Liebherr-Hydraulikbagger GmbH »75 years of moving forward«: Happy Birthday, Liebherr!

Lesedauer: min | Bildquelle: Liebherr-Hydraulikbagger
Von: Thomas Seibold

Jubilare im gesetzteren Alter müssen sich oft auf Fragen »Wie geht es dir?« und »Was machen die Wehwehchen?« gefasst machen. Im Falle von Liebherr können die Antworten anlässlich des 75-jährigen Bestehens nur »Sehr gut« und »Es gibt kaum welche« lauten. Der Grund dafür findet sich in den Genen, die der Firmengruppe vom Gründer Hans Liebherr in die Wiege gelegt wurden: Dieser pflanzte dem Unternehmen ein ausgeprägtes Gespür für die Bedürfnisse des Markts und der Anwender ein. Im Jubiläumsjahr lud das Liebherr im Rahmen einer »Baufachpressefahrt« an den Geburtsort der Marke nach Kirchdorf an der Iller ein. Auch die Redaktion des bauMAGAZIN war mit dabei und ließ sich auf eine Reise mitnehmen, die von der Vergangenheit über die Gegenwart bis in die Zukunft führte.

Mit Jubiläen ist das immer so eine Sache, vor allem dann, wenn sie nahe beieinander liegen. Das ­bauMAGAZIN feierte vor zwei Jahren das 25-jährige Bestehen. Chefredakteur Dan Windhorst nahm das zum Anlass, in der Ausgabe 06/2022 ab Seite 68 ausführlich die Geschichte von Liebherr zu dokumentieren. Statt jetzt nur über die zwei Jahre dazwischen und die zwei Tage in Kirchdorf an der Iller zu berichten, greifen wir hier die 75-jährige Unternehmensgeschichte mit einem möglichst breiten Ansatz auf und sorgen so vielleicht für den ein oder anderen Aha-Effekt.

Wenige Unternehmen sind so breit aufgestellt wie Liebherr. Hier wurde die Diversität der Produktpalette zum Geschäftsprinzip erhoben. Was quasi aus dem Nichts entstand, ist heute eine Marke mit vielen Gesichtern – 13 Stück an der Zahl, so viele unterschiedliche und dezentral geführte Produktsegmente gibt es aktuell. In jedem einzelnen finden sich zahlreiche Geschichten, Superlative und Leuchtturmprojekte sowie besondere Produkte, welche die jeweilige Branche nachhaltig verändert haben. Ein Blick auf den im April veröffentlichten Geschäftsbericht für 2023 zeigt die Dimensionen von Liebherr: Die Firmengruppe erreichte im Jahr 2023 einen Rekordumsatz von 14 042 Mio. €. Im Vergleich zu 2022 entspricht das einem Plus von 1 453 Mio. € bzw. 11,5 Prozent. 1 030 Mio. € wurden investiert. Ende 2023 waren 53 659 Mitarbeitende beschäftigt und es gab zu diesem Zeitpunkt mehr als 150 Gesellschaften und über 40 Produktionsgesellschaften. Und 2024 lag der Auftragseingang bereits im ersten Halbjahr im Vergleich zu 2023 um 10 Prozent höher. »75 Jahre Liebherr« kann daher nur der Versuch einer Annäherung an das Unternehmen und den Mann sein, der es gründete.

Der Gründer Hans Liebherr

Alles geht zurück auf den 1915 in Kaufbeuren geborenen Gründer und Namensgeber des Unternehmens: Hans Liebherr. 1938 legt er die Prüfung zum Baumeister ab und übernimmt den elterlichen Baubetrieb, bis er zum Kriegsdienst eingezogen wird. Nach der Rückkehr aus dem Kriegsdienst im Jahr 1945 steigt er mit mittlerweile 30 Jahren wieder in das Unternehmen ein. Zu tun gibt es genug: Der Wiederaufbau hat begonnen und auch Hans Liebherr wollte seinen Beitrag dazu leisten – und das nicht nur mit reiner Muskelkraft, sondern auch mit neuen Ideen: Um die schwere Arbeit auf den Baustellen zu erleichtern, erfand er 1949 den ersten fahrbaren Turmdrehkran »TK 10«. Das neue Arbeitsgerät wurde zum Patent angemeldet und die Hans Liebherr Maschinenfabrik in Kirchdorf an der Iller gegründet. Zwar konnte auf der Frankfurter Herbstmesse keine einzige Bestellung für den »TK 10« verzeichnet werden – aber dafür Wochen später. Bereits Ende des Jahres 1950 wurden in diesem Jahr von 110 Arbeitern 160 Turmdrehkrane des Nachfolgemodells hergestellt. Damit hatte Hans Liebherr seinen untrüglichen Instinkt für zukunftsträchtige Produkte erstmals unter Beweis gestellt.

Weitere Ideen und Projekte folgten auf dem Fuß und in kurzen Abständen: 1951 stieg das noch junge Unternehmen in den Werkzeugmaschinenbau ein und entwickelt eine eigene Verzahnmaschine, um die Zahnräder für die neuen Turmdrehkrane selber herstellen zu können. Als Hans Liebherr 1953 einen Seilbagger benötigte, fiel ihm bei der gemieteten Maschine das Missverhältnis zwischen Gewicht und Leistungskraft auf. Nur acht Monate später präsentierte er mit dem Modell »L300« den ersten Hydraulikbagger Europas. 1954 wurde die Maschine bereits in Serie gefertigt. Einen weiteren Meilenstein stellte 1960 der erste vollhydraulische Mobilbagger »A 650« dar. Ausgehend von diesem Erfolg erweiterte Liebherr das Produktportfolio in den folgenden Jahren um weitere Maschinen und Technologien, um den wachsenden Anforderungen der Baubranche gerecht zu werden.

Neben seinem technischen Erfindungsreichtum zeichnete ihn auch seine bodenständige Nähe zu den Mitarbeitern aus: Sie betitelten Hans Liebherr gern als »einen von uns«, der mit den Leuten sprach, sich sein eigenes Bild von den täglichen Arbeitsfortschritten machte und dann zu schnellen, pragmatischen Entscheidungen kam. »Ich habe viel Zeit darauf verwandt, aber auch viel Glück dabeigehabt, die wichtigsten Positionen mit guten Mitarbeitern zu besetzen. Sie sind nämlich das A und O des Erfolgs«, so Hans Liebherr rückblickend im Jahr 1985. Um näher am Tagesgeschehen zu sein, errichtete er auf dem Firmengelände in Kirchdorf an der Iller kurz nach seiner Rückkehr aus dem Krieg für sich und seine Familie ein schlichtes Holzhaus, das sowohl als Wohn- wie auch als Geschäftshaus diente.

Damit blieb er auch sich selber stets in jeder Hinsicht treu. Denn seine Devise lautete: »Selbst denken, selbst machen, selbst finanzieren«. Sein Pragmatismus in Verbindung mit intuitiven Entscheidungen und einem bewundernswerten Weitblick erwiesen sich stets als Glückgriff für die künftige Entwicklung des Unternehmens: Bereits 1952, nur drei Jahre nach der Gründung, wurden die ersten eigenen Lehrlinge in Kirchdorf an der Iller ausgebildet. Und als Hans Liebherr auf fehlende Wohnräume für seine Mitarbeiter aufmerksam wurde, errichtete er 1955 kurzerhand gegenüber dem Firmengelände ein 52 Meter hohes Hochhaus mit 16 Stockwerken nur für sie. Ähnlich verhielt es sich 1958 im irischen Killarney bei der Eröffnung einer neuen Produktionsstätte: Da es in der Region an Unterkünften für Besucher mangelte, lässt Hans Liebherr zunächst ein Gästehaus bauen. Einige Zeit später erwirbt der Unternehmer ein Grundstück direkt am See. Anstelle des ursprünglich geplanten Werksgebäudes errichtet er dort sein erstes Hotel, das »Europe«. Damit schafft er die Basis für ein neues Produktsegment – die Liebherr-Hotels. Mittelpunkt und Keimzelle aller Aktivitäten war aber stets das Stammwerk – und das über viele Jahre. Denn abgesehen von der Sparte Luftfahrttechnik wurden alle neuen Produkte seit dem Turmdrehkran »TK 10« zunächst dort entwickelt und produziert. Kirchdorf an der Iller war aber auch aus weiteren Gründen enorm wichtig für die Entwicklungsgeschichte von Liebherr.

Auf die Lage kommt es an

Aktuell verfügt die Firmengruppe über mehr als 150 Gesellschaften und mehr als 40 Produktionsgesellschaften. Hans Liebherr achtete sowohl bei der Auswahl des ersten Standorts in Kirchdorf als auch bei anderen darauf, dass für diese ein Anschluss an die Bahn und/oder Autobahn vorhanden ist. Das Stammwerk in Kirchdorf an der Iller liegt beispielsweise direkt an der A7 und in Nähe des Autobahnkreuzes Memmingen. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass viele weitere Standorte ähnlich günstig platziert sind. Mit dieser klugen Ortswahl konnte Hans Liebherr zahlreiche Herausforderungen in Bezug auf die Logistik von Mensch und Material auf einmal bewältigen.

Dass dabei nicht immer alles nach Plan laufen kann, zeigt eine Geschichte zum Standort in Biberach an der Riß, dem größten Liebherr-Werk für Turmdrehkrane: Als Hans Liebherr 1953 nach einem neuen Produktionsstandort suchte, stehen in Biberach sowohl Grundstücke als auch Arbeitskräfte zur Verfügung – aber nicht nur dort: Im Sommer 1953 bewerben sich insgesamt 32 Städte um eine Niederlassung der Firma Liebherr. Die Überlegungen gingen hin und her, bis der Bürgermeister von Biberach einen Trumpf aus dem Ärmel zog. Demnach plane das Bundesverkehrsministerium den Donau-Bodensee-Kanal, der von Ulm nach Friedrichshafen führen soll. Als zentraler Umschlagshafen sei Biberach auserkoren. Das gab für Hans Liebherr, der ursprünglich auf einen eigenen Bahnanschluss aus war, den Ausschlag. Bereits 1954 wird das Liebherr-Werk Biberach gegründet. Wenig später jedoch zerschlagen sich die Pläne für den Kanal und Liebherr kann dort unter anderem auf die Bahnverbindung zwischen Ulm und Friedrichshafen zurückgreifen.

#Erdbewegung

Die Erdbewegungsmaschinen von Liebherr – Bagger, Planier- und Laderaupen, Rohrleger, Teleskop­lader und Radlader sowie knickgelenkte Muldenkipper – entstehen an insgesamt sechs Standorten in Europa, Asien und Südamerika: Kirchdorf an der Iller (gegr. 1949), Bischofshofen (Österreich, gegr. 1960), Colmar (Frankreich, gegr. 1961), Guaratinguetá (Brasilien, gegr. 1974), Telfs (Österreich, gegr. 1976) und Dalian (China, gegr. 2002). Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen ist eine Vielzahl an Modellen und Varianten entstanden.

Hohe Diversität im Angebot

In der Kategorie »Bagger« ist die Diversität besonders hoch. Es gibt Mobilbagger, Mobilbagger Compact, Zweiwegebagger (Mobilausführung und mit Raupe), Raupen-/Kettenbagger, Raupenbagger Compact, Abbruchbagger, Tunnelbagger, Raupenbagger Heavy, Miningbagger, Umschlagbagger (Elektro, Mobilausführung und mit Raupe), Hydroseilbagger und Pontonbagger.

Bei den Planier- und Laderaupen sind Varianten für Erdbewegung und Straßenbau, den Materialumschlag sowie für Großprojekte und Mining erhältlich. 1972 erblickten im Liebherr-Werk Telfs in Österreich die ersten Prototypen der Planierraupen das Licht der Welt. Stillstand in der Entwicklung ist auch hier kein Thema: In diesem Jahr wurde bereits die achte Generation der Planierraupe PR 776 vorgestellt.

Besonders für Einsätze in der Öl- und Gasindustrie geeignet sind die Liebherr Rohrleger mit einer Hubkraft von 46,7 t bis 98,1 t. Vielseitigkeit ist auch bei den Teleskopladern angesagt. Neben Standardausführungen für einfache Stapel- und Hebeeinsätze gibt es für harte Einsätze und hohe Auslastungen die leistungsstarken »S«-Maschinen. Bei allen Teleskopladern ermöglicht die »EcoMotion«-Funktion ein lastfreies Senken des Teleskoparms, ohne dass die Drehzahl des Dieselmotors erhöht werden muss. Mit dem Teleskopradlader »L 509 Tele« steht zudem eine vielseitige Spezialmaschine zur Verfügung. Hier wurde die Hubhöhe und Reichweite eines regulären Teleskopladers mit der produktiven Umschlagleistung eines klassischen Radladers verbunden.

Bei den Radladern weist Liebherr aktuell vier Größenklassen vor: Compactlader, Stereolader, Allround-Radlader der mittleren Baureihe sowie die XPower-Großradlader. Mit dem »L 580 LogHandler XPower« wurde sogar ein Modell speziell für die Anforderungen der Holzindustrie entwickelt. Seit Ende 2023 steht mit dem »L 507 E« zudem der erste elektrisch angetriebene Liebherr-Radlader zur Verfügung. Dieser wird in Bischofshofen produziert.

Das Angebot von Liebherr im Bereich Erdbewegung rundet der im Stammwerk gefertigte knickgelenkte Muldenkipper »TA 230 Litronic« mit einer Nutzlast von 28 t ab. Dank einer Gesamtbreite von unter 3 m und einem Leergewicht von 24,6 t passt er problemlos auf einen Tieflader.


Gang durch die Produktion in Kirchdorf

Im Stammwerk Kirchdorf an der Iller entwickelt und fertigt die Liebherr-Hydraulikbagger GmbH Hydraulikbagger, Materialumschlagmaschinen, knickgelenkte Muldenkipper sowie Anbauteile und Schnellkupplungssysteme. 2018 wurde es um ein 12,68 ha große Gelände für ein Entwicklungs- und Vorführzentrum (EVZ) mit Teststrecke, einer Versuchshalle und einem Verwaltungszentrum ergänzt. Rund 2 500 Maschinen verlassen dort jährlich die Werkshallen. Über die 100 000. Maschine haben wir bereits im bauMAGAZIN 09/24 auf Seite 111 berichtet. Beim Rundgang in der Mobilbaggerfertigung im Rahmen der »Baufachpressefahrt« waren zwar leider keine Fotos erlaubt, es gab jedoch ­eine Vielzahl interessanter Fakten zu hören. So liegt der Anteil der Eigenfertigung bei 70 Prozent, weitere Teile wie komplette Fahrerkabinen, Motoren, Achsen etc. stammen von Zulieferern. Täglich werden etwa 60 t bis 70 t Stahlplatten verarbeitet. Da diese in der Regel vor der Fertigungshalle im Freien liegen, kommen sie zunächst auf eine Rollenbahnstrahlanlage und werden dort vom Flug­rost befreit. Anschließend schneidet sich der Festkörperlaser einer 2D-Laserschneidmaschine durch die bis zu 30 cm dicken Platten. Eine 800 t Kaltbiegepresse bringt die einzelnen Stücke dann in Form.

Schweißroboter ermöglichen anschließend Schweißnähte in reproduzierbar hoher Qualität. Die Fertigung der Mobilbagger an sich läuft in zwölf Takten ab, von denen jeder 70 Minuten dauert. In diesem Zeitraum muss der jeweilige Arbeitsschritt beendet sein. Live zu sehen war darüber hinaus das Rotationsreibschweißverfahren zur Herstellung eines Hydraulikzylinders. Dieses sorgt laut Liebherr für besonders feste Verbindungen. Darüber hinaus werden bei bestimmten Umschlagmaschinen mit Stickstoff gefüllte Energierückgewinnungs-Zylinder verwendet. Diese sollen nach Herstellerangaben bis zu 30 Prozent Kraftstoff sparen. Während der Werksführung wurde zudem auf eine Optimierung beim Zweiwegebagger »A 922 Rail« hingewiesen, welche gerade in die Serienmodelle einläuft: Da sich nach Erfahrungen aus der Praxis bei der bisherigen Zwillingsbereifung unter Umständen Steine verklemmen können, hat Liebherr einen neuen Doppelreifen entwickelt, bei dem dies konstruktionsbedingt ausgeschlossen ist.

#Mobil- und Raupenkrane

Die Produktsparte der Mobil- und Raupenkrane verheißt schon per se, dass hier etwas Großes zu erwarten ist. Die Erwartungshaltung wird nicht enttäuscht: Angeboten werden rund 50 unterschiedliche Mobil- und Raupenkrane mit Teleskop- oder Gittermastausleger. Diese entstehen in Ehingen (Donau, gegr. 1969) und Nenzing (Österreich, gegr. 1976). Erst im Juni wurde die Produktpalette aktualisiert und um den laut Liebherr weltweit stärksten 6-Achs-Kran erweitert: Der neue »LTM 1400-6.1« verfügt über einen 70 m langen Teleskopausleger und erreicht deutlich höhere Traglasten als sein Vorgänger »LTM 1350-6.1«. Angetrieben wird der neue 400-Tonner mit dem Liebherr Ein-Motor-Konzept und mechanischem Antrieb des Oberwagens. Ein Achtzylinder-Dieselmotor mit 455 kW und einem Drehmoment von 3 067 Nm bietet Leistung im Überfluss. Da eine weitere Beschreibung der vielen Varianten definitiv den Umfang dieser Ausgabe sprengen würde, werden auf der rechten Seite stellvertretend für diese Produktsparte die zwei Leuchtturmprojekte » Ein Schiff am Haken« und »12-fach auf einmal eingehakt« beschrieben.

#Spezialtiefbau

Im Segment Spezialtiefbau sind die Anforderungen an Mensch und Material hoch. Liebherr tritt hier als Komplettanbieter auf: Das Portfolio enthält neben modernster Ramm- und Bohrtechnik auch Anbauwerkzeuge wie Rüttler, Hämmer oder Schlitzwandfräsen. Die Maschinen sind sowohl für die Herstellung von Ortbetonpfählen und Schlitzwänden als auch für den Einbau von Spundwänden oder zur Bodenverbesserung geeignet. Auch in diesem Bereich gibt es Innovationen: 2019 stellte das Unternehmen mit dem »LB 16 unplugged« das weltweit erste akkubetriebene Drehbohrgerät vor. Da die »Unplug­ged«-Versionen lokal emissionsfrei arbeiten, empfehlen sie sich angesichts steigender Umweltauflagen nicht nur für den Einsatz in Städten und anderen umweltsensiblen Bereichen. Für die operative Gesamtführung aller Aktivitäten in diesem Produktsegment zeichnet die Liebherr-Werk Nenzing GmbH (Österreich, gegr. 1976) verantwortlich.

Für den einfachen Grundbau

Die Liebherr-Drehbohrgeräte kommen weltweit zum Einsatz und müssen sich unter teilweise widrigsten Umständen beweisen – angefangen vom Einsatz in der Wüste bis in eisige Höhen. Dabei können die Modelle der »LB«-Serie eine maximale Bohrtiefe bis über 120 m erreichen. Sie beherrschen unterschiedliche Bohrverfahren: Kellybohren, Endlosschneckenbohren, Vollverdrängerbohren, Doppelkopfbohren, Nassmischen und Imlochhammerbohren.

Auch die Ramm- und Bohrgeräte decken ein umfangreiches Einsatzspektrum ab: Rammen, Rütteln, Pressen und Bohren. Mit dem entsprechenden Anbaugerät lassen sich laut Liebherr alle Tiefgründungsverfahren realisieren, darunter auch Nass- und Fräsmischen. Zudem im Portfolio finden sich Rammgeräte mit Hänge- oder Schwingmäkler. Diese bieten ein breites Anwendungsspektrum, insbesondere wenn große Ausladungen oder sehr starke Neigungen notwendig sind. Der – nicht gerade alltägliche – Einsatz eines Seilbaggers im Spezialtiefbau wird am Beispiel des Leuchtturmprojekts »In der Arktis« beschrieben.

#Materialumschlagmaschinen

In diesem Produktportfolio entwickelt und fertigt Liebherr seit über 60 Jahren Mobil-, Raupen- und Elektroumschlagmaschinen sowie Radlader, Teleskoplader und Planier- und Laderaupen. Die Maschinen kommen unter anderem beim Schrott-, Holz- und Hafenumschlag sowie in der Recycling- und Abfallwirtschaft zum Einsatz. Insgesamt gibt es sechs Standorte: Kirchdorf an der Iller (gegr. 1949), Bischofshofen (Österreich, gegr. 1960), Colmar (Frankreich, gegr. 1961), Guaratinguetá (Brasilien, gegr. 1974), Telfs (Österreich, gegr. 1976), Dalian (China, gegr. 2002).

Tätigkeiten im Materialumschlag unterscheiden sich aus maschinentechnischer Sicht oft nicht von der Erdbewegung. Daher finden sich neben speziellen Umschlag- und Holzfahrmaschinen und Hydroseilbaggern auch Überschneidungen zu Radladern, Teleskopladern sowie Planier- und Lade­raupen. Unabhängig vom eingesetzten Arbeitsgerät kommt es hier vor allem auf das richtige Anbauwerkzeug an. Liebherr entwickelt dazu eigene Löffel, Greifer, Palettengabeln, Stielverlängerungen, Schwenkeinheiten, Schwenkrotatoren, Planierbalken und Schnellwechsler.

Materialumschlag mit mehr Effizienz

Egal ob es um den Materialumschlag von Schrott, Holz, Abfall oder Schütt- und Stückgütern geht, die Liebherr-Umschlagbagger lassen sich für jede Aufgabe maßschneidern: Neben Diesel- oder Elektromotoren steht eine Vielzahl von Unterwagenoptionen zur Verfügung. Für die mobilen Umschlagmaschinen sind außerdem verschiedene Bereifungs- sowie Abstützvarianten erhältlich.

Wie Liebherr zum Seilbagger kam

Interessant ist die Entstehungsgeschichte der Seilbagger bzw. wie es dazu kam, dass Liebherr diese überhaupt fertigt. Der Ursprung findet sich beim Maschinenbauunternehmen Menck & Hambrock. 1868 gegründet, wurde es insbesondere durch die Entwicklung und Fertigung von Seilbaggern bekannt. 1978 meldete das Unternehmen Konkurs an. Zur gleichen Zeit traten verschiedene Bauunternehmer an Hans Liebherr junior mit der Frage heran, ob sein Unternehmen nicht auch Seilbagger bauen könnte. Der Sohn des Firmengründers erwarb die Konstruktionspläne des insolventen Herstellers und nach reiflicher Überlegung fiel die Entscheidung, einen Seilbagger in Nenzing zu bauen. Allerdings sollte es nicht »nur« eine Menck-Maschine unter neuem Namen werden, sondern der erste »echte« Liebherr-Seilbagger mit einem dieselhydraulischen Antrieb und einer elektronischen Steuerung. Die Weltneuheit namens »HS 870« wurde auf der Bauma 1980 präsentiert, stieß sofort auf großes Interesse und schon hatte Liebherr ein Produkt mit vielen Varianten mehr im Portfolio.

#Mining

Auch Kunden aus dem Bereich Rohstoffabbau werden bei Liebherr fündig. Die Maschinen der Produktsparte Mining werden an zwei Standorten, in Newport News, Virginia (USA, gegr. 1995) und in Colmar (Frankreich, gegr. 2011), produziert. Zur Bewältigung der ihnen übertragenen Aufgaben sind sie entsprechend dimensioniert: Im Produktprogramm finden sich aktuell acht Großhydraulikbagger mit Einsatzgewichten von 100 t bis 800 t, einer Motorleistung bis 3 000 kW und Grabgefäßen von bis zu 47,5 m³. Die dieselelektrisch angetriebenen Großmuldenkipper erreichen Nutzlasten von 220 t und 360 t. Dazu kommen noch Planierraupen für die Bergbauindustrie und Schürfkübelbagger wie der »HS 8300« mit einem Einsatzgewicht von 380 t.

Über das größte Auftragsvolumen für Liebherr in seiner 75-jährigen Firmenhistorie, die gemeinsame Entwicklung und anschließende Abnahme von 475 Liebherr-Maschinen durch ­Fortescue, haben wir bereits im bauMAGAZIN 11/24 ab Seite 14 berichtet. Der Auftrag mit einem Volumen von rund 2,5 Mrd. € umfasst 360 batterieelektrische sowie autonome Muldenkipper, 55 Elektro-Bagger und 60 batterieelektrische Planierraupen, die Fortescue in seinen Minen in Australien einsetzen wird.

Der erste elektrische Bagger für BHP Australien

Liebherr-Australien und BHP feierten im August die Inbetriebnahme des ersten elektrischen Baggers, welcher der BHP-Flotte beitritt: eines »R 9400 E«. Der Bagger der 400-t-Klasse kommt in der BHP-Mine Iron Ore Yandi in der Region Pilbara in Westaustralien zum Einsatz. Ausgerüstet mit einer autonomen Kabelverwaltungslösung, bietet er dadurch eine verbesserte Manövrierfähigkeit und Bedienersicherheit. Speziell im Eisenerzabbau trägt die zusätzliche Mobilität der Kabelrolle dazu bei, eine optimale Produktivität während des Betriebs aufrechtzuerhalten.

#Turmdrehkrane

Nicht nur immer höher, länger, weiter und schwerer, sondern auch sicherer und komfortabler zu ­bedienen – bei Turmdrehkranen ist nicht immer ganz klar, ob die Anforderung zuerst vom Kunden ausging oder der Hersteller von sich aus und aufgrund der technischen Machbarkeit erweiterte Möglichkeiten bereitgestellt hat. Im Produktsegment der Turmdrehkrane bietet Liebherr ein Portfolio, das sich aus Schnell­einsatzkranen, Obendreherkranen und Mobilbau­kranen zusammensetzt. Gefertigt werden diese in Biberach an der Riß (gegr. 1954), Pamplona (Spanien, gegr. 1990) und Pune (Indien, gegr. 2012).

Im Rahmen der »Baufachpressefahrt« stand im Entwicklungs- und Vorführzentrum (EVZ) in Kirchdorf an der Iller ein Schnelleinsatzkran »33 L« mit dem Tower Crane »OS 2« und integrierter Sway Control zur Verfügung. Auch die Redaktion des bauMAGAZIN durfte Hand anlegen und sich von der Funktionsweise des Systems überzeugen. Am Haken hing eine nur einseitig angehängte Metallplatte, die, sobald in der Luft, normalerweise anfängt zu pendeln. Der Bediener kann in dem Fall entweder versuchen, manuell gegenzusteuern, was entsprechende Erfahrung voraussetzt, oder abzuwarten, was Zeit kostet, oder selber Hand an die Last anzulegen, was sich aus Gründen der Arbeitssicherheit natürlich verbietet.

Im Selbstversuch hat Sway Control die pendelnde Last automatisch erkannt und über die integrierte Lastpendeldämpfung den Kran entsprechend so lange bewegt, bis Ruhe eingekehrt war. Ein großer Vorteil des Systems ist, dass es natürlich nicht nur direkt beim Anheben, sondern während des kompletten Vorgangs aktiv ist und beispielsweise auch Windeinflüsse ausgleicht.

Leuchtturmprojekt: Sanierung einer Brücke

In der viertgrößten spanischen Stadt Sevilla wird die Brücke »Puente Quinto Centenario« mithilfe von zwei High-Top-Kranen vom Typ »420 EC-H 16 Litronic« saniert. Ihre Abspannung gegen den Brückenpfeiler erwies sich als knifflige Aufgabe, da die Streben durch die Seile hindurchgeführt werden mussten, die die Fahrbahn mit den Pfeilern verbindet. Die Fahrbahn hängt mit insgesamt 80 Schrägseilen an zwei Pylonen, die auf beiden Uferseiten errichtet sind. Die zwei High-Top-Krane sind neben den Brückenpylonen montiert und an zwei Stellen mit Streben an den Pylonen befestigt. Geschweißte Kastenprofile (0,5 x 0,5 m) sichern die Krane und reichen durch die Spannseile der Fahrbahn hindurch zum Brückenpylon. Das brachte sowohl bei der Planung als auch bei der Montage einige Herausforderungen mit sich: Die Streben der Kranabspannung durften zu keiner Zeit mit den Seilen kollidieren, was beim Design der Streben berücksichtigt werden musste. So fiel die Wahl auf Kastenprofile, die mit einem Umfassungsrahmen an je einem Turm
segment des Krans befestigt sind. Bei der Montage musste die untere Abspannung der beiden Krane durch die gespannten Schrägseile der Brückenkonstruktion hindurchgeführt werden. Dazu wurden sie mit einem Mobilkran gleich auf ihre finale Höhe montiert. Dabei war zuerst die Abspannung an der Reihe, bevor die drehbaren Teile am Kran befestigt wurden. Da die Montage im laufenden Verkehr auf der Brücke stattfand, waren die Sicherheitsanforderungen dementsprechend hoch. Im Laufe ihres Einsatzes heben die Krane bis zu 7,5 t schwere Metallverstärkungen für die Pylone auf 110 m Höhe.

#Betontechnik

Am 1. April 1954 wurde das in Bad Schussenried ansässige Liebherr-Werk V, heute Liebherr-Mischtechnik, pünktlich zum 39. Geburtstag von Hans Liebherr in Betrieb genommen. Damit machte sich nicht nur der Visionär selber ein Geschenk, sondern auch der Baubranche. Denn mit dem dort produzierten Umkehrmischer musste Beton erstmals nicht mehr direkt auf der Baustelle gemischt werden. Kein Wunder, dass sich das erste eigene Liebherr-Produkt in der Mischtechnik zum Verkaufsschlager entwickelte. Vier Jahre später folgte der erste Mischturm und 1967 baute Liebherr die ersten Fahrmischer. Nach Unternehmensangaben sind weltweit über 100 000 Fahrmischer aus Bad Schussenried im Einsatz. 2012 hat Liebherr sein Portfolio durch die Übernahme der Waitzinger Baumaschinen GmbH um Betonpumpen erweitert.

Heute präsentiert sich Liebherr auch in dieser Produktsparte als Komplettanbieter. Zum Portfolio gehören Betonmischanlagen in verschiedenen Größen und Ausführungen, Betonpumpen, Fahrmischer, Förderbänder für Fahrmischer, Steuerungs- und Messtechnik sowie Restbeton-Recycling-Systeme. Es gibt vier Produktionsstätten in Bad Schussenried (gegr. 1954), Guaratinguetá ­(Brasilien, gegr. 1974), Xuzhou (China, Joint Venture 1996) und Rayong (Thailand, gegr. 1997).

Autobetonpumpe als Fünffach-Falter

Im Entwicklungs- und Vorführzentrum (EVZ) in Kirchdorf an der Iller gab es im Rahmen der »Baufachpressefahrt« die im Januar erstmals vorgestellte »36 XXT« Autobetonpumpe zu sehen. Der neue fünfteilige Verteilermast bietet beim Betonieren in Gebäuden besondere Schlupfeigenschaften. Durch die fünf Arme lassen sich auf der Baustelle verschiedenste Positionen flexibel erreichen. Darüber hinaus sorgt die Konstruktion und Kinematik des Verteilermasts für ein schwingungsarmes und gleichmäßiges Arbeiten beim Betoneinbau. Ein weiteres Highlight der neuen »36 XXT« sei zudem die neu entwickelte Pump-Antriebseinheit »Powerbloc«. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass alle hydraulischen Schalt- und Messelemente vollständig integriert sind. So werden zahlreiche zuvor noch notwendige Hydraulikschläuche und weitere Bauteile überflüssig – eine nach Unternehmensangaben Besonderheit in der Betonpumpenwelt.

#Maritime Krane

Was sich im Kranbereich auf dem Land bewährt, funktioniert zudem auf dem Wasser – entsprechend bietet Liebherr auch im maritimen Bereich für die Frachtschifffahrt und Offshore-Industrie eine Vielzahl von Geräten für den effizienten Güter­umschlag an: Ship-to-Shore-, Hafenmobil-, Offshore-, Schiffs- und Portalkrane sowie Reachstacker inklusive technischer Beratung und digitalen Lösungen in Form intelligenter Datenanalysen und Handlungsempfehlungen für die Betreiber.

Liebherr produziert seine maritimen Geräte an der Atlantikküste Irlands in Killarney (gegr. 1958 als erste Produktionsstätte außerhalb Deutschlands und eines der ersten Industrieunternehmen von einem europäischen Unternehmen in Irland), der Nordseeküste Großbritanniens in Sunderland (gegr. 1989) und an der deutschen Ostseeküste in Rostock (gegr. 2002). In Rostock werden Hafenmobil-, Schiffs- und Offshore-Krane konstruiert und gefertigt. Die Produktion von Containerbrücken ist in Killarney angesiedelt. Am Standort Sunderland ist die Produktion von Reachstackern und Sonderkranen für die maritime Industrie beheimatet. Darüber hinaus verfügt Liebherr über zahlreiche eigene Vertriebs- und Serviceniederlassungen für Maritime Krane in mehr als 80 Ländern.

50 Jahre jung: der Liebherr-Hafenmobilkran

Als die Containerisierung zunahm und die globalen Handelsrouten expandierten, führte Liebherr 1974 führte mit dem »LGM 1130« den ersten eigenen Hafenmobilkran ein. Hafenmobilkrane wurden damals häufig als Backup für Ship-to-Shore(STS)-Containerkrane eingesetzt und unter dem eigentlichen Containerkran positioniert. Dies wurde durch eine Faltturmkonstruktion ermöglicht, die es dem LGM erlaubte, seinen Ausleger einzuklappen, unter den Containerkran zu fahren und sich wieder aufzurichten, um dann den STS zu unterstützen. Hafenmobilkrane sind bekannt für ihre Flexibilität und Vielseitigkeit, und diese Eigenschaften wurden im Laufe der Zeit noch verstärkt. Da sie für verschiedene Anwendungen wie Schüttgutumschlag, Containerumschlag und Schwerlasttransport geeignet sind, sollten sie im Vergleich zu anderen Hafengeräten mehr Effizienz bieten. Der gummibereifte Unterwagen sorgt in dem Zusammenhang für eine ideale Lastverteilung. Dadurch sind keine aufwendigen Kaivorbereitungen erforderlich und der Übergang zu neuen Projekten oder Häfen ist problemlos möglich. Mit der Einführung des »LHM 250« im Jahr 1996 setzte Liebherr neue Maßstäbe für Effizienz und Innovation. Der Kran hatte einen X-förmigen Unterwagen und einzeln lenkbare Radsätze, die ihn wendiger machten. Außerdem war der »LHM 250« der erste Hafenmobilkran von Liebherr mit Telemetrie, was Fernüberwachung und Datenübertragung ermöglichte.

Der »LHM 500«, der 2002 auf den Markt kam, setzte die Tradition mit seinem robusten Design und einem stärkeren Fokus auf Umweltfreundlichkeit fort. Der röhrenförmige Turm und der 4-Seil-Ausleger des Krans wurden entwickelt, um die Zuverlässigkeit der Stahlkonstruktion zu verbessern, die Lebensdauer des Krans zu verlängern und die Umweltbelastung zu verringern. Im Jahr 2010 ging die Innovation weiter in Richtung digitale Technologien und Automatisierung im Hafenbetrieb, wobei der »LHM 550« mit fortschrittlicher Telemetrie und anderen Funktionen ausgestattet wurde.

Beim Blick über das Firmengelände in Kirchdorf an der Iller mit Mobilbaggern und Anbauwerkzeugen ist im Hintergrund das von Hans Liebherr 1955 errichtete Hochhaus für seine Mitarbeiter zu sehen.

#Verzahntechnik und Automationssysteme

Die Entstehungsgeschichte der Produktsparte Verzahntechnik ist geradezu ein Paradebeispiel für die »Selber machen«-Mentalität von Hans Liebherr. Er benötigte Anfang der 1950er-Jahre für seine noch jungen Turmdrehkrane eine Wälzfräsmaschine zur Zahnradherstellung. Da er nicht das gewünschte Produkt fand, baute er es kurzerhand selbst. 1951 stieg das erst zwei Jahre zuvor gegründete Unternehmen in den Werkzeugmaschinenbau ein und entwickelt eine Verzahnmaschine.

Zu den Pionierleistungen der Verzahntechnologie gehören die erste Stoßmaschine mit hydro­statischer Führung aus dem Jahr 1967 und die erste Schleifmaschine mit CBN-Schleifscheiben aus dem Jahr 1989. 1992 übernahm Liebherr die Maschinenfabrik Lorenz, einen Hersteller von Wälzstoßmaschinen und Verzahnwerkzeugen am Standort Ettlingen. Dort unterhält die Verzahntechnik auch heute noch ein Werk für Verzahnwerkzeuge. Damit war Liebherr optimal auf einen Trend vorbereitet, der sich in den späten 90er- und 2000er-Jahren entwickelte: Die Windkraft boomte und damit die Nachfrage nach großen Zahnrädern mit Durchmessern von sechs Metern und damit nach Maschinen, um diese herzustellen.

Heute gehört Liebherr zu den global führenden Herstellern von Wälzfräsmaschinen, Wälzstoßmaschinen, Wälzschälmaschinen, Wälz- und Profilschleifmaschinen sowie Verzahnwerkzeugen. 2019 ist Liebherr mit den Verzahnungsmessmaschinen darüber hinaus in den Bereich der Mess­technik eingestiegen. Das Messgerät und die dazugehörige Software finden in diversen Branchen Einsatz.

Im Produktsegment Automationssysteme ist Liebherr seit den 1970er-Jahren aktiv. Geliefert werden schlüsselfertige Produktionsanlagen für die mechanische Fertigung mit einem breiten Produktspektrum: Dort finden sich Portalroboter, Band-Fördersysteme, Speichersysteme, Palettenhandhabungssysteme und Roboterintegration.

Für die Produktsparte Verzahntechnik und Automationssysteme zeichnet die Liebherr-Verzahntechnik in Kempten (Fertigung seit 1962, zuvor in Kirchdorf an der Iller) verantwortlich, die gleichzeitig als Produktionsstätte fungiert und in Ettlingen bei Karlsruhe eine zusätzliche Niederlassung betreibt. Weitere Fertigungsstandorte befinden sich in Saline, Michigan (USA, gegr. 1991), Bangalore (Indien, gegr. 2003) und Collegno bei Turin (Italien, gegr. 2004), ergänzt durch eine weltweite Vertriebs- und Serviceorganisation.

#Aerospace und Verkehrstechnik

Zu Erde, zu Wasser und konsequenterweise ist Liebherr mit der Produktsparte Aerospace und Verkehrstechnik auch in der Luft vertreten und bietet ein breites Angebot an Systemlösungen und Komponenten in Verbindung mit darauf zugeschnittenen Services für Hersteller und Betreiber von Flugzeugen sowie Schienenfahrzeugen. Zudem bestehen Kooperationen mit Automobilherstellern, um die zukünftige Generation brennstoffbetriebener Fahrzeuge zu entwickeln. Für die operative Führung in diesem Produktsegment ist die Liebherr-Aerospace & Transportation SAS in Toulouse zuständig.

Der Produktbereich Aerospace entwickelt und fertigt Flugsteuerungs- und Betätigungssysteme, Getriebe und Fahrwerke, Luftmanagement- und Kühlsysteme sowie Elektronik. Im Produktbereich Verkehrstechnik bietet Liebherr eine breite Palette hochintegrierter Systeme und Komponenten an, wie Heizungs-, Lüftungs- und Klimasysteme, Kühlsysteme für E-Mobilitätsanwendungen ohne Oberleitung, Thermomanagementsysteme für Elektronik, Hydraulikantriebssysteme, Fahrwerklenksysteme, Dämpfer und Ausrüstung für den hydraulischen Lastausgleich. Die Produkte finden sich in Zügen, S- und U-Bahnen sowie Bussen.

Die Produkte für die Luftfahrtindustrie stellt Liebherr in Lindenberg (gegr. 1960), Toulouse (Frankreich, gegr. 1971), Guaratinguetá (Brasilien, gegr. 2005) und Changsha (China, Joint Venture 2012) her. Die Schienenfahrzeugindustrie wird von Korneuburg (Österreich, gegr. 1997), Radinovo (Bulgarien, gegr. 1999), Zhuji (China, gegr. 2006) und Pinghu (China, gegr. 2020) aus bedient.

#Aerospace: fünfjähriger Wartungsvertrag mit KLM

Liebherr-Aerospace und Air France Industries KLM Engineering & Maintenance haben einen Wartungsvertrag für Wärmetauscher besiegelt. In den nächsten fünf Jahren wird Liebherr-Aerospace das Recoring von Wärmetauschern für die Flugzeugflotte der Air France KLM Group durchführen. Die Erneuerung umfasst den Austausch der Matrix und findet in den Werkstätten des Liebherr-Kompetenzzentrums für Luftmanagementsysteme in Toulouse (Frankreich) statt. Die Vereinbarung deckt den laufenden Wartungsbedarf der Airbus A320ceo/neo und A220 Wärmetauscher-Produkte der Flugzeuge der Air France KLM Gruppe und ihrer Kunden ab. Mit der Nutzung der Expertise von Liebherr-Aerospace zielt die Partnerschaft darauf ab, die Durchlaufzeiten für die Wartung zu optimieren und die kontinuierliche Lufttüchtigkeit der Flotte zu gewährleisten.

#Transportation: propanbasierte HLK-Systeme

Liebherr-Transportation Systems wurde vom Schweizer Schienenfahrzeughersteller Stadler Rheintal AG mit der Lieferung von 166 Heizungs-, Lüftungs- und Klimatisierungs-(HLK) Einheiten beauftragt, die in den NT Flirt Nex-Zügen von Stadler, auch Nordic Express genannt, eingebaut werden. Die HLK-Systeme nutzen als Kältemittel Propan, das eine klimafreundlichere Alternative zu herkömmlichen Kältemitteln darstellt. Die von Liebherr entwickelte HLK-Systemtechnologie verwendet das Kältemittel R290, auch bekannt als Propan. Mit einem Treibhauspotenzial von drei stellt es eine klimafreundlichere Alternative zu herkömmlichen chemischen Kältemitteln dar. Die Geräte werden bei Liebherr-Transportation Systems Marica EOOD in Tsaratsovo/Plovdiv (Bulgarien) hergestellt – dem Kompetenzzentrum von Liebherr für die Fertigung von HLK-Systemen.

#Komponenten

»Selbst denken, selbst machen, selbst finanzieren« – dieser Devise von Hans Liebherr folgend ist die Produktsparte Komponenten entstanden. Denn sie umfasst nichts weniger als die vollumfängliche Entwicklung, Konstruktion, Fertigung und Aufarbeitung von Komponenten aller Art im Bereich der mechanischen, hydraulischen und elektrischen Antriebs- und Steuerungstechnik. Konkret bedeutet das ein Portfolio, das sich aus folgenden Produkten zusammensetzt: Diesel- und Gasmotoren, Einspritzsysteme, Motorsteuergeräte, Axialkolbenpumpen und -motoren, Hydraulikzylinder, Großwälzlager, Getriebe und Seilwinden, Schaltanlagen, Komponenten der Elektronik und Leistungselektronik sowie Software. Diese werden in Kranen und Erdbewegungsmaschinen, der Minenindustrie, maritimen Anwendungen, Windkraftanlagen sowie der Fahrzeugtechnik, Luftfahrt und Verkehrstechnik verwendet. Da Liebherr in diesem Bereich alles selber in der Hand hat, können maßgeschneiderte Lösungen angeboten werden.

Entwickelt und gefertigt werden die Komponenten an insgesamt zehn Standorten: Kirchdorf an der Iller (1958, seit 2014 eigenständig) Guaratinguetá (Brasilien, gegr. 1974) Bulle (Schweiz, gegr. 1978) Lindau und Biberach (Liebherr-Electronics and Drives, gegr. 2000), Dalian (China, gegr. 2002), Ettlingen (gegr. 2004), Monterrey (Mexiko, gegr. 2010), Colmar (Frankreich, gegr. 2011) und Biberach (Liebherr-Components, gegr. 2012). Koordiniert werden sämtliche Aktivitäten bei der Liebherr-Component Technologies AG mit Sitz in Bulle.

#Kühl- und Gefriergeräte

Auch in der Produktsparte Kühl- und Gefriergeräte gibt es ein Jubiläum zu feiern: Liebherr stellt seit 1954 und damit seit 70 Jahren Kühl- und Gefriergeräte her. Die Geschichte dahinter ist geradezu ­typisch für den Instinkt von Hans Liebherr für das richtige Produkt zur richtigen Zeit. Im Jahr 1953 erfuhr er durch den Filialleiter seiner Hausbank von einer bankrotten Kühlschrankfabrik, die zum Verkauf stand. Damals befand sich in Deutschland nur in jedem zehnten Haushalt ein eigener Kühlschrank. Doch war bereits zu dieser Zeit der wirtschaftliche Aufschwung zu spüren: Die Kaufkraft und -bereitschaft stieg. Hans Liebherr analysierte diese Geschäftsmöglichkeit wie immer kühl und erkannte das große Potenzial dahinter. Zwar lehnte er den Kauf ab, errichtete aber stattdessen gleich eine eigene Produktionsstätte in Ochsenhausen und bereits ein Jahr später rollten in die ersten Kühlgeräte vom Band. Auch hier hatte Hans Liebherr das richtige Gespür für das passende Produkt zur richtigen Zeit. Apropos Zeit: Seine Geräte waren auf eine Laufzeit von mindestens 15 Jahren ausgelegt – an der Qualität wurde auch hier nicht gespart. Nur drei Jahre nach Start der Serienproduktion verlässt das 100 000. Kühlgerät das Werk in Ochsenhausen.

Auf dem Bild oben ist ein »LBS 600« auf einem Lastkahn und unten mit dem »LPS 420 E« der 2019 eingeführte erste vollelektrische Portalkran von Liebherr zu sehen.

Heute werden Kühl- und Gefriergeräte sowohl den privaten Gebrauch als auch für den professionellen Einsatz in Handel, Handwerk, Gastronomie und Gewerbe sowie in der Medizin und in Laboren an fünf Standorten hergestellt: Ochsenhausen (gegr. 1954), Radinovo (Bulgarien gegr. 1999) Lienz (Österreich, gegr. 1980), Kluang (Malaysia, gegr. 2007), Aurangabad (Indien, gegr. 2013, Produktion ab 2018). Koordiniert werden alle Aktivitäten des Produktsegments von der Liebherr-Hausgeräte GmbH in Ochsenhausen (Deutschland). In Lienz werden jährlich rund 300 000 und in Ochsenhausen etwa 827 000 Geräte hergestellt. Die Produktion in Radinovo wurde von anfangs 14 000 Kühlgeräten jährlich auf rund 868 000 gesteigert.

#Hotels

Wie Liebherr zum Betreiber von sechs Hotels der gehobenen Kategorie wurde, ist abermals dem Pragmatismus von Hans Liebherr geschuldet. Denn als dieser 1958 im irischen Killarney eine Produktionsstätte eröffnet, fehlt es in der Region an Unterkünften für Besucher. Er lässt zunächst ein Gästehaus bauen. Einige Zeit später erwirbt der Unternehmer ein Grundstück direkt am See. Anstelle des ursprünglich geplanten Werksgebäudes errichtet er auf dem idyllisch gelegenen Land sein erstes Hotel, das »The Europe«. Damit schafft er die Basis für ein neues Produktsegment – die Liebherr-Hotels. Binnen weniger Jahre eröffnen zwei weitere Hotels in der irischen Grafschaft Kerry: das »Dunloe« und das »Ard na Sidhe Country House«. Auch in Österreich entstehen in den 1980er-Jahren zwei luxuriöse Hotels: das »Löwen Hotel Montafon« in Schruns (Vorarlberg) und das »Interalpen-Hotel Tyrol«. Mit dem »Hotel Falken« in der Altstadt von Memmingen betreibt die Firmengruppe heute sechs Hotels der gehobenen Kategorie. Alle übergeordneten
Aktivitäten in diesem Segment werden zentral von der Liebherr-Hotels AG in Bulle (Schweiz) koordiniert.

Ein Vermächtnis, das lange nachhallt

Am 7. Oktober 1993 verstarb Firmengründer und Vordenker Hans Liebherr im Alter von 78 Jahren. Bis zuletzt trug er die unternehmerische Gesamtverantwortung für die Firmengruppe. Unermüdlich, bodenständig und Zeit seines Lebens bescheiden ist er bei allem, was er tat, nach eigener Aussage »nie ein Risiko eingegangen. Ich habe immer nur so weit disponiert, wie mein Arm reicht«. Er hatte allerdings auch kein Problem damit, Verantwortung abzugeben: »Immer, wenn ich ein neues Werk gebaut habe, habe ich ihm auch eine neue Führung mitgegeben. Ich will nicht, dass ein Werk von oben geführt wird«, so der Unternehmer. Diese Entscheidung hat dazu geführt, dass die familiengeführte Firmengruppe Liebherr heute einer der größten Baumaschinenhersteller der Welt ist.

»Mein Leben hat mich in der Auffassung bestärkt, dass man mit dem festen Willen, gute Arbeit zu leisten und die unterschiedlichen Kundenwünsche nach Kräften zu erfüllen, auch Ziele erreichen kann, die zunächst fast unvorstellbar erscheinen. Von Rückschlägen darf man sich nicht gleich entmutigen lassen, der Glaube kann Berge versetzen«, sagte Hans Liebherr noch im Jahr 1993. Nach seinem Tod übernehmen drei seiner fünf Kinder die Leitung. Bis heute sind alle Gesellschafter Familienmitglieder – und dies mittlerweile in der dritten Generation. Die Liebherr-International AG mit Sitz in Bulle (Schweiz) ist seit 1983 die zentrale Dachgesellschaft der Firmengruppe, die aus den vorgestellten 13 selbstständig operierenden Unternehmens­einheiten und Produktsparten besteht.

[230]
Socials

AKTUELL & SCHNELL INFORMIERT