»Die Nutzlasterweiterung auf 5,5 Tonnen macht unser Flaggschiff Sprinter noch vielfältiger«

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Von Michael Wulf


Es ist nicht selten so, dass Daimler für die Vorstellung eines neuen Fahrzeugs oder neuer Modelle einen Landstrich im Süden Europas als Bühne bevorzugt. Denn dort sind die Temperaturen in der Regel angenehmer als in Deutschland, und auch das Licht und die Farben – in der Provence beispielsweise – sind meist reizvoller als auf der Schwäbischen Alb. Doch für genau diesen Landstrich haben sie sich bei Mercedes-Benz-Vans dieses Mal entschieden, um die Neuigkeiten beim Transporter-Bestseller verkündeten. Denn auf der Alb ist nicht nur die von Angela Merkel so geschätzte »schwäbische Hausfrau« daheim, sondern auch ein großer Teil des Klientels, das in der Regel Sprinter fährt – abgesehen mal von den Paket- und Kurierdiensten oder anderen Logistikern, die eher zu großen Dienstleistungsanbietern gehören. Handwerker, Gewerbetreibende, Bauunternehmen, Kommunen, Feuerwehren, Rettungsdienste oder Busunternehmen also – das ist die bevorzugte Zielgruppe für den Sprinter.

Der stand Ende April in diversen Ausführungen zu Testzwecken bereit für Fachjournalisten aus ganz Europa, damit diese sich bei der Fahrt rund um die 773 m hoch gelegene und im 12. Jahrhundert erbaute Burg Teck einen Eindruck verschaffen konnten von den modifizierten Modellen und neuen Motoren. Dumm nur, dass sich justament an diesen Tagen der Winter zurückmeldete und es ab einer Höhe von rund 400 m schneite. Und zwar nicht zu knapp. Weshalb in einer Sonderschicht alle Testfahrzeuge mit Winterreifen bestückt wurden und manche Testfahrt im wilden Schneetreiben stattfinden musste. Eine Herausforderung, die von den Sprintern in gewohnter Manier gemeistert wurde, sodass Norbert Kunz später im schönstem Marketing-Deutsch feststellte: »Der Sprinter ist und bleibt ein Multitalent, der jeder neuen Aufgabe gewachsen ist.« Und schließlich war der Schnee-Spuk auch nach einem Tag wieder vorbei.


»Ohne zusätzlichen Aufwand«

Das Resümee des Leiters Produktmanagement bezog sich natürlich vor allem auf die neuen Leistungsstufen bei den Motoren und die neue Gewichtsklasse von 5,5 t, »die für Aufbauhersteller-Lösungen ein doppelter Gewinn ist«, wie es Peter Strobach formulierte. Für den Leiter des Aufbauhersteller-Zentrums von Mercedes-Benz vereinfache sich dadurch der Prozess für besonders schwere Ausbauten mit Sonderregelung, und man könne damit künftig auch die Kunden überzeugen, die eine höhere Tonnage und mehr Nutzlast benötigten. Denn bislang seien einige ABH-Modelle – wie Krankenwagen oder Feuerwehr- und Baufahrzeuge – regelmäßig über der maximalen Nutzlast des 5-t-Sprinters gelegen. Die Probleme habe man bislang nur mit einer Sonderfreigabe für Umbauten bis 5,3 t lösen können, so Peter Strobach. Mit der neuen 5,5-t-Variante sei dies nicht mehr nötig. »Die Kunden können ihren Aufbau jetzt ganz regulär in Auftrag geben, ohne zusätzlichen Aufwand.«

 Unsere neue 5,5-t-Variante ist für Aufbauhersteller-Lösungen ein doppelter Gewinn.«

Peter Strobach, Leiter Mercedes-Benz Aufbauhersteller-Zentrum


 


 


 



Änderungen im Vorbau

Erreicht wurde die Auflastung auf 5,5 t durch den »technisch leicht umsetzbaren« Einbau von zusätzlichen Teilen, so Norbert Kunz. Aufgrund der robusten Basiskonstruktion des bisherigen Fünf-Tonners mussten die Ingenieure weder ein neues Fahrgestell noch einen neuen Rahmen entwickeln und nutzten die Möglichkeiten des selbsttragenden Integralrahmens. So beschränkten sich die Änderungen im Rohbau auf den Vorbau. Im Wesentlichen handelt es sich um eine Aussteifung, neu angeschraubte Konsolen der Dämpferbeine, Verstärkungen und zusätzliche Schweißpunkte an den Schließblechen der Rahmenlängsträger.

Für die Anpassung des Fahrwerks an das höhere zulässige Gesamtgewicht wurden Federn, Stoßdämpfer und Stabilisatoren für hohe Gewichte und Beanspruchungen verbaut. Zusammen mit dem höheren zulässigen Gesamtgewicht wachsen auch die zulässigen Achslasten. Die maximal zulässige Vorderachslast des Sprinters klettert von 1 950 kg in der bisherigen verstärkten Ausführung auf jetzt 2 100 kg. Die maximale Hinterachslast steigt von 3 500 kg auf 3 600 kg. Damit biete der Sprinter angemessene Achslastreserven auch bei einer ungleichmäßigen Gewichtsverteilung.

Insgesamt steige die maximale Nutzlast um knapp 0,5 t, und zwar auf eine Tragfähigkeit von bis zu 3,4 t für das Fahrgestell mit Fahrerhaus und auf maximal 2,9 t für den Sprinter als Kastenwagen. »Damit erreicht die Nutzlast speziell des Kastenwagens ein Rekordniveau in dieser Gewichtsklasse«, betonte Norbert Kunz. »Bei dieser Weiterentwicklung haben wir vor allem auf den Teil unserer Kunden gehört, der schwere Lasten transportieren muss und auf entsprechend hohe Tonnage angewiesen ist. Das betrifft beispielsweise die Bauwirtschaft oder Kommunalfahrzeuge. Aber auch bei der Personenbeförderung sind die gewonnenen 500 kg ein echter Gewinn.«

Im Unterschied zu leichten Lkw bietet Mercedes-Benz den Sprinter mit 5,5 t Gesamtgewicht auch als Kastenwagen an, er ist in zahlreichen Längen und Höhen lieferbar. Der Laderaum des Kastenwagens liegt unbeladen nur rund 700 mm über dem Fahrbahnniveau und ist daher zum Be- und Entladen leicht zu erreichen. Gleiches gilt für den werksseitig angebotenen Pritschenwagen. Seine Ladefläche liegt leer nur 1 012 mm über der Fahrbahn. Aufbauer profitieren von einer günstigen Rahmenoberkante von nur 780 mm oberhalb des Fahrbahnniveaus. Damit hebt sich der Sprinter deutlich von Leicht-Lkw, aber auch von anderen Transportern mit herkömmlicher Rahmenbauweise ab.


Vollständig auf Euro 6/VI umgestellt

Mit der Erweiterung der Sprinter-Produktpalette um die Ausführung mit 5,5 t zulässigem Gesamtgewicht überarbeitet Mercedes-Benz auch die Dieselmotoren des Sprinters, der in Europa bereits seit drei Jahren als erster Transporter mit einer kompletten Triebwerkspalette nach Abgasstufe Euro VI angeboten wird. Jetzt stellt Mercedes-Benz Vans das Motorenangebot in Europa vollständig auf Euro 6/VI um. Zum Einsatz kommt dabei die Abgasreinigung mit SCR-Technik und Adblue-Einspritzung. Sie soll eine hocheffiziente Verbrennung mit niedrigem Kraftstoffverbrauch und CO₂-Emissionen sowie saubere Abgase gewährleisten.


Zwei neue Motoren

Gleichzeitig werden die unteren Leistungsstufen der Motorisierung deutlich dynamischer. Eingangsmotorisierung ist jetzt der Vierzylinder OM 651 mit 2,15 l Hubraum und 84 kW (114 PS) sowie 300 Nm Drehmoment. Das bedeutet eine Steigerung von Leistung und Drehmoment gegenüber dem bisherigen Angebot um jeweils rund 20 %. Auch die nächste Leistungsstufe ist mit 105 kW (143 PS) Leistung und 330 Nm Drehmoment in beiden Parametern um rund 10 % deutlich ­kräftiger. Unverändert blieben die leistungsstärkste Ausführung des Vierzylinders mit 120 kW (163 PS) sowie der V6 CDI mit 3 l Hubraum und 140 kW (190 PS) sowie 440 Nm Drehmoment.


Antriebsstrang aus einer Hand

Ob Motor, Getriebe oder die angetriebene Hinterachse, alle Komponenten des Antriebsstrangs kommen aus einer Hand und »sind perfekt aufeinander abgestimmt«, so Norbert Kunz. Im Rahmen dieser Änderungen entfällt beim Sprinter die Bezeichnung BlueTEC für die Dieselmotoren nach Abgasstufe Euro 6/VI – alle Dieselmotoren tragen jetzt das bekannte Kürzel CDI.

Die Kraftübertragung auf die angetriebene Hinterachse übernimmt serienmäßig das Sechsgang-Schaltgetriebe Eco Gear. Optional findet das Wandler-Automatikgetriebe 7G-Tronic Plus Verwendung. Die neue Modellvariante ist generell als Solofahrzeug ausgelegt. In Verbindung mit einem Retarder sind Gesamtzuggewichte bis 8 t möglich. In der Ausführung Sprinter 519 CDI sind – analog zum Modell mit 5 t Gesamtgewicht – nach einem Umbau zur Sattelzugmaschine Gesamtzuggewichte bis 8,75 t zulassungsfähig. Einen Allrad-Antrieb gibt es für die neue Sprinter-Variante mit 5,5 t nicht. Dafür werden alle Sprinter-Modelle von 2017 an serienmäßig mit dem Seitenwindassistenten ausgerüstet.

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