Mit einem Werk in Malaysia, der Beteiligung an Jekko und Investitionen in neue Anlagen weiter auf Wachstumskurs

Lesedauer: min

Von Michael Wulf

Dass die Eröffnung eines Produktionswerks in Malaysia so etwas wie ein Tabubruch darstellt und der Firmenphilosophie widerspricht, mit einer extrem hohen Fertigungstiefe in sechs eng vernetzten Standorten eine außergewöhnlich hohe Produktqualität zu garantieren, das ist für den 46-jährigen Giovanni Fassi in keinster Weise der Fall. »Wir gehen nicht deshalb nach Asien, um dort kostengünstiger als in Italien Krane zu produzieren, die dann in Europa verkauft werden sollen«, so Giovanni Fassi im Gespräch mit dem bauMAGAZIN. »Nein, das ist wirklich nicht unsere Intention!« Ziel sei es vielmehr, in Malaysia Krane nur für die asiatischen Märkte zu bauen. Wie den MO50P, der speziell für die Ernte von Kokusnüssen bzw. für den Einsatz in der Palmölindustrie entwickelt worden ist.

»Keiner kann in die Glaskugel schauen und weiß, wie sich welche Märkte in Zukunft entwickeln«, sagte Giovanni Fassi. »Doch ganz klar ist für mich: Der asiatische Markt wird ein Wachstumsmarkt bleiben. In allen asiatischen Ländern ist man offen für neue Lösungen. Wenn wir dort jedoch Erfolg haben wollen, müssen wir nahe an diesen Märkten sein. Denn nur so wissen wir, welche Produkte dort benötigt werden. So gesehen ist der Aufbau eine Kranproduktion in Malaysia, einem der am besten entwickelten Märkte in Asien überhaupt, so etwas wie eine Ergänzung unserer Werke in Italien.« Wobei mittelfristig in Malaysia Krane nicht nur produziert, sondern auch entwickelt werden sollen. »Der erste Mitarbeiter, den wir dort eingestellt haben, war übrigens ein Ingenieur«, so Giovanni Fassi.


Rund 12 000 Ladekrane produziert

Die Werkseröffnung in Malaysia oder die Beteiligung am Minikran-Spezialisten Jekko sind aber nicht die einzigen Investitionen, die von der Fassi-Gruppe in der jüngeren Vergangenheit getätigt wurden. So sind unter anderem gut fünf Millionen Euro in die Werkserweiterung und den Bau einer neuen Lackieranlage beim Tochterunternehmen Ciesse in Campagnola investiert worden, bei dem der komplette Stahlbau der Fassi-Gruppe konzentriert ist. Zu der gehören in Summe sechs Firmen, die an 13 Standorten in der Lombardei und in der Region Emilia-Romagna auf einer Fläche von insgesamt 138 000 m² mit derzeit rund 450 Mitarbeitern im vergangenen Jahr rund 12 000 Ladekrane produziert und weltweit eines Umsatz von 150 Mio. Euro erwirtschaftet haben.

Zudem werden im kommenden Jahr nochmals 5 Mio. Euro in die Anschaffung von zwei vollautomatischen Schweißanlagen investiert, wie Ciesse-Geschäftsführer Alberto Calzolari im Gespräch mit dem bauMAGAZIN erläuterte. »Damit erhöhen wir den Automatisierungsgrad unserer Produktion nochmals nachhaltig«, so der 47-Jährige, dessen heute 74-jährige Vater Lauro Calzolari das Stahlbauunternehmen zusammen mit einem Partner gegründet hat und das 1991 in die Fassi-Gruppe integriert worden ist.

Heute werden bei Ciesse auf einer Fläche von 32 000 m², davon 14 000 m² überdacht, von rund 90 Mitarbeitern für die Fassi-Ladekrane die Ausschübe der Armsysteme sowie Kranabstützungen und separate Zusatzabstützträger produziert und dabei zur Zeit jährlich rund 8 000 t Stahl verarbeitet, davon etwa zu 80 % die SSAB-Marken Weldox 800, 900 und 1 100.

Produktionsprozesse verbessern

»Wir bieten eine extrem hohe Schweißqualität«, so Alberto Calzolari, der die Produktionsprozesse und den Informationsfluss durch den Einsatz von Tablets weiter verbessern will. »Davon versprechen wir uns eine höhere Effizienz und Produktivität.« Das gelte schon heute für die neue Lackieranlage, mit der man jetzt auch eine Zinkgrundierung optional anbieten könne. »Durch diese Anlage erreichen wie eine neue Stufe in der Qualität.«

Qualität ist – neben Innovation, Sicherheit und Kundennähe – auch eines der Schlüsselwörter, die immer wieder fallen, wenn man mit Giovanni Fassi und Silvio Chiapusso (Leiter Kommunikation und PR) über die Unternehmensgruppe spricht. »Es kommt ja nicht von ungefähr, dass schätzungsweise rund 70 % aller unserer seit 1965 produzierten Ladekrane immer noch im Einsatz sind und wir für diese Krane sogar noch Ersatzteile anbieten«, sagt Giovanni Fassi und verweist in diesen Zusammenhang auf den hohen Qualitätsanspruch, der seit Unternehmensgründung höchste Priorität hat. Was auch der Grund sei für die noch heute außerordentlich hohe Fertigungstiefe in der Fassi-Gruppe, die bei rund 90 % liege.


In die Weiterentwicklung investiert

»Für meinen Vater war es in dieser Region von Anfang an schwer, Zulieferer zu finden. Weshalb er gezwungen war, die Komponenten für die Ladekrane selber zu entwickeln und zu produzieren«, so Giovanni Fassi. Sogar die Ventile habe man damals selbst hergestellt. Dabei habe sein Vater immer in die Weiterentwicklung der Produkte investiert – eine Devise, die bis zum heutigen Tag gelte. »Nach wie vor produzieren wir in der Fassi-Gruppe alle zentralen Komponenten selbst. Dementsprechend ist in allen unseren Werken Kompetenz aufgebaut und stetig weiterentwickelt worden.«

Dabei macht Giovanni Fassi folgende »Plus-Minus-Rechnung« auf: Zu den großen Vorteilen diese Art zu produzieren gehöre, dass man nicht von Zulieferern abhängig sei, man schnell und flexibel auf Marktentwicklungen reagieren könne. Auf der Sollseite steht für ihn, dass »die Produktion teurer ist und mehr Investitionen nötigt sind«. Aber, und das ist für Giovanni Fassi das Entscheidende: »Diese Art der Produktion ist hinsichtlich Flexibilität und Qualität die beste, die es unserer Ansicht nach gibt. Also machen wir es so!«

Weshalb es demnächst auch am Stammsitz in Albino zu einer weiteren größeren Investition kommt: Dann sollen die Zentrale mit Verwaltung, Planung, Forschung und Entwicklung sowie Produktions- und Lagerstätten, die derzeit noch an verschiedenen Orten der knapp 20 000 Einwohner zählenden Kleinstadt beheimatet sind, an einem Standort zusammengefasst werden.

Exportanteil bei 97 Prozent

Bei einem Exportanteil von 97 % ist für den nach Palfinger zweitgrößten Ladekranhersteller die Bauwirtschaft mit einem Anteil von rund 90 % der mit Abstand wichtigste Bereich, in den die mehr als 60 Modelle in rund 30 000 möglichen Konfigurationen geliefert werden. Dabei seien in den vergangenen Jahre immer größere, leistungsfähigere und flexibler einsetzbare Krane entwickelt worden, die immer stärker nachgefragt werden, so Silvio Chiapusso. Dementsprechend groß sei beispielsweise auf der Bauma das Interesse am neuen »Flagship-Kran« F2150RAL gewesen, mit einer maximalen hydraulischen Auslegung von bis zu 41 m (mit Jib) und einem Hubmoment von bis zu 136,4 tm der bisher größte Lkw-Ladekran von Fassi.

»Wir sind mit unserem Produktportfolio in der richtigen Spur, betonte denn auch Giovanni Fassi. »Zudem ist es uns gelungen, neue Absatzmärkte zu entwickeln, nachdem es auf vielen europäischen Märkten seit der großen Krise eher stagniert.« So habe die Fassi-Gruppe seit 2010 jedes Jahr ein Umsatzwachstum verzeichnen können. Und das solle auch so bleiben. »Nach 150 Mio. Euro im vergangenen Jahr rechnen wir für 2016 mit einem Umsatz in Höhe von 160 Mio. Euro«, so Giovanni Fassi.


Demo-Truck bringt »weiteren Schub«

Knapp 10 % davon sollen von der deutschen Fassi Ladekran GmbH mit Sitz im hessischen Gründau, etwa 20 km östlich von Hanau gelegen, erwirtschaftet werden, wie Geschäftsführer Wolfgang Feldmann gegenüber dem bauMAGAZIN erläuterte. »Wir erwarten für dieses Jahr einen Umsatz von 14 Mio. Euro nach 12 Mio. Euro im Jahr 2015«, sagte er und verwies in diesem Zusammenhang auf den »phantastischen Bauma-Auftritt« der Fassi-Gruppe. »Wir sind fast überrannt worden.« Neben den neu vorgestellten Fassi-Kranen sowie den Neuheiten der Tochterunternehmen Cranab und Marrel seien auch »Detail­lösungen«, wie die Funkfernsteuerung V7 mit Farbdisplay oder die Webapplikation »Internet of Cranes« (IOC) zur Fernwartung und Diagnose, auf großes Interesses gestoßen.

Auf einen »weiteren Schub« hofft Wolfgang Feldmann, wenn von diesem Sommer an der auf einem Mercedes-Benz-Chassis aufgebaute F545RA xe-dynamic ausgiebig von Kunden getestet werden kann und im September auf der IAA-Nutzfahrzeuge in Hannover weitere Produktneuheiten präsentiert werden. »Unser Demo-Truck ist in dieser Form in Deutschland einmalig und bietet unseren Kunden eine exzellente Testmöglichkeit«, so Wolfgang Feldmann weiter. Für den sich Fassi auch in Deutschland im Kreis der großen Kranhersteller fest etabliert hat und auf einem guten Weg ist. »Bis zum Jahr 2020 wollen wir unsere Marktanteile so erweitern, dass wir dann die ›Nummer zwei‹ sind und den Abstand zur ›Nummer eins‹ weiter verkürzt haben.« Um diese Ziel erreichen zu können, sei es wichtig, die Produktion in Italien wie geplant weiter zu automatisieren. Denn so könnten die Krane, die in Deutschland nachgefragt werden, auch schnell und flexibel produziert werden.

Rot statt gelb

Warum die Grundfarbe der Fassi-Ladekrane Rot ist – exakter gesagt »Verkehrsrot« und im RAL-Farbsystem mit der Nummer 3 020 gelistet –, dafür hat Giovanni Fassi übrigens eine ziemlich einfache Erklärung: »Zu der Zeit, als mein Vater seine ersten Krane baute, waren so gut wie alle Krane gelb. Weshalb er sich sagte: ›Wenn alle gelb sind, dann werden meine sicherlich nicht gelb.‹ Und weil er die Farbe Rot mag, waren seine Krane eben rot. Und dabei ist es geblieben.«    ß

[9]
Socials