»Eine Sicherheitstechnik implementieren, damit der Kranfahrer keinen Fehler mehr machen kann«

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bauMAGAZIN: Wolffkran gilt auch heute noch als »Ideenschmiede« unter den Turmdrehkran-Herstellern. Mit welchen Neu- und Weiterentwicklungen wartet Wolffkran in diesem Jahr auf?


Dr. Peter Schiefer: Auf der Baumaschinenmesse in Bern haben wir jetzt einen ganz neuen Kran gezeigt, den WOLFF 5014. Das ist ein kleiner City Kran, den wir hinsichtlich Montage und Demontage noch einmal optimiert haben. Und es gibt eine enorme Nachfrage nach unseren großen Kranen. Wir produzieren momentan unsere großen Wipper WOLFF 630 B und WOLFF 700 B wie beim Brezelbacken. Aber wir wollen nicht nur eine Nische im Großkranbereich besetzen. Sondern wir wollen als Wolffkran die Kranwelt über die gesamte Bandbreite bedienen können, vom kleinsten bis zum größten serienmäßig hergestellten Kran. Konkret ist geplant, zum Jahresende einen weiteren neuen Kran zu präsentieren, und auch für das kommende Jahr haben wir schon neue Krane in petto. Mit denen wollen wir dann unser Portfolio im mittleren Kranbereich ausbauen und damit Lücken schließen.


bauMAGAZIN: Der gegenwärtige Bautrend erfordert auf der einen Seite Technologien, die es ermöglichen, große und schwere Fertigteile umzusetzen. Andererseits sollen Krane auf engstem Raum innerstädtisches Bauen rationalisieren. Bleibt Wolffkran bei seinem bewährten modularen System?


Schiefer: Wir schauen permanent, wie wir unser modulares System ergänzen und komplettieren, da es für Flexibilität und Wirtschaftlichkeit auf der Baustelle steht. Vor einiger Zeit haben wir das 23er-Turmsystem eingeführt, was extrem gut ankommt. Es ist in einigen Bereichen sogar fast so stark wie unser 29er-System. Aber es hat den Riesenvorteil, dass es mit 2,3 m Außenmaß komplett in den Container passt. Grundsätzlich stehen wir heute als Kranhersteller vor der Herausforderung, dass auf den Baustellen immer größere und schwerere Teile gehoben werden müssen. Und damit gibt es immer höhere Lastanforderungen an die Krane. Doch die Krane müssen trotzdem ganz filigran bleiben, obwohl sie immer größer werden und immer mehr leisten müssen. Denn wenn man zu viel Eisen im Kran verbaut, wird er zu teuer und ist auch auf der Baustelle nicht mehr handlebar. Die Gewichte wären einfach zu groß und zu schwer für die Montage oder Demontage. Sogar unsere großen Wippkrane beispielsweise sind so konstruiert, dass die Einzelgewichte extrem niedrig gehalten werden können und man diese somit vernünftig transportieren und montieren kann. Der Schlüssel dafür ist übrigens nicht nur die Stahlqualität. Es sind vielmehr die neuen hochmodernen Konstruktions- und Simulationsverfahren, die uns das ermöglichen. Dabei haben wir bei den Sicherheitsaufschlägen und -zuschlägen, mit welchen wir serienmäßig all unsere Krane ausstatten, selbstverständlich keine Kompromisse gemacht.


bauMAGAZIN: Ist es denn denkbar, dass in Zukunft andere Materialien als Stahl beim Kranbau verwendet werden?


Schiefer: Wir haben schon in diese Richtung experimentiert…


bauMAGAZIN: Welche Werkstoffe wurden dafür verwendet?


Schiefer: Dabei handelte es sich im weitesten Sinne um Kunststoff. Aber das ist noch in einem ganz frühen Stadium. Aber natürlich beschäftigen wir uns damit.


bauMAGAZIN: Energieeffizientes Arbeiten und hohe Sicherheitsstandards bestimmen den Baustellenalltag. Wie hat sich Wolffkran auf die steigenden Anforderungen an die Krantechnik eingestellt?


Schiefer: Die Weiterentwicklung im elektronischen Bereich hat hinsichtlich der Sicherheitsstandards für uns eine ganz große Bedeutung. Unser Hauptanliegen ist es, den »menschlichen Unsicherheitsfaktor« zu beseitigen. Wie fragen uns immer: Wie können wir eine Sicherheitstechnik implementieren, damit der Kranfahrer eigentlich keinen Fehler mehr machen kann. Und da ist die Entwicklung noch lange nicht zu Ende. So haben wir als Standard in alle Krane beispielsweise eine komplette Eingangsüberwachung des Stroms eingebaut. Steht der nicht in ausreichender Qualität zur Verfügung, schaltet der Kran automatisch in einen Sicherheitsmodus und dann ab. Damit haben wir übrigens auch unsere komplette Mietflotte nachgerüstet. Das ist nur ein kleines Beispiel dafür, dass ein Bauteil, das gerade einmal 20 Euro kostet, einen riesigen Sicherheitsvorteil bietet. Oder nehmen wir die dreidimensionale Überwachung von Lasten. Auch das wird künftig ein Thema sein bei der elektronischen Weiterentwicklung.


bauMAGAZIN: Wäre es Ihrer Meinung nach vernünftig, dass man Krane künftig nur inklusive eines Kranfahrers mieten kann, um so die Sicherheit und die Produktivität zu optimieren?


Schiefer: Wir würden uns diesem Ansatz sofort stellen. Im Gegensatz zu Deutschland ist dies in anderen Ländern, wie beispielsweise England, Russland oder Polen, gang und gäbe. Aber auch in Dubai oder in Kanada mietet man einen Kran samt Fahrer. Teilweise stellen die Vermietfirmen sogar das Personal, das die Lasten anhängt bzw. wieder abnimmt. Denn die Baufirmen wollen eine ganz klare Abgrenzung bezüglich der Haftung haben.bauMAGAZIN: Und warum ist das in Deutschland nicht üblich?


Schiefer: Der Hauptgrund dafür ist, so glaube ich, dass in der deutschen Bauwirtschaft Mitarbeiter beschäftigt sind, die das entsprechende Know-how haben. Oder einfacher ausgedrückt: Die Maschinenführer in einem Bauunternehmen haben einfach eine viel bessere Ausbildung und bieten dadurch auch eine viel bessere Qualität. Wenn das mal nicht mehr der Fall sein sollte, dann kann das unter Umständen auch in Deutschland anders ausschauen.


bauMAGAZIN: Sie bezeichnen Deutschland, die Schweiz, Österreich sowie Belgien, die Niederlande und Skandinavien als Heimmärkte für Ihr Unternehmen. Wie haben sich diese Märkte in den vergangenen Jahren entwickelt und welche Rolle spielt dabei das Mietgeschäft?


Schiefer: Deutschland, die Schweiz, Österreich und Belgien haben sich extrem gut entwickelt. Der Markt in den Niederlanden ist relativ tot und Skandinavien ist ein interessanter, aber sehr schwieriger, weil geschlossener Markt. Das Mietgeschäft hat für uns einen ganz zentralen Stellenwert. Es ist nicht nur ein Türöffner für den Kranverkauf, sondern eines unserer Hauptstandbeine. Deshalb wollen wir das Mietgeschäft auch weiter ausbauen. Wenn ich unsere Mietflotte noch schneller aufbauen könnte, würde ich das sofort machen…


bauMAGAZIN: …und was hindert Sie?


Schiefer: Zum einen sind unsere Fertigungskapazitäten derzeit komplett ausgelastet. Wir produzieren wie die Wilden. Anderseits muss das natürlich auch alles finanziert werden.


bauMAGAZIN: Wie groß ist der Anteil der Miete beim Umsatz?


Schiefer: Auf die Gesamtgruppe gesehen macht das Mietgeschäft rund 25 bis 33 % aus. In den gerade erwähnten Märkten sind es rund 50 %.


bauMAGAZIN: Wie hoch ist der Umsatz der Wolffkran-Gruppe?


Schiefer: Wir werden in diesem Jahr mit insgesamt gut 500 Mitarbeitern einen Umsatz erwirtschaften, der deutlich über der Marke von 100 Mio. Euro liegen wird, die wir im vergangenen Jahr knapp verpasst haben.


bauMAGAZIN: Und können bzw. wollen Sie diesen Wachstumskurs in den kommenden Jahren fortsetzen?


Schiefer: Mit unseren technischen Kapazitäten könnten wir unsere Produktion verdoppeln. Allerdings bräuchte man dann auch zusätzliche Mitarbeiter mit dem entsprechenden Know-how. Aber die Frage ist eigentlich eine ganz andere: In welchem Tempo wollen wir wachsen, welches Risiko wollen wir dabei eingehen? Ich bin jetzt seit neun Jahren bei Wolffkran, und ich habe den Zyklus schon einmal erlebt, dass der Markt 2006, 2007 irrsinnig nach oben geschossen und dann jäh abgestürzt ist. Auf so einen Absturz muss man einfach vorbereitet sein. Wir haben in den vergangenen Jahren so viel in Systeme und Strukturen investiert, dass wir als Unternehmen um 50 oder 60 % zulegen könnten. Das ist nicht das Problem. Die Frage ist nur: In welchem Tempo und mit welchem Risiko? Ein Element ist dabei die Mietflotte. Wir könnten bei dieser heute mit 50 Prozent mehr Krane operieren, aber dann würden wir ein enormes finanzielles Risiko eingehen. Deshalb sollte man die Mietflotte nur Schritt für Schritt erweitern. Andererseits gibt es Bereiche, in denen wir mit geringerem Risiko expandieren können. Wolffkran ist beispielsweise noch nicht in allen Märkten vertreten, in denen wir meiner Ansicht nach sein sollten. So sind wir in den USA noch nicht wieder richtig zurück. Auf der Conexpo haben wir deshalb jetzt unsere Rückkehr auf den US-Markt bekannt gegeben. Auch in Russland wollen wir künftig stärker präsent sein. Wir werden dort also unsere Vertriebsaktivitäten ausbauen. Und als zweiter Schritt stellt sich dann irgendwann unter Umständen die Frage, ob man dort nicht auch lokal produzieren sollte. In Russland werden wir mit Partnern zusammenarbeiten, in den USA streben wir eine eigenständige Wolffkran-Organisation an.


bauMAGAZIN: Wie haben sich die Märkte im Mittleren Osten für Wolffkran entwickelt. Vor einigen Jahren haben Sie große Hoffnungen in Abu Dhabi oder Dubai gesetzt…


Schiefer: In der Tat hatten wir die Hoffnung, dass Abu Dhabi sich ähnlich entwickelt wie damals Dubai. Fakt ist: Abu Dhabi ist überhaupt nicht in die Puschen gekommen…


bauMAGAZIN: …und Dubai ging bankrott.


Schiefer: Stimmt, aber Dubai ist wieder da. Die Bauleistung in Dubai ist wieder so hoch, dass unsere separate Mietflotte, die wir in einem Joint Venture in Dubai unterhalten, Rekordauslastung fährt. In Dubai gibt es wieder eine enorme Dynamik, das Emirat entwickelt sich zu der Dreh- und Schaltzentrale im Mittleren Osten. Der andere große Markt für uns in dieser Region ist Saudi Arabien, der jedoch seine ganz eigenen Gesetze hat. Dort gibt es enorm große Projekte, wie in Mekka oder in Jeddah.


bauMAGAZIN: Auf welche Bauprojekte, an denen Wolffkran beteiligt war, sind Sie besonders stolz?


Schiefer: Da möchte ich spontan den Prime Tower in Zürich nennen oder die Staumauer des Lac d’Émosson in der Westschweiz, eine sehr schwierige und kom­plizierte Baustelle in knapp 2 000 m Höhe. Oder in Deutschland den Tower 185 in Frankfurt, ein tolles Projekt. In London ist es derzeit die London Bridge. Und stolz sind wir auch darauf, dass wir bei den Neubauten rund um die Kaaba in Mekka dabei sein dürfen.


bauMAGAZIN: Eigentlich müssten Sie sich dann auch darum bemühen, in den USA auf spektakulären oder sehr pres­tige­trächtigen Gebäuden vertreten sein, um so auf Ihre neue Präsenz in den USA aufmerksam zu machen…


Schiefer: Schauen wir mal. Wir können gern darüber reden, wenn die Verträge unter Dach und Fach sind.


bauMAGAZIN: Sie haben 2005 zusammen mit Ihrem damaligem Partner Dr. Hans-Peter Koller das Unternehmen Wolffkran in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage übernommen. Was sind die Gründe für die positive Entwicklung des Unternehmens oder hatten Sie einfach nur Glück?


Schiefer: Ich sage es ganz offen: Wenn man mich 2005 gefragt hätte, ob so eine Entwicklung möglich wäre, hätte ich »Nein« gesagt. Wir hatten damals einen Umsatz von gut 30 Mio. Euro und unser Plan war es, diesen innerhalb von fünf Jahren auf 35 bis 36 Mio. Euro zu erhöhen. Das hat sich dann ganz anders entwickelt. Aber kalkuliert und absehbar, das war es nicht für uns.


bauMAGAZIN: Was waren dann die ­entscheidenden Faktoren dafür, dass Wolffkran sich so positiv entwickelt hat?


Schiefer: Die Produktbasis von Wolffkran war komplett intakt. Die Belegschaft war super erfahren und es gab eine extrem hohe Identifikation mit dem Unternehmen. Auch die Reputation von Wolffkran bei den Kunden war trotz aller Widrigkeiten nicht beschädigt worden. Insofern habe ich vor allem auf die Bedürfnisse des Marktes reagiert, und zwar sehr schnell und flexibel. So haben wir Ende 2005 entschieden die Produktion zu verdoppeln, weil die Nachfrage so hoch war. Dafür haben wir aber nicht zuerst zehn Businesspläne geschrieben und 15 Mal abgestimmt. Sondern wir waren der Meinung, das geht, und dann haben wir es gemacht. Diese Flexibilität, diese Schnelligkeit und die absolute Kundenorientierung, die uns auch noch heute auszeichnet, das alles hat uns so nach vorne gebracht. Bei uns weiß jeder Kunde, wenn irgendetwas nicht funktioniert, dann steht die ganze Firma sofort parat, mich eingeschlossen.


bauMAGAZIN: Und wo sehen Sie Wolffkran im Wettbewerb positioniert?


Schiefer: Die Gelben lieben uns heiß und innig. Aber Spaß beiseite. Ich denke, wir sind für Liebherr ein ernst zu nehmender, großer Wettbewerber in den deutschsprachigen Märkten geworden. 2005 gehörte Wolffkran im Ranking noch in die Kategorie »unter ferner liefen«. Heute würden wir uns selbstbewusst unter den drei Herstellern einordnen, die weltweit führend sind. Von der Größenordnung her sicherlich noch ein gutes Stück hinter einem Liebherr oder einem Potain – aber das kann ja noch werden.

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