Die Nordmineral Recycling GmbH & Co KG stellt seit kurzem Flüssigboden nach dem RSS-Verfahren her – teils unter Verwendung von RC-Baustoffen
Mineralische Recyclingbaustoffe hatten es in der Vergangenheit aus einer ganzen Reihe von Gründen schwer, sich im Markt gegen Primärbaustoffe zu behaupten. Inzwischen dreht sich der Wind, angetrieben vom steigenden Bewusstsein, dass auch Sand und Kies letztlich endliche Ressourcen sind, deren Gewinnung zudem mit unerwünschtem Verbrauch an Flächen einhergeht. Das hat sich in der Neufassung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) niedergeschlagen. Das Gesetz schreibt vor, dass ab dem 1. Januar 2020 mindestens 70% der mineralischen Abfälle wiederverwendet werden müssen – eine Herausforderung gleichermaßen für Abfallerzeuger wie Abfallverwerter. Denn die Mengen an solchen Bauabfällen sind gigantisch. Dies nicht zuletzt deshalb, weil selbst Boden zu Abfall wird, wenn ein Bagger ihn einmal ausgehoben hat, ganz unabhängig davon, ob der Aushub belastet ist oder nicht. Der bisher in großem Umfang genutzte Weg in die Deponie ist versperrt, wegen entgegenstehender rechtlicher Bestimmungen ebenso wie wegen des allerorten immer knapper werdenden Deponievolumens.
Es gilt also, neue Wege zu finden. Einen besonders interessanten stellt die Verwendung mineralischer Bauabfälle für die Produktion von Flüssigboden dar. Die Erwähnung des Begriffes provoziert (noch) relativ oft die Rückfrage „Flüssig … was?“. Kurz gesagt: Flüssigboden ist ein fließfähiger Verfüllstoff bzw. ein zeitweise fließfähiger Verfüllbaustoff. Zur Wiederverfüllung vorgesehenes ausgehobenes Bodenmaterial wird temporär fließfähig gemacht, um es zum Einbau von erdverlegten Bauteilen zu verwenden, ohne dabei einen Fremdkörper mit ungewollten Eigenschaften zu bilden, wie es bisher bei hydraulisch abgebundenen Materialien der Fall ist. Dazu wird ein Gemisch aus Aushubmaterial und Zusatzstoffen (Plastifikator, Beschleuniger, Stabilisatoren), sowie Zugabewasser und gegebenenfalls einem Spezialkalk hergestellt und verfüllt. Das Verfahren ist vom Forschungsinstitut für Flüssigboden Leipzig (FiFB) bzw. dem direkten Vorgänger, Ende der 90er Jahre erfunden und seitdem kontinuierlich weiterentwickelt worden. Seit 2008 haben Auftraggeber den Verfahrensentwickler angeregt, auch ein RAL-Gütezeichen wirksam zu unterstützen. So entstand das RAL Gütezeichen 507 auf der Grundlage der Entwicklung des RSS®-Flüssigbodenverfahrens und hilft heutzutage, wirksam Bauschäden zu vermeiden und das vom FiFB entwickelte neue Verfahren erfolgreich und schadensfrei anzuwenden.
Für die am Dresdner Heller ansässige Nordmineral Recycling GmbH & Co KG, ein Tochterunternehmen der Amand-Unternehmensgruppe, wurde das Verfahren interessant, als sich herausstellte, dass auch Sande als RSS-Flüssigboden mit bodentypischen Eigenschaften verwendet werden können, die beim Recycling von Beton und Ziegeln entstehen. Die Nordmineral Recycling GmbH ist die einzige verbliebene stationäre Großanlage in der Region in und um Dresden, die aus verschiedenen mineralischen Bauabfällen zertifizierte RC-Baustoffe herstellt, und das in nicht geringem Umfang. Dahinter verbirgt sich die Produktion von hochwertigen RC-Splitten aus Beton oder Ziegeln, die bei Abbrucharbeiten zwangsläufig anfallen und die Wiederverwendung von abfallenden Materialien aus dieser Produktion in Form von speziellen Sanden.
Es ergab sich eine Win-Win-Situation: die Flüssigbodenproduktion unter Verwendung der RC-Sande bringt Kostenvorteile mit sich, die Sande müssen nicht entsorgt werden. Dies war nach eingehender Prüfung Grund genug für das Unternehmen, die zurzeit modernste und wirtschaftlichste Technik zur Herstellung von RSS-Flüssigboden anzuschaffen – eine RSS-Kompaktanlage des Typs 5.2. Seit dem Herbst letzten Jahres ist die Anlage produktionsbereit. Eine gleichzeitig geschlossene Kooperationsvereinbarung mit dem Anbieter des RSS Flüssigbodenverfahrens, der Firma PROV GmbH aus Eilenburg, der Leistungen anderer für die erfolgreiche Anwendung des Verfahrens relevanter Fachleute aus dem Bereich der Gütesicherung und des Engineeringes einschließt, sichert die anforderungs- und qualitätsgerechte Herstellung von Flüssigböden für jeden der inzwischen über 170 vom FiFB entwickelten Einsatzfälle. Die Zertifizierung nach RAL-Gütezeichen 507 ist eingeleitet, die Nordmineral Recycling GmbH hat Mitarbeiter umfänglich beim Systementwickler schulen lassen.
Erfahrungen mit der Herstellung von RSS-Flüssigboden und seinem Einbau konnte das Unternehmen bereits 2016 sammeln, als der Fußgängertunnel am Neustädter Markt nach dem Hochwasser im Sommer 2013 in Verbindung mit erforderlichen Sanierungsvorhaben verfüllt werden musste.
Neueste Arbeiten des Verfahrensentwicklers, des FiFB in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Dresden (HTWD) und dem Fachplanungsbüro für Flüssigbodenanwendungen LOGIC GmbH aus Leipzig weisen im Übrigen nach, dass der Einsatz von RSS-Flüssigboden bei entsprechender Vorbereitung und Planung der Ausführung mit Flüssigboden die CO2-Bilanz von Baustellen spürbar verbessert – ein angesichts der gesamtgesellschaftlichen Diskussion einerseits und der erwartbar rasant steigenden Kostenbelastungen durch CO2-basierte Abgaben andererseits brisantes Thema. Beispielhaft haben Wissenschaftler im Rahmen von Untersuchungen auf einer größeren Baustelle in Tübingen, auf der RSS-Flüssigboden zum Einsatz kommt, ermittelt, dass der CO2-Ausstoß durch die Verwendung des RSS-Flüssigbodenverfahrens für den Bau und die betroffenen Vorgänge gleich auf drei sogenannten Wirkebenen (Stoffebene, Technologieebene und Betriebsebene) um etwa 80% gesenkt werden konnte. Beim Einsatz der herkömmliche Bauweisen in Tübingen, hätte der CO2-Ausstoß 930 t betragen. Aufgrund der Flüssigbodentechnologie liegt er nur bei 195 t. Wissenschaftliche Schätzungen gehen heute von einem Potenzial von mehreren Mio. t CO2 aus, deren Entstehung allein in Deutschland mit der Flüssigboden-Bauweise im Tiefbau pro Jahr vermieden werden könnte.
CO2 lässt sich nicht nur durch die Wiederverwendung des örtlich anfallenden Aushubs einsparen. Auch weitere neue technologische Möglichkeiten, die mit dem RSS-Flüssigbodenverfahren verbunden sind (über 170 verschiedene Anwendungen kennt das Verfahren bereits – und laufend kommen neue hinzu) führen zu Energieersparnissen. Wenn beispielsweise keine Wasserhaltung notwendig ist, weil man unter Wasser bauen kann, sinkt der Energieverbrauch und damit auch der der Baustelle zurechenbare CO2-Ausstoß. Der geringere Energieverbrauch spart nebenbei auch Kosten.
Fasst man die vielen Vorteile der Verwendung qualitätsgesicherten, zertifizierten Flüssigbodens zusammen, dann sieht man einen Baustoff und das dazugehörige Verfahren mit seinen vielen Anwendungsmöglichkeiten, dem die Zukunft gehört. Dies zeigt darüber hinaus sehr deutlich, dass Ökonomie, Ökologie und Klimaschutz über intelligente Technologien in Einklang gebracht werden können. Andreas Bechert