bauMAGAZIN Interview mit Qiky – Tibatek »Wir brauchen Macher und Mitdenker!«

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Von: Dan Windhorst

Gelernter Zweiradmechaniker, zweifacher Vater, studierter Bauingenieur, ein MBA für die Unternehmensführung Bau, Gründer und Geschäftsführer von Ellsaesser Engineering, Gründer und CEO von Qiky, Geschäftsführer bei Tibatek, früherer Extremsportler und professioneller »Podcast-Schwafler«: Die Vita von Philipp Ellsäßer liest sich wie eine dezidierte Anleitung zum klassischen Burnout – und obwohl das so ist, wäre ein Leben ohne diesen Stress für ihn nicht denkbar. Philipp Ellsäßer ist ein Macher, ein »Unruhestifter«, jemand, der dieser Branche mit freiem Kopf begegnet und verstaubte Denkweisen aufbrechen will. Im Gespräch mit bauMAGAZIN-Chefredakteur Dan Windhorst zeigt der 38-Jährige auf, wie sich seine Unternehmen, Produkte und Projekte in den vergangenen Jahren entwickelt haben, vor welchen Herausforderungen die Baubranche steht und warum es für diese so zwingend notwendig geworden ist, die Komfortzone zu verlassen.

bauMAGAZIN: Ich erinnere mich an das erste Aufeinandertreffen im Jahr 2020: Damals waren Sie unter anderem als Branchenexperte im Coreum in Stockstadt tätig. Und auf meine Frage hin, was der Bagger denn nun tatsächlich »drauf hat«, drehten Sie mir den Rücken zu und sprinteten hastig davon. Die Ansage damals: »Lass uns nicht quatschen, sondern einfach mal machen.« Statt mir, wie branchenüblich, in rosigen Worten die Vorzüge der Maschine aufzuzählen, schmissen Sie schlichtweg den Motor an. Nach all den Jahren kennt man Philipp Ellsäßer nun als eben diesen »Macher«. Wissen möchte ich aber gern, ob das schon immer so war – und vor allem, wie haben Sie damals den Weg in die Baubranche gefunden?

Philipp Ellsäßer: (lacht) Ja, das klingt ganz nach mir – reden kann jeder, aber auf der Baustelle zählt, was passiert, wenn du den Motor anmachst. In die Baubranche bin ich durch meinen Vater gekommen, der selbst Bauingenieur ist. Ich bin quasi mit der Bauwirtschaft groß geworden. Später hat mich eine Freundin überredet, nach Gießen zu kommen und Bauingenieurwesen zu studieren – mit dem Versprechen: »Mach das, dann kannst du danach wieder nach Australien.« Ich habe schon immer gern mit angepackt, Freunden auf dem Bau geholfen und war fasziniert von Mathematik, Maschinen und Technik. Diese Mischung hat mich in den Tief- und Spezialtiefbau geführt – da kann man eben nicht nur planen, sondern auch selbst mit anpacken. Als Bauleiter im Tiefbau ist es mir extrem wichtig, die Maschinen wirklich zu kennen. Nur wer weiß, was die Technik leisten kann, kann auch das Beste rausholen. Über die Jahre habe ich versucht, dieses Wissen zu perfektionieren – die richtigen Anbaugeräte und Baumaschinen sind im Tiefbau einfach das A und O. Und so kamen dann auch die Ideen für die Anbaugeräte damals in meiner Tätigkeit als Bauleiter. 

Philipp Ellsäßer,  Gründer und CEO der Qiky GmbH  sowie Geschäftsführer bei Tibatek
»Aus der Idee ›Digitalisierung in der Hosentasche‹ ist ein echtes Werkzeug geworden – mit dem digitalen Typenschild sind wir heute Marktführer im Bereich SaaS-Lösungen für Hersteller.«  

bauMAGAZIN: Als CEO von Qiky, Host von »Schweiß und Schwafel« und Geschäftsführer bei Tibatek könnte man meinen, dass Sie 24/7 am Schreibtisch festgekettet sind. Wieso trifft man Sie trotzdem auf nahezu jeder Messe und Veranstaltung dieser Branche? Warum ist es Ihnen so wichtig, stets vor Ort zu sein?

Philipp Ellsäßer: Ich bin grundsätzlich jemand, der den direkten Austausch sucht. Wir haben ja selbst in der Firmengruppe ein Bauunternehmen und sind da schon nah dran – da ist es mir wichtig, regelmäßig draußen zu sein und mit den Leuten zu sprechen, die jeden Tag auf den Baustellen stehen. Darüber hinaus tausche ich mich viel mit anderen Bauunternehmen aus und versuche stets, die Bauprozesse durch neue Ideen zu verbessern. Wir sind heute noch kein riesiges Team, also packe ich auch selbst mit an, wo es nötig ist. Das hält mich geerdet und sorgt dafür, dass ich nah dran bleibe an dem, was wirklich zählt: den Menschen und ihren täglichen Herausforderungen. Messen und Veranstaltungen sind für mich die perfekte Gelegenheit, genau diesen Kontakt zu pflegen. Viele, die ich dort treffe, sehe ich sonst im Alltag kaum – aber der persönliche Austausch ist unglaublich wertvoll. Die Menschen wollen mit uns reden, ihre Erfahrungen teilen und wissen, wer hinter den Produkten steht. Und das funktioniert einfach nur, wenn man auch wirklich vor Ort ist. 


bauMAGAZIN: Kein Krisenmodus, dafür aber angeschlagen: Die Baubranche erlebt aktuell unruhige Zeiten. Wie beurteilen Sie das und teilen Sie die Ansicht, dass da »mehr aus Berlin« kommen muss? Oder anders gefragt: Wird der »Bau-Turbo« der Bundesregierung alles richten?

Philipp Ellsäßer: Ich war schon immer ein Mensch, bei dem das Glas eher halb voll als halb leer ist. Auch in schwierigen Phasen – beruflich wie privat – habe ich nie den Kopf hängen lassen. Es gab in meinem Leben schon einige Schicksalsschläge, aber ich habe gelernt: Stehenbleiben bringt nichts. Wenn’s mal nicht weiterging, hatten meine Frau oder meine Eltern immer einen guten Rat auf Lager – das hat mich geprägt. Darum sehe ich auch die aktuelle Situation in der Baubranche nicht nur schwarz. Klar, wir haben herausfordernde Zeiten, keine Frage. Aber Krisenmodus? So weit würde ich nicht gehen. Wir sehen in Deutschland oft nur schwarz und weiß. Vor allem, weil man ehrlich sagen muss: Meist ist vom Hochbau die Rede, wenn von »Krise« gesprochen wird. Der Tiefbau steht da noch etwas stabiler da – auch wenn man natürlich merkt, dass die großen Player sich plötzlich mit Themen beschäftigen, die vorher gar nicht ihr Fokus waren oder Ausschreibungen einfach gar nicht kommen. Ich glaube nicht, dass der berühmte »Bau-Turbo« aus Berlin allein alles richten wird. Natürlich sind klare Rahmenbedingungen und weniger Bürokratie wichtig. Aber wir als Branche müssen selbst Verantwortung übernehmen – anpacken, neue Wege gehen und den Mut haben, uns zu verändern. Die Veränderung ist oft der Angstfaktor. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass es zukünftig andere und neue Ausschreibungsverfahren geben wird. Der Bauunternehmer wird mehr in die Planung und in die Haftung genommen. Eigentlich voll der smarte Schachzug. Für uns hieß das: Wir haben den Fokus bewusst stärker auf den Erdkabelbau oder Bahnbau gelegt. Das ist ein Bereich mit Zukunft, gerade beim Thema Energieinfrastruktur. Und da bleibe ich ganz pragmatisch: »Strom, Gas, Wasser und Scheiße müssen immer fließen.« Das wird nicht eingestampft, das ist ­Grundversorgung. Ich bin überzeugt: Wenn man offen bleibt, sich bewegt und die Chancen sieht, dann kommt der eigentliche »Bau-Turbo« nicht aus Berlin, sondern von den Menschen, die jeden Tag auf der Baustelle stehen, sich immer wieder neu erfinden und einfach machen. Wir merken das oft beim Thema Flüssigboden. Ein Thema, was viel mehr ausgeschrieben werden muss, oder auch einfach angewendet wird im Kanalbau. Aber hier schrecken viele noch zurück.

bauMAGAZIN: Als die Redaktion im Jahr 2021 von Qiky erfuhr, sprachen Sie von der »Digitalisierung, die wir alle in der Hosentasche mit uns herumtragen« und davon, dass der »Quick Information Key« künftig jedes Handbuch, viel Zeit und lästige Telefonwarteschlangen erspart – wie sieht es heute aus? Was ist in diesen vier Jahren alles passiert?

Philipp Ellsäßer: Ja, das stimmt – 2021 haben viele gesagt: »Klingt gut, aber funktioniert das wirklich auf der Baustelle?« Heute kann ich sagen: Ja, es funktioniert – und Simon und ich sind mega happy darüber. In den letzten vier Jahren ist bei Qiky unglaublich viel passiert. Aus der Idee der »Digitalisierung in der Hosentasche« ist ein echtes Werkzeug für die Baustelle geworden. Viele Hersteller und Bauunternehmen nutzen Qiky heute täglich, um Maschinen, Geräte, Unterweisungen und Dokumentationen digital abzubilden. Das spart Zeit, reduziert Stress und sorgt vor allem für mehr Transparenz und Sicherheit. Darüber hinaus haben wir mit unserer Software »Werkstatt 4.0« tolle Lösungen speziell für Bauunternehmen geschaffen und in Zusammenarbeit mit Herstellern weitere smarte Ideen umgesetzt. Ein großer Meilenstein für uns war das digitale Typenschild, mit dem wir heute stolz als Marktführer im Bereich SaaS-Lösungen gelten. Auf dieser Basis haben wir auch den Grundstein gelegt für die Themen »Digitaler Produktpass« und »Digitaler Batteriepass« – also genau die Entwicklungen, die in Zukunft für Hersteller und Betreiber entscheidend sein werden. Unser Ziel ist dabei immer gleich geblieben: Digitalisierung soll nicht kompliziert sein, sondern helfen. Kein Buzzword, kein Selbstzweck, sondern praktische Lösungen, die jeder versteht und nutzen kann, vom Polier, Bauhelfer, SiGeKo bis zum Hersteller.
 

Im Jahr 2019 wurde der erste »Vliesmaster«-Prototyp vorgestellt – eine effiziente Lösung, um Vlies, Geogitter und Folien zu verarbeiten

bauMAGAZIN: Tibatek feiert in diesem Jahr sein 10-jähriges Bestehen – und hat hierfür im Oktober bereits die »Korken in Borken« knallen lassen: Für das ­bauMAGAZIN ist das natürlich ein Anlass, zurückzublicken. Und auffällig ist, dass Tibatek gerade in den vergangenen drei bis vier Jahren eine wahre Flut an neuen Lösungen für den Tief- und Spezialtiefbau auf den Weg gebracht hat. Geben Sie uns doch bitte einen (kurzen) Einblick, wie Sie die zurückliegenden Jahre betrachten und welche Produkte hier für Tibatek eine tragende Rolle spielen.

Philipp Ellsäßer: Zehn Jahre Tibatek – das ist schon ein besonderer Meilenstein. Wenn ich auf die Zeit zurückblicke, bin ich vor allem stolz darauf, was wir als Team erreicht haben. Wir sind kein Unternehmen, das Dinge einfach laufen lässt – wir hinterfragen, probieren aus und entwickeln ständig weiter. Gerade in den letzten drei bis vier Jahren ist extrem viel passiert. Wir haben unser Produktportfolio stark erweitert und Lösungen geschaffen, die in der Praxis wirklich gebraucht werden. Unsere Verbau- und Spundwandleitern sind zum Beispiel echte Dauerläufer, die gehen einfach immer. Das sind Produkte, die auf keiner Baustelle fehlen dürfen, »absolute Banger«, wie wir intern sagen, und echte Must-haves für jede Baugrube. Darüber hinaus haben sich heute unsere Systeme »Kabelmaster«, »Vliesmaster«, »Betonmaster« und »Dosiermaster« zu tragenden Säulen im Sortiment entwickelt. Sie stehen für das, was Tibatek ausmacht: einfache, robuste und durchdachte Lösungen, die den Baustellenalltag wirklich verbessern. Unser Anspruch war nie, etwas fürs Prospekt zu entwickeln, sondern für die Baustelle. Alles, was wir machen, entsteht aus der Praxis heraus – mit und für die Menschen, die da draußen anpacken. Genau das hat uns in den letzten Jahren so stark gemacht und wird uns auch die nächsten zehn Jahre antreiben.d

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Qiky GmbH

Hohe Oststraße 54
46325 Borken

Telefon: +49 2861 - 68 5353 - 0

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