Hitachi Construction Machinery (Europe) NV Auf den Punkt gebracht

Lesedauer: min | Bildquelle: Hitachi
Von: Thomas Seibold

Als erster Nicht-Japaner überhaupt hat Francesco Quaranta zum 1. April 2024 seine Position als Präsident und CEO von Hitachi Construction Machinery (Europe), kurz HCME, angetreten. Mitgebracht hat er mehr als 20 Jahre internationale Erfahrung im Maschinensektor: Quaranta hatte Führungspositionen in den Bereichen Supply Chain und Marketing bei CNH Industrial und bei der Agco Corporation inne. Dort verantwortete er u. a. den Vertrieb und das Marketing sowie die Einführung neuer Hightech-Content-Produkte bis hin zu globalen Ersatzteilen und Service. Auf der Bauma stand Quaranta der bau­MAGAZIN-Redaktion für ein exklusives Interview zur Verfügung: ein Rückblick auf ein Jahr im Amt sowie ein spezieller Blick auf die Baubranche an sich.

bauMAGAZIN: Herr Quaranta, Sie sind nun ein Jahr im Amt und können das zufälliger- und passenderweise auch gleich auf der weltgrößten Baufachmesse überhaupt feiern. Wenn Sie sich die Baubranche in Bezug auf technologische Entwicklungen ansehen, knallen da bei Ihnen die Sektkorken?

Francesco Quaranta: (lacht) Erfolge in diesem Bereich gibt es natürlich immer wieder zu feiern. Ich sehe aber generell, dass diese Branche bei der Übernahme von Technologie leider sehr langsam vorgeht. Das ist eine große Herausforderung sowohl für die Hersteller als auch für die Kunden. Im Vergleich zu anderen Industrien, in denen ich tätig war, schreitet der technologische Fortschritt dort deutlich schneller voran. In der Baubranche hingegen scheint man sich bewusst dazu zu entscheiden, klein zu bleiben, anstatt sich für neue Technologien zu öffnen – selbst wenn diese direkt aus der Branche selbst kommen. Das ist für mich schwer nachzuvollziehen.

bauMAGAZIN: Wir befinden uns gerade am Messestand von HCME auf der Bauma und sind umgeben von der aktuell modernsten Technologie für die Baubranche – am Angebot scheint es nicht zu mangeln. Dann muss doch es an der Haltung der Kunden liegen?

Quaranta: Ja, zum Teil. Viele Kunden sind in ihrer Denkweise sehr traditionell, und das ist ein Teil des Problems. Wir klagen ständig über den Mangel an Fachkräften, tun aber gleichzeitig nichts, um junge Menschen für unsere Branche zu begeistern. Das ist ein Widerspruch. Statt zu klagen, sollten wir die Branche attraktiver machen – auch technologisch. Wir denken viel zu sehr in klassischen Komponenten wie Hydraulik, Leitungen oder Kupplungen – für mich sind das Selbstverständlichkeiten. Was wir brauchen, ist ein radikaler Wandel in der Denkweise: Der Fokus muss auf der Bedienung liegen – also auf dem Kunden. Wie kann man Maschinen einfacher, intuitiver und zugänglicher gestalten?

Mit dem Konzeptbagger »Landcros One« wurde aufgezeigt, wie der Bagger der Zukunft aussehen kann.

bauMAGAZIN: Was schlagen Sie vor?

Quaranta: Ich denke, wir sollten pragmatisch mit dem umgehen, was verfügbar ist. Die Diskussion wird zudem oft von sozialen Medien beeinflusst, nicht von der Realität auf der Baustelle. Nehmen wir als Beispiel das Thema alternative Antriebe. Benötigt wird die richtige Energie für die richtige Anwendung. Für manche Einsatzbereiche, etwa in Häfen, kann Wasserstoff sinnvoll sein. Elektrische Antriebskonzepte haben ebenfalls ihre Daseinsberechtigung und eignen sich ideal für bestimmte Einsatzbereiche – insbesondere, wenn es um die Emission von Abgasen und Lärm geht. Beispielsweise benötigt niemand acht Stunden Batterielaufzeit bei einem Bagger, der in der Praxis oft nur zu 45 bis 55 Prozent genutzt wird.

bauMAGAZIN: Also kommt es nicht nur auf die Reichweite, sondern die intelligentere Nutzung an – wie kann das in der Praxis aussehen?

Quaranta: Nehmen wir als Beispiel Norwegen, wo HCME sehr aktiv und erfolgreich ist: Dort wurde die Infrastruktur auf den Baustellen verbessert – es gibt Stromanschlüsse direkt vor Ort. Statt riesiger Stromspeicher in Baumaschinen genügt dort eine vernünftige Plug-in-Lösung mit einer kompakten Batterie. So kann effizient gearbeitet werden, ohne Energie zu verschwenden. Unsere Erfahrung aus Skandinavien zeigt, dass solche Lösungen funktionieren – wenn man bereit ist, umzudenken.

bauMAGAZIN: Welchen Rat geben Sie Ihren Kunden in diesen Zeiten des Wandels?

Quaranta: Offenheit ist entscheidend. Aus diesem Grund beraten wir unsere Kunden individuell. Angesichts der vielen neuen Technologien ist Miete ein guter erster Schritt: Kunden können diese dort in aller Ruhe ausprobieren, testen sowie evaluieren – und dann entscheiden, ob sich die Investition lohnt. Genau solche Lösungen bieten wir an.

Der »Landcros One« bietet neben seinem innovativen Design eine modulare Kabine mit intuitiver Ergonomie, um die nächste Generation von Arbeitskräften durch spielerische Bedienung und KI-gestützte Schnittstellen anzusprechen – »einfach, intuitiv wie ein Smartphone«, so Quaranta.

bauMAGAZIN: Gibt es große Unterschiede zwischen den europäischen Märkten?

Quaranta: Europa stellt sich für HCME nicht als einheitlicher Markt dar und das ist auch gut so. Frankreich, Deutschland, Polen, Italien – jedes Land hat seine eigenen Gewohnheiten. Das wird sich auch nicht vollständig ändern. Aber gute Beispiele und erfolgreiche Projekte sprechen sich in der Branche herum und setzen sich durch. Und wenn der Nutzen deutlich spürbar ist, erfolgt die Adaption schnell – auch wenn sie anfangs schleppend wirkt.

bauMAGAZIN: In Deutschland arbeiten Sie eng mit ­Kiesel zusammen. Welche Rolle spielt dieser Partner für HCME?

Quaranta: Kiesel ist ein Vorzeigepartner in Europa, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Polen und Österreich. Das Coreum ist ein Paradebeispiel dafür, wie Innovation in die Breite getragen werden kann – nicht nur aus Maschinensicht, sondern als ganzheitliches Konzept. Die Zusammenarbeit mit Kiesel ist Best Practice. Und trotzdem bedienen sie ihre Kunden auf Basis einer über 65-jährigen Erfahrung in der Baubranche weiterhin sehr traditionell im besten Sinne – das ist der Schlüssel.


bauMAGAZIN: Was muss sich ändern, um junge Menschen für Baumaschinen zu begeistern?

Quaranta: Aus der Branche höre ich immer: »Wir brauchen junge, qualifizierte Bediener« – aber wir tun nichts dafür, ihnen den Einstieg leicht zu machen. Die Wahrheit ist: Die Maschinen sind nicht attraktiv genug. Wenn sie so einfach zu bedienen wären wie ein Videospiel, würden sich junge Menschen viel eher dafür begeistern. Unser Konzept »Landcros One« ist unsere Vision davon, wie so etwas aussehen kann: einfach, intuitiv wie ein Smartphone. Der Vergleich ist mit Absicht gewählt, denken Sie nur an Blackberry – ein Riese, der von der Bildfläche verschwand, als die Touchscreens kamen. Dasselbe passiert hier gerade.

bauMAGAZIN: Und wie steht es um den deutschen Markt, insbesondere im Hinblick auf Investitionen?

Quaranta: Der Markt braucht vor allem eines: Stabilität. Und selbst wenn es Änderungen gibt, sollten diese stets als verlässliche Verbesserungen wahrgenommen werden. Nur das schafft Vertrauen. Wie bereits angesprochen, arbeitet HCME eng mit der norwegischen Regierung zusammen und unterstützt dort Pilotprojekte zur Elektrifizierung. Damit gehen wir den Wandel aktiv an und machen ihn im buchstäblichen Sinne »begreifbar«. Wenn ich dann allerdings höre, jemand braucht acht Batterien in einer Maschine, sage ich: Dann hat er das Konzept nicht verstanden.

bauMAGAZIN: Ein Jahr im Amt – wie fällt Ihre persönliche Bilanz aus?

Quaranta: Ich bin der erste Nicht-Japaner in dieser Position – das ist ein bedeutender Schritt für Hitachi – und sehr dankbar für das Vertrauen. Die japanische Kultur ist geprägt von Verlässlichkeit und Ehre – und wenn sie sich für eine Vision entscheiden, dann ziehen sie sie auch durch. Das ist nicht nur für mich persönlich sehr inspirierend. Hitachi ist bereit, gemeinsam mit den Kunden die Zukunft zu gestalten, und ich setze mich mit aller Kraft dafür ein.s

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