»Ein Tieflader ist immer nur so gut wie seine Rampe«

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 Von Michael Wulf

Die generell hohe Fertigungstiefe, die laut Oliver Hartleitner und Markus Kreuzer bei 80 % liegt, hat bei dem von Karl Müller 1929 gegründeten Unternehmen Tradition. »Als Familienunternehmen können wir uns im Wettbewerb nur dann behaupten, wenn wir schnell und flexibel auf Kundenanforderungen reagieren, Sonderlösungen anbieten und innovativ bleiben«, erläutert Karl Müllers Enkel Oliver Hartleitner die Philosophie. »Und das lässt sich nur durch qualifizierte Mitarbeiter realisieren und dadurch, dass wir komplett in Mitteltal fertigen.«

Damit meint der 46-jährige Firmenchef – der seit 2013 zusammen mit seiner Schwester Natascha das Unternehmen in der jetzt dritten Generation als geschäftsführender Gesellschafter leitet –, dass die Karl Müller GmbH & Co. KG Fahrzeugwerk nicht wie mancher Mitbewerber wichtige Komponenten beispielsweise im osteuropäischen Ausland fertigen lässt. »Wir sehen den Stahlbau als eine unserer absoluten Kernkompetenzen an«, sagt Oliver Hartleitner, »und deshalb ist der Stahlbau auch in Mitteltal.« Bis 2001 habe man sogar eigene Achsen gefertigt, die man seitdem von renommierten Zulieferern wie BPW, SAF-Holland oder Gigant beziehe.

Eine andere Kernkompetenz auf Grundlage dieser hohen Fertigungstiefe ist die immense Vielfalt an Fahrzeugvarianten, die Müller Mitteltal im Bereich von 5 t bis 55 t anbietet. Das reicht vom einfachen Pritschen-Anhänger, über Mulden- und Lkw-Kippanhänger, Tandem- und Einachs-Tieflader bis zu fünfachsigen Tieflade-Anhängern und -Aufliegern sowie Spezial- und Sonderfahrzeugen. Diese sind mit immerhin rund 40 % ein wesentlicher Bestandteil der Gesamtproduktion. »Mit unserer Baukastenstruktur sind wir einerseits in der Lage, bis zu einem gewissen Grad standardisierte Fahrzeuge zu produzieren. Andererseits können wir sofort auf Kundenwünsche reagieren und Fahrzeuge maßgeschneidert produzieren«, betont Markus Kreuzer. »Durch diese Aufstellung sind wir enorm flexibel, schnell und schlagkräftig.«


Kundennutzen und Ladungssicherheit

Auch sein Großvater Karl Müller, so Oliver Hartleitner, habe schon früh »großen Wert auf den Kundennutzen gelegt sowie auf eine einfache Bedienbarkeit und so großes Renommee in der Branche erworben.« Das habe zu zahlreichen Innovationen geführt und gehöre ebenfalls zu den Alleinstellungsmerkmalen von Müller Mitteltal. So habe man beim Thema Ladungssicherheit »mit die Nase vorn«, wie beispielsweise die von der Dekra zertifizierte hydropneumatische Sicherung von Absetzbehältern oder der Formschluss durch verstärkte Aufbauten zeige.


Radmulde schnell alleine umrüsten

»Auch waren wir die ersten in der Branche, die es dem Fahrer ermöglicht haben, die Umrüstung der Radmulde alleine vorzunehmen, indem sich aufgrund der eingeschobenen Abdeckungen mit wenigen Handgriffen stabile Plateaus herstellen lassen«, so Markus Kreuzer, der in diesem Zu­sammenhang auf die Rampen-Kompetenz von Müller Mitteltal verweist. »Die Auffahrrampe ist

für uns ein Schlüsselbauteil für einen Anhänger. Dabei müssen unbedingt die Eigenheiten der zu transportierenden Maschine beachtet werden.« Denn schließlich sei es ein Unterschied, ob ein Radlader oder ein Fertiger transportiert werde.

Mit rund 70 % ist die Bauwirtschaft der weitaus größte Bereich, für den Müller Mitteltal Fahrzeuge produziert. Davon wiederum entfallen etwa 30 % auf Fahrzeuge im Bereich bis etwa 14 t, die vornehmlich im Garten- und Landschaftsbau eingesetzt werden – wie der jetzt auf der GaLaBau in Nürnberg ausgestellte Dreiseitenkipper KA-TA-R 11,9 oder der Tieflader ETÜ-TA-R 11,9 sowie der Hakenliftanhänger HL-TA 14,4 mit Palfinger-Hakenlift. Der Entsorgungsbereich, auf dem beim Auftritt auf der IAA-Nutzfahrzeuge in Hannover mit nutzlastoptimierten Fahrzeugen der Schwerpunkt der Präsentation liegen wird (siehe auch Kasten auf Seite 144), ist mit rund 20 % der zweitgrößte Markt für Müller Mitteltal, gefolgt vom Kommunalbereich und von speziellen Anforderungen.

»Nicht auf Lorbeeren ausruhen«

Wachstumschancen sehen Oliver Hartleitner und Markus Kreuzer vor allem im Export, in dem derzeit rund 30 % des Umsatzes erwirtschaftet werden. »Auf dem Inlandsmarkt gibt es einen reinen Verdrängungswettbewerb«, so Markus Kreuzer, »weshalb wir im Ausland, und da vor allem in den Märkten Zentraleuropas, das größte Potenzial für uns sehen.« Dabei mache es sich schon bemerkbar, dass andere Hersteller verstärkt auf den Bereich Bauwirtschaft setzen und für diesen Fahrzeuge anbieten, die sie in dieser Form vor einigen Jahren noch nicht im Portfolio hatten. Weshalb man sich »nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen dürfe«, so Oliver Hartleitner, der deshalb noch einmal auf die hohe Kompetenz im Stahlbau verweist. »Wir sind konstruktiv in der Lage, extrem leichte Fahrzeuge zu bauen. Dadurch erhöht sich die Nutzlast und der Kraftstoffverbrauch wird reduziert.«


Die Familientradition fortführen

Umsatzzahlen wollen Oliver Hartleitner und Markus Kreuzer gleichwohl nicht preisgeben – da sind die Schwarzwälder so verschlossen wie eine Auster. Nur soviel: „Wir haben gerade unsere Produktionsfläche um eine 1 100 m² große Halle erweitert«, so Markus Kreuzer. »Das zeigt: Wir wachsen und wir halten weiterhin am Standort Deutschland fest.« Zumal bei einem Familienunternehmen hinsichtlich Wachstum und Umsatz andere Gepflogenheiten herrschten als in einem Konzern. »Als Familienunternehmen planen wir nicht in Jahren, sondern wir denken in Generationen und setzen uns deshalb langfristige Ziele«, betont Oliver Hartleitner. »Wir wollen ein gesundes Familienunternehmen bleiben, und dabei realistisch sein und nicht nach den Sternen greifen.« Denn schließlich habe man als einer der größten Arbeitgeber in der Schwarzwald-Gemeinde Baiersbronn – die ob ihrer Spitzengastronomie mit mehreren Sterne-Köchen europaweit ein Begriff ist – auch eine Verpflichtung gegenüber den Mitarbeitern, die zum Teil seit Jahrzehnten für Müller Mitteltal arbeiteten. »Wir sind so etwas wie eine große Familie«, sagt Oliver Hartleitner, der zusammen mit seiner Schwester Natascha das Unternehmen im Sinne der Familientradition fortführt. Dabei ist ihm vor allem auch seine 2013 verstorbene Mutter und Seniorchefin Gudrun Hartleitner ein Vorbild. Diese war nicht nur die erste Frau, die 1966 an der Fachhochschule in Konstanz das Staatsexamen in Maschinenbau abgelegt hat. Sondern sie hat bis zu ihrem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2005 zusammen mit ihrem Mann Peter Hartleitner die Entwicklung des Unternehmens nachhaltig geprägt.

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