im Rahmen eines Vor-Ort-Termins von Isabel Jeschek, Bereichsleitung Vertriebsstrategie & Marketing, und Robert Fiesel, Leiter Geschäftsbereich Systemtechnik.

Pressemitteilung | Lesedauer: min | Bildquelle: Handtmann Systemtechnik
Von: Thomas Seibold

Wie präsent Handtmann am Hauptsitz in Biberach vertreten ist, lässt sich bereits an der Auswahl von zehn möglichen Adressen im Navigationssystem erkennen. Dort sind das Metallgusswerk, die Maschinenfabrik, die Kunststofftechnik und die Armaturenfabrik zu finden. Der Weg zum eingestellten Ziel – der Handtmann Systemtechnik GmbH & Co. KG im Industriegebiet an der Memminger Straße – führt vorbei an Produktionshallen von Liebherr, die sich in unmittelbarer Nähe zu Handtmann befinden.

Robert Fiesel konnte auf dem kurzen Fußmarsch vom Empfang zum Besprechungsraum dazu auch gleich mit einer Anekdote aufwarten: »Früher war die Zufahrt zu Handtmann Systemtechnik auch über das Betriebsgelände von Liebherr möglich, was dann aber aufgrund versicherungstechnischer Vorschriften unterbunden wurde – aber auch nur deswegen. Beide Unternehmen sind partnerschaftlich verbunden und schätzen sich gegenseitig sehr.« So trennt aktuell ein Zaun die ansonsten breite Zufahrt, was bei unkundigen Fahrern verlässlich für Verwirrung sorgt.

Elektrifizierung der Baubranche

Umso klarer hingegen sind die Vorstellungen, wie Handtmann mit einer Kombination aus modernen Lösungen und langjährigem Know-how die Elektrifizierung der Baubranche vorantreiben will. In diesem Bereich ist das Unternehmen bereits lange erfolgreich aktiv, wie Isabel Jeschek im anschließenden Gespräch aufzeigte: Die Gründung der Handtmann Systemtechnik GmbH & Co. KG erfolgte bereits 2003. Und seit nunmehr fast zehn Jahren werden unterschiedlichste E-Mobilitätskonzepte für führende Automobilhersteller aus Deutschland sowie weltweit agierende OEMs entwickelt.

So ist Handtmann unter anderem seit 2018 offizieller Partner von Volkswagen Nutzfahrzeuge und treibt hier die Elektrifizierung von VW-Transportern voran. »Projekte wie diese zeigen uns, dass der Markt Bedarf an einem Industriepartner mit integrierten Systemlösungen hat – und das speziell bei E-Powertrain-Gesamtantrieben.« In dem Zusammenhang nannte Isabel Jeschek eine beeindruckende Zahl: »Bis heute haben wir mit unseren Batteriesystemen eine Gesamtleistung von 164 MWh in Serie gebracht.«


Mit eingerechnet ist dabei ein Projekt für einen deutschen OEM aus der Automotive-Branche. Für diesen wurden im Rahmen einer Kleinserie für Versuchs- und Pilotfahrzeuge rund elf Akku-Packs hergestellt – und das mit einem kleinen Team in penibler Handarbeit. Dazu Robert Fiesel: »Unser Kunde wollte wissen, ob und wie wir in der Lage sind, die genauen Anforderungen bis ins kleinste Detail umzusetzen – und hat uns mit der kompletten Entwicklung beauftragt. Das bedeutet ein großes Vertrauen in unsere Kompetenzen. Unsere agile Arbeitsweise und der Anspruch, ständig Verbesserungen herbeizuführen, hat dazu geführt, dass noch während der laufenden Fertigung eine Verbesserung beim 3D-gedruckten Batteriedeckel umgesetzt werden konnte.« Er ergänzt: »An dieser Stelle kommt uns natürlich zugute, dass wir viele Synergien direkt aus den Geschäftsbereichen der Handtmann Gruppe heben können. Das macht uns nicht nur unabhängig von Lieferketten sowie Im- und Exportzöllen aller Art, sondern auch schneller bei der Umsetzung von Projekten.«

Aluminium-Strukturbauteile im Megacasting-Verfahren

Dass die Hochvolt-Aluminium-Batteriegehäuse bei diesem und anderen Projekten aus der eigenen Gießerei stammen, versteht sich von selbst. Dort können nicht nur kompakte Ausführungen, sondern auch für Automobil- und Off-Highway-Anwendungen entsprechend größere Versionen hergestellt werden. Diese werden im Megacasting-Verfahren ebenfalls am Standort Biberach beim Schwesterunternehmen Albert Handtmann Metallgusswerk GmbH & Co. KG gefertigt.

Bauteile wie diese zeichnen sich durch ein integriertes Kühlsystem aus, das gezielt auf die thermischen Anforderungen moderner E-Mobilitätsantriebe ausgelegt ist. Der Einsatz des Megacasting-Verfahrens ermöglicht die Herstellung großer Aluminium-Strukturbauteile in einem einzigen Gussvorgang. Handtmann verwendet hierfür eine Druckgussmaschine mit einer Schließkraft von 61 000 kN und einem Schussgewicht von bis zu 128 kg Aluminium. Diese Technologie erlaubt nicht nur die Fertigung hochkomplexer Bauteile mit maximaler Funktionsintegration, sondern reduziert auch erheblich die Anzahl der Einzelteile.

Qualitätssicherung von A bis Z in Biberach

Robert Fiesel weist in dem Zusammenhang auf einen wichtigen Punkt hin: »Das A und O dabei ist die Qualität – bei jedem einzelnen Bauteil. Einen noch höheren Aufwand betreiben wir jedoch bei der Qualitätsprüfung von selbst hergestellten Niedervolt- und Hochvoltbatterien.«

Als 360°-Lösungspartner baut Handtmann jedes Batterieset – angefangen von der einzelnen Zelle bis zum einbaufertigen Produkt – selber auf und testet dieses vor der Auslieferung an den Kunden noch vor Ort. Dazu kommt ein hauseigener Batterieprüfstand auf dem modernsten Stand der Technik zum Einsatz. Dieser ist in einem separierten Teil der Produktionshalle hinter extra dicken Brandschutzmauern untergebracht. In der 16 m3 großen Testkammer können nicht nur Leistungstests und die Inbetriebnahme von Hochvolt-Batterien bis zu einer Nennleistung von 1,1 MW vorgenommen werden, sondern auch End-of-Life-Tests sowie die Demontage intakter und beschädigter Batterien. Darin lassen sich Temperaturbereiche von -40 °C bis 90 °C und Spannungsbereiche bis 1200 V simulieren. »Da dies alles hier bei uns und nicht bei einem externen Dienstleister passiert, können wir für unsere Batteriesysteme ein extrem hohes Qualitäts-Niveau gewährleisten«, stellt Fiesel den besonderen Aufwand rund um die Sicherheitsprüfung heraus.

Batteriesysteme für Off-Highway-Anwendungen

Um flexibel auf die unterschiedlichen Anforderungen der Baubranche reagieren zu können, hat Handtmann speziell für Off-Highway-Anwendungen das Modulare Batteriesystem »Modubat« entwickelt. Dieses basiert auf Lithium-Eisenphosphat-Zelltechnologie, ist flüssigkeitsgekühlt, modular aufgebaut und flexibel skalierbar – je nach individuellem Energie- und Leistungsbedarf. Es erlaubt Spannungsoptionen bis zu 1 000 V und Kapazitäten von 12,1 kWh bis zu 1 270 kWh. Ein integriertes Sicherheitskonzept schützt zuverlässig vor thermischen Risiken, Überladung oder Kurzschluss – auch unter rauen Einsatzbedingungen wie in Nutzfahrzeugen, Off-Highway-Anwendungen, maritimen Systemen oder stationären Speicherlösungen mit hohem Energiebedarf.

Fiesel betont: »Diese Erfahrungen basieren auf realen Einsatzszenarien bei Kunden.« Zudem erfüllt das System die strengen Anforderungen der ECE-R100-Zertifizierung. Der Serienstart ist bereits für Anfang 2026 geplant. Ergänzend dazu ist das Batteriesystem »Modubat Performance« erhältlich. Hier kommt eine Tauchkühlung zum Einsatz, die für ideale Temperaturbedingungen, hohe Ströme und C-Raten sowie eine maximale Batterielebensdauer sorgen soll. Somit können beide Batteriekonzepte den vielfältigen hohen Anforderungen der Baubranche gerecht werden.

Low-Voltage-Battery für Gabelstapler und Kleinfahrzeuge

Neben den »großen« Lösungen für schwere Maschinen wurde auch eine Speicherlösung speziell für Einsätze in Gabelstaplern sowie Schlepper-, Hub- und Plattformwagen gemeinsam mit der Ejot SE & Co. KG (Bad Berleburg) und der Whitemark Technology GmbH (Dettenhausen) entwickelt. Die Besonderheit des auf LFP-Technologie basierenden Speichersystems besteht darin, dass eine Betriebsspannung von bis zu 80 V bereitgestellt wird.

Dank einer intelligenten Verschaltung ist es möglich, die Batterie über den CCS-Standard (Combined Charging System) mit einer Leistung von bis zu 150 kW bei 500 V Gleichstrom (DC) zu laden. Das sorgt für sehr kurze Ladezyklen. Um während des Schnellladevorgangs konstante Temperaturen zu erreichen, kommt hier ein integriertes Thermomanagementsystem mit Wärmepumpe und einer auf direkter Zellumströmung basierenden Ölkühlung zum Einsatz.

So entsteht ein wartungsfreies System, das sich innerhalb von nur zwölf Minuten von 20 Prozent auf 80 Prozent laden lässt – Zwischenladungen im laufenden Betrieb inklusive. Das erhöht die Verfügbarkeit, vereinfacht die Infrastruktur und senkt die Gesamtbetriebskosten (TCO). Die Niedervolt-Batterie ist mit einem neuartigen Batteriemanagementsystem ausgestattet, das eine Rekonfiguration der Batterie beim Be- und Entladen ermöglicht. Über eine integrierte Telemetrie-Schnittstelle können Batteriedaten darüber hinaus direkt in eine Flottenmanagement-Software übertragen werden.

Langjähriges Engagement zahlt sich aus

Das langjährige Engagement von Handtmann spiegelt sich nicht nur in durchgängig runden Prozessen und Produkten wider, sondern konkret auch in beeindruckenden Zahlen, so Isabel Jeschek: »Bei einem Gesamtumsatz von 1,3 Mrd. Euro im Jahr 2024 lag die Systemtechnik immerhin bei einem Anteil von 25 Prozent (360 Mio.). Den Löwenanteil am Gesamtumsatz sichert sich mit 45 Prozent (639 Mio.) der Geschäftsbereich Leichtmetallguss. Beide Sparten zusammen sind in ihren Märkten anerkannt und profitabel etabliert, was uns die langfristige Investition in Zukunftstechnologien ermöglicht.«

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Handtmann bei der Umsetzung der Anforderungen in der Baubranche und Entwicklung entsprechender Lösungen stets bedacht, aber immer durchdacht vorgeht. Robert Fiesel bringt es auf den Punkt: »Aufgrund unseres breiten Angebots an Lösungen bieten sich uns im Markt viele Möglichkeiten, um mitzumischen. Das heißt aber nicht, dass wir jede Gelegenheit ergreifen müssen. Aber wenn wir es tun, dann richtig.« Die Zeichen stehen also gut, dass es bei E-Powertrain-Systemen in der Baubranche künftig weniger »Made in Übersee« oder »Made in Fernost«, sondern häufiger »Made in Biberach« heißt.s

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