8,6 Milliarden Euro Umsatz wäre Rekord und das Ziel lautet: Präsenz in den Schwellenländern ausbauen

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»Wir sind mit dieser Entwicklung sehr zufrieden«, sagte Böhm, der zudem ankündigte, dass der Gewinn laut Prognose auf rund 500 Mio. Euro steigen wird (Vorjahr 494 Mio. Euro). Bekannt wurde in Bischofshofen auch, dass Liebherr seine Radlader im Großgerätebereich (L 550 bis L 580) mit der neuen Motorentechnologie gemäß den Emissionrichtlinien der Stufe Tier IV interim/Stufe IIIB »von Mitte kommen­den Jahres an fließend einführen wird«, so Johann Stickler und Martin Gschwend, Geschäftsführer der Liebherr-Werk Bischofshofen GmbH, bei der Weltpremiere der neuen Radlader-Generation. Um am Wachstum der Märkte in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) stärker partizipieren zu können, hat Liebherr außerdem speziell auf deren Bedürfnisse abgestimmte Radlader-Maschinenkonzepte entwickelt – wie den am chinesischen Liebherr-Standort Dalian gebauten 3,5 m³ Radlader L 556 II. »Wir werden in Zukunft eine komplette eigene Produktpalette anbieten«, sagte Gschwend. »Dabei handelt es sich um robuste Standard-Radlader mit der gewohnten Leistungs­fähigkeit und geringen Betriebskosten, die auf dem Niveau der regional geforderten Abgasstufen zu marktgerechten Preisen angeboten werden.«

 

Einen überdurchschnittlichen Anteil am Umsatzplus in 2011 wird laut Winfried Böhm der Baumaschinenbereich haben, obwohl sich das Wachstum der Weltwirtschaft in diesem Jahr generell leicht abgeschwächt habe und zahlreiche Länder ihre Wachstumsprognosen deutlich gesenkt hätten. »Wir gehen bei den Baumaschinen von einem Umsatzzuwachs von etwa 16 % oder rund 750 Mio. Euro auf fast 5,5 Mrd. Euro aus«, sagte Böhm, der darauf verwies, dass die Verkaufserlöse der Sparten außerhalb des Baumaschinenbereiches um rund neun Prozent oder 267 Mio. Euro auf 3,109 Mrd. Euro (Vorjahr 2,842 Mrd.) steigen werden.

 

Der Zuwachs im Bereich der Baumaschinen sei allerdings, sagte Böhm, ausschließlich auf die Sparten Erdbewegung und Mining sowie Baukrane und Mischtechnik zurückzuführen. So werde man im Bereich Erdbewegung und Mining aller Voraussicht nach eine Umsatzsteigerung um etwa 26 % oder 637 Mio. Euro auf etwas mehr als drei Milliarden Euro realisieren. Im Bereich Baukrane und Mischtechnik gehe man von einer Zunahme der Umsatzerlöse um rund 25 % oder 128 Mio. Euro auf rund 648 Mio. Euro aus. Eine »Seitwärtsbewegung« hingegen verzeichne man in der Sparte Fahrzeugkrane, die fast 1,8 Mrd. Euro erwirtschaften werde. »Damit bewegen wir uns aber immer noch auf seinem hohen Niveau«, so Böhm.

700 Mio. Euro investiert

Böhm betonte zudem, dass man in den Industrieländern mit einer längeren Phase des »moderaten Wachstums« rechne und diese Entwicklung durch die weiterhin starken Schwellenländer gestützt werde. »2011 hat sich Russland für die Liebherr-Gruppe zum zweitgrößten Absatzmarkt nach Deutschland entwickelt«, sagte Böhm. »Das zeigt, wie dynamisch die Schwellenländer weiter wachsen.« Dementsprechend gezielt hat Liebherr auch seine ­Investitionsmittel von rund 700 Mio. Euro in diesem Jahr eingesetzt und den weltweiten Fertigungsverbund modernisiert und ausgebaut. So wurde unter anderem Mitte des Jahres das neue Werk für Erdbewegungsgeräte und deren Komponenten sowie für Turmdrehkrane und Luftfahrtausrüstungen im russischen Nizhny Novgorod eröffnet. Im Bau befinden sich derzeit noch die Produktionsstätte für Fahrmischer und Mischanlagen im indischen Pune. Fertiggestellt und bereits in Betrieb genommen worden ist in Rostock auf einer Fläche von 100000 m² eine neue Stahlbauhalle für Schiffs- und Offshorekrane. Zudem wurde die Vertriebs- und Serviceorganisation weiter gestärkt. Nicht zuletzt durch diese Investitionen wird die Zahl der Mitarbeiter in der Firmengruppe Liebherr bis zum Ende des Jahres um mehr als 2100 auf dann insgesamt gut 35000 ansteigen, von denen etwa 14000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt sind.

Gewinn steigt auf 500 Mio. Euro

 

Dank des Gewinns in Höhe von rund 500 Mio. Euro ist laut Böhm sichergestellt, dass »die wirtschaftliche Unabhängigkeit des Familienunternehmens Liebherr auch in Zukunft Bestand haben wird«. Dass das Plus beim Ergebnis nicht ähnlich hoch ausgefallen ist wie das Plus beim Umsatz, führt Böhm auf zwei Gründe zurück. Verantwortlich dafür seien zum einen die gestiegenen Rohstoffpreise, zum anderen die Wechselkursschwankungen.

 

»Das ist für ein Unternehmen, das seinen Hauptsitz in der Schweiz hat, ein entscheidender Faktor«, sagte Böhm, der in diesem Zusammenhang an den Kursverlust des Euro von bis 20 % im Vergleich zum Schweizer Franken im Sommer erinnerte. »So gesehen ist eine Umsatzrendite von jenseits von fünf Prozent durchaus als attraktiv zu bezeichnen.« Böhm betonte in diesem Zusammenhang auch, dass die Firmengruppe Liebherr ihre Investitionsmittel ausschließlich für das »organische Wachstum« einsetze. »Wir wollen unsere Zukunft ausschließlich durch eigenes Wachstum gestalten«, sagte Böhm. »Firmenübernahmen oder Kooperation werden bei Liebherr auch künftig die absolute Ausnahme sein.«

2700 Einheiten in diesem Jahr

 

Anschaulich wurde diese Philosophie, als Martin Gschwend die Strategie erläuterte, wie Liebherr mit seinen im chinesischen Dalian hergestellten Radladern seine Marktanteile in den BRIC-Staaten ausbauen will. »Unser Hauptmarkt Westeuropa, in dem wir 65 % von den 2700 in diesem Jahr in Bischofshofen produzierten Radladern absetzen, hat am gesamten Weltmarkt inklusive China nur einen Anteil von 8,1 %«, sagte der in der Liebherr-Werk Bischofshofen GmbH für den weltweiten Vertrieb (außer Österreich) zuständige Geschäftsführer. »Denn allein in China werden 2011 rund 200000 Radlader abgesetzt, was mehr als das Dreifache des Gesamtvolumens aller restlichen Märkte im gleichen Zeitraum ist.«

 

»Aufgrund dieser Mengenverhältnisse wird deutlich, dass wir uns außerhalb unserer Kernmärkte in Europa verstärkt engagieren müssen, um unsere Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft abzusichern«, sagte Gwschend. »Dabei erfordern unterschiedliche Standards bei der gesetzlichen Normierung der Abgaswerte, individuelle Ansprüche an die Leistungsfähigkeit der Maschinen sowie nicht zuletzt völlig unterschiedliche Marktpreisniveaus in den einzelnen Wirtschaftsräumen mehr denn je ein diversifiziertes Absatzkonzept und eine globale Strategie mit regional angepassten Konzepten bei der Produkt- und Vertriebspolitik.«

 

Eine Schlüsselrolle nimmt dabei das Werk in Dalian ein, das Liebherr ohne einen Joint-Venture-Partner betreibt. Dort will Liebherr im kommenden Jahr rund 1 000 Radlader vor allem für die BRIC-Staaten produzieren. Das erste Modell ist der 3,5 m³ Radlader L 556 II, der in Bischofshofen entwickelt wurde. »Wir rechnen uns auf den Emerging Markets mit diesem Modell große Chancen aus«, sagte Johann Stickler, als Geschäftsführer in Bischofshofen für die Entwicklung zuständig, im Gespräch mit dem bauMAGAZIN. »Schließlich gibt es auch in China ein wirtschaftliches Bewusstsein.« So sei der im Vergleich zu Radladern chinesischer Hersteller von einem Deutz-Motor angetriebene L 556 II in der Anschaffung zwar um zehn bis 20 % teurer, dafür benötige er aber rund 40 % wenige Kraftstoff und habe eine wesentlich höhere Produktivität. Mittlerweile habe man den L 556 II auch schon in Russland präsentiert, und die Resonanz auf diesen Radlader sei außergewöhnlich gut gewesen.

 

In Bischofshofen schätzt man die Entwicklung auf den klassischen Radlader-Märkten für 2012 »vorsichtig optimistisch ein«, so Gschwend. So ist – nach rund 2700 Einheiten in 2011 – im kommenden Jahr die Produktion von 3 016 Radladern sowie 416 Bausätzen geplant, was einem Volumenwachstum von insgesamt 14,6 % entspricht. Die höchsten Wachstumsraten verzeichneten dabei speziell ausgerüstete Radlader für industrielle Einsätze, sagte Gschwend, wie im Recycling, Schrottumschlag oder in der Holzindustrie. Diese Spezialisierung im Bereich der Anwendung erfordere die Entwicklung einsatzspezifischer Maschinenkonzepte. »Liebherr offeriert heute mehr als 1 200 Optionen, um aus einem Standard-Radlader, wie er beispielsweise in der Rückverladung im Kieswerk eingesetzt wird, ein individuell auf die Anforderungen spezieller Einsätze abgestimmtes Gerät zu konzipieren«, sagte Gschwend. »Wir verstehen uns dabei nicht als Hersteller von Spezialmaschinen, sondern als Anbieter eines hoch entwickelten Grundgerätes, das durch entsprechende Adaptierungen vom Hersteller auf die individuellen Bedürfnisse des Kunden abgestimmt werden kann.«

 

Eines der beherrschenden Themen des kommenden Jahres ist für Gschwend und seinen Kollegen Stückler die Markteinführung der Großgeräte (L 550 bis L 580) mit der neuen Motorentechnologie gemäß den Emissionsrichtlinien der Stufe Tier IV interim/Stufe IIIB, bei der Liebherr mit dem hauseigenen Common-Rail-Einspritzsystem einen »eigenen Weg« geht (ein Bericht dazu folgt in der nächsten bauMAGAZIN-Ausgabe).

Treibstoffverbrauch reduziert

 

»Diese neuen Radlader unterscheiden sich neben der neuen Motorentechnologie insbesondere durch ihr neues Design und zahlreiche Optimierungen bei Komfort und Handling«, erläuterte Gschwend. »Bei Fahrantrieb und Arbeitshydraulik greifen wir auf die seit Jahren bewährte Komponententechnologie zurück, wobei die Leistungsfähigkeit der Maschinen etwas angehoben wurde.« So werde das Motorkennfeld mit der neuen LPE (Liebherr Power Efficiency) gesteuert, wodurch sich »der Treibstoffverbrauch erneut in einer ­signifikanten Größenordnung reduziert«.

 

Von Michael Wulf

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