»Uns treffen die Sanktionen gegen Russland doppelt«

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bauMAGAZIN: Das Jahr geht dem Ende entgegen und die Konjunktur wird schwächer. Die Wachstumsprognosen für 2015 wurden für Deutschland und die EU nach unter korrigiert, der Ifo-Index fiel Ende Oktober auf den tiefsten Stand seit zwei Jahren. Wie beurteilen Sie die aktuelle Wirtschaftssituation und wie lautet Ihre Prognose für das kommende Jahr?

Michael Heidemann: Was unser Geschäft in Zentral-Europa betrifft, also in Deutschland, Österreich, Tschechien und in der Slowakei, dann sind wir eigentlich mit diesem Jahr ganz zufrieden. 2014 läuft planmäßig mit einem leichten Wachstum in Deutschland, während die Absätze in den anderen Ländern seit rund drei Jahren stagnieren. Was die gesamtwirtschaftlichen Aussichten für das nächste Jahr angeht, hat sich die Situation eingetrübt, wachsen die Bäume in Deutschland jetzt vielleicht doch nicht in den Himmel. Allerdings glauben wir, dass es für unsere Kunden in der Bau- und Baustoffindustrie in den kommenden Jahren weiterhin gute Wachstumschancen gibt. Das mache ich daran fest, dass kein Zweifel mehr daran besteht, dass der Staat in die Infrastruktur investieren muss. Das ist jetzt höchste Eisenbahn. Davon werden unsere Kunden und damit auch wir partizipieren, weshalb wir für unsere Branche im kommenden Jahr mit einem leichten Marktwachstum von 3 % bis 4 % rechnen.


bauMAGAZIN: Wie beurteilen Sie für Ihr Unternehmen die Aussichten bezogen auf den Bereich Baumaschinen CIS, also in den Ländern der ehemaligen GUS-Staaten?

Peter Gerstmann: Dafür muss man erst einmal die Situation in diesen Ländern analysieren und fragen: Wie ist die überhaupt? Und die ist natürlich katastrophal! Wenn wir allein Russland betrachten, gibt es dort einen Rückgang von 25 % im Baumaschinenmarkt. Zeppelin macht rund 30 % seines Umsatzes im Bereich CIS, und dort haben wir in der Vergangenheit auch einen Großteil des Ertrags erwirtschaftet. Wir werden dieses Jahr einen Rückgang von rund 30 % in Russland und von etwa 50 % in der Ukraine hinnehmen müssen. Denn uns als Caterpillar-Händler treffen die Sanktionen doppelt. Wir unterliegen nämlich den US-Sanktionen und den EU-Sanktionen – und die sind unterschiedlich, was von der Öffentlichkeit nicht so wahrgenommen wird. Die USA haben Sanktionen gegen Firmen und Personen ausgesprochen, also beispielsweise gegen Gazprom. Das ganze Öl- und Gasgeschäft, für uns maßgeblich, wird von den USA sanktioniert. Die Sanktionen der EU beziehen sich auf alle Teile, die auch für militärische Zwecke verbaut werden können. Und natürlich will auch die EU das Öl- und Gasgeschäft treffen. Und dann kann es zu folgender Situation kommen: Wir dürfen die Teile liefern, aber nicht an die Firmen. Oder umgekehrt: Wir dürfen die Firmen beliefern, aber nicht mit den Teilen …


bauMAGAZIN: Und wie lösen Sie das Problem?

Gerstmann: Mittlerweile haben wir das Problem gemanagt. So liefern unsere Partner mittlerweile Teile aus nichteuropäischen Wirtschaftsräumen. Große Auswirkungen für uns hat jedoch der Währungsverfall in dieser Region. Dadurch werden alle Importprodukte extrem teuer. Noch gravierender aber ist der dadurch bedingte Vertrauensverlust. So fragen unsere russischen Kunden, ob wir auch künftig noch Ersatzteile liefern oder den Service gewährleisten können. Und das Schlimme ist: Die asiatischen Anbieter liefern ihr komplettes Programm. Das bedeutet: Unsere Wettbewerber aus Japan und aus Südkorea, und da gibt es nun mal einige, besetzen unsere Märkte. Komatsu, Hyun­dai oder Hitachi gehen in die großen Minen, und damit haben wir wirklich ein Problem. Unsere Einschätzung ist, dass sich die Situation in absehbarer Zeit nicht verbessern wird. Denn man muss davon ausgehen, dass es keine schnelle Lösung für diesen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gibt. Und es gibt keine klare Zielrichtung des Westens, was mich noch mehr beunruhigt. Deshalb dürfte es zu einer weiteren Eskalation kommen. Ich persönlich schätze es übrigens sehr, dass unsere in Amerika als zu wankelmütig kritisierte Kanzlerin Angela Merkel sich in diesem Konflikt sehr diplomatisch verhält. Einerseits befürwortet sie die Sanktionen und verteidigt diese gegenüber der klagenden Wirtschaft mit dem Argument des höheren politischen Interesses. Andererseits hält sie die Tür zu Putin offen. Das macht sie sehr geschickt.bauMAGAZIN: Auf der Zeppelin-Bilanz-Pressekonferenz im Mai wurde erklärt, dass Zeppelin aufgrund der Ukraine-Krise und der daraus zum Teil resultierenden wirtschaftlichen Situation in Russland in diesem Jahr rund 200 Mio. Euro weniger umsetzen wird. Außerdem wurde gesagt, sollte die Lage eskalieren, könnte der Umsatzrückgang sogar bis zu 400 Mio. Euro betragen. Wie stellt sich für Sie jetzt zum Ende des Jahres die Situation dar?

Gerstmann: In der Vergangenheit haben wir in dem Wirtschaftsraum CIS rund 750 Mio. Euro umgesetzt. In diesem Jahr werden wir knapp über 400 Mio. Euro umsetzen. Insofern ist das schon fast die Zahl, die wir im Frühjahr prognostiziert haben. Also, die Situation ist eskaliert. Noch schlimmer aber für uns ist, dass wir in diesem Markt unsere Wachstumsideen nicht realisieren können. Mittelfristig wollten wir dort mehr als 1 Mrd. Euro umsetzen. Wir hatten beim Marktanteil noch sehr viel Luft und das jährliche Wachstum dort betrug rund 6 % …

Heidemann: … was eine traumhafte Kombination war. Der Bedarf an Infrastruktur in diesen Ländern ist natürlich gigantisch …

Gerstmann: Reflektieren wir also die Situation in die Zukunft, dann verlieren wir nicht nur die knapp 400 Mio. Euro, sondern wir verlieren als Opportunität 600 Mio. Euro. Wir rechnen damit, dass wir in den kommenden drei Jahren dort nicht mehr als 400 Mio. Euro jährlich umsetzen werden.


bauMAGAZIN: Rechnen Sie in Zukunft mit größeren Problemen in Russland, weil Zeppelin Maschinen eines US-Weltkonzerns vertreibt, in Russland aber derzeit eine anti-amerikanische Stimmung herrscht?

Gerstmann: Das ist ganz schwer zu beantworten. Ich war kürzlich in Jekaterinburg, tief im Ural gelegen. Aber wenn man dort vom Flughafen in die City fährt, kommt man sich vor, als fahre man durch eine große US-amerikanische Stadt. Alles, was es dort an Ketten und Marken gibt, gibt es auch in Jekaterinburg. Ich denke, der gesellschaftliche Mainstream in Russland ist schon sehr westlich orientiert. Es wird nicht passieren, dass Putin sagt: Die Amerikaner verschwinden aus unserem Land. Und ich glaube auch nicht, dass er das will. Darum wird die Marke Caterpillar in Russland Bestand haben. Auch russische Minen müssen sich den Effizienzerwartungen ihrer Kunden stellen. Und da kommen sie grundsätzlich nicht an Caterpillar vorbei.

»… dann verlieren wir nicht nur die knapp 400 Mio. Euro,

sondern wir verlieren als Opportunität 600 Mio. Euro.«


bauMAGAZIN: Aber Putin könnte Nadelstiche setzten und klassische Unternehmen wie Caterpillar mit einer Art Bann belegen …

Gerstmann: Das ist nicht auszuschließen. Schon heute vermeiden alle staatlichen Unternehmen, westliche Produkte zu kaufen. Davon ist Caterpillar genauso betroffen wie Liebherr oder Volvo. Aber ich glaube nicht, dass es ein Importverbot oder gar Enteignungen geben wird.bauMAGAZIN: Wie charakterisieren Sie die Partnerschaft zwischen Zeppelin und Caterpillar, deren 60-jähriges Jubiläum dieses Jahr gefeiert wurde? Stichworte sind hier Lieferfähigkeit oder die Entwicklung von Maschinen speziell für die Zeppelin-Vertriebsgebiete?

Heidemann: Die Partnerschaft zwischen Caterpillar und Zeppelin ist einzigartig, und eine ähnlich enge Zusammenarbeit zwischen Hersteller und seiner Vertriebs- und Serviceorganisation wird man auf der Welt nur selten finden. Seit dem Beginn 1954 ist sie immer enger und immer besser geworden. Man kann fast sagen, das ist eine Einheit, in der Art, wie wir zusammenarbeiten. Wir haben auch deshalb einen recht großen Einfluss auf die Weiterentwicklung der Produkte. Das ist ein großer Vorteil für unsere Kunden. Der andere ganz große Vorteil ist: Als US-amerikanischer Hersteller entwickelt und baut Caterpillar Maschinen für die stark regulierten Märkte wie die USA und die EU. Einige Wettbewerber hingegen entwickeln ihre Produkte zunächst für weniger stark regulierte Märkte und müssen ihre Maschinen dann für die USA und die EU anpassen. Es kristallisiert sich jetzt als großer Vorteil für uns heraus, dass die Emissionsnormen oder die Sicherheitsvorschriften in den USA letztendlich die gleichen sind wie in der EU. Das ist der Riesennutzen für uns, dass wir ganz schnell die neuen und richtigen Produkte erhalten. Als Beispiel möchte ich unsere neuen Radlader CAT 966K XE und 972M XE nennen. Mit ihrem leistungsverzweigten Getriebe hat der sensationelle Verbrauchswerte, die um 30 % bis 35 % geringer sind als bei den Vorgängermodellen der H-Serie. Ein anderes herausragendes Produkt ist beispielsweise der Hybridbagger 336E H. Caterpillar kündigte solche Produkte nicht bloß an, sondern entwickelt sie auch zur Serienreife. Caterpillar hört heute extrem gut zu, weiß so genau, was der Markt braucht, und setzt das schnell um. Ein gutes Beispiel dafür sind auch die neuen Mobilbagger der Serie F, die bei uns in Wackersdorf für den Weltmarkt entwickelt werden. Oder die kleinen Radlader. Die wurden fast ausschließlich für den deutschen Markt entwickelt.

»Die Partnerschaft zwischen Caterpillar und Zeppelin ist einzigartig.«

Gerstmann: Wenn ich sehe, wie viel Gewicht unser Wort bei Caterpillar hat, dann zeigt dies, wie stark diese Partnerschaft ist. Wenn wir Anforderungen von unseren Kunden an Caterpillar weiterleiten, dann werden diese Ansprüche berücksichtigt. Und es ist weder für Herrn Heidemann oder für mich ein Problem, jederzeit direkt mit dem Caterpillar-CEO Doug Oberhelman zu sprechen. Dieser direkte Zugang ist ein Privileg. Und er zeigt die Wertschätzung.

Heidemann: Deshalb können wir auch schon verraten, dass es von Caterpillar zusätzliche Produkte geben wird. Dazu gehören zum Beispiel Mobilbagger für den Materialumschlag mit einem Einsatzgewicht bis 60 t. Produziert werden sie im Caterpillar-Werk in der Nähe von Belfast. Das ist genau die Größenklasse, die wir auch in Deutschland brauchen, wo der Markt bisher von Liebherr, Sennebogen und Terex Fuchs besetzt ist. Bislang war bei uns bei 30 t Schluss. Und wir runden das ab mit den sogenannten MultiDockern mit einem Einsatzgewicht von mehr als 100 t. Außerdem wird Caterpillar wieder komplett in die Produktion von Abbruchbaggern einsteigen. Bisher wurden die mit einem französischen Partner realisiert. Auf unseren Wunsch hin wird Caterpillar diese Abbruchbagger wieder selbst im belgischen Werk Gosselies produzieren, und zwar zunächst mit einem Einsatzgewicht von bis zu 60 t. Allerdings können wir von Zeppelin das Grundgerät so modifizieren, dass wir auch Maschinen mit 70 t oder 80 t anbieten können. Zudem nimmt Caterpillar das Thema Anbaugeräte sehr ernst. Es wird dort kräftig investiert, vor allem in die Entwicklung von vollhydraulischen Schnellwechslern. So ein System würde natürlich bestens zu Caterpillar passen.bauMAGAZIN: Caterpillar hat ein Sparprogramm aufgelegt und will dieses Jahr rund 55 Mrd. Dollar umsetzen. Jetzt wurde bekannt, dass das dritte Quartal überraschend gute Zahlen ­geliefert hat. So lag der Umsatz bei 13,55 Mrd. Dollar, der Gewinn bei 1,02 Mrd. Dollar – ein Plus von 8 % im Vergleich zur Planung. Wie wirkt sich dieses Sparprogramm auf Zeppelin aus?

Heidemann: Wir profitieren davon, dass Caterpillar den gesamten Produktionsprozess sehr gestrafft und modernisiert hat. Die Qualität der Maschinen ist so gut wie noch nie zuvor. Caterpillar hat sich dabei sehr stark an der Fertigung in der Automobilindustrie orientiert …

Gerstmann: Man muss aber ganz klar sagen: Caterpillar hat kein Cost Cutting gemacht. Das ist definitiv kein Sparprogramm. Sondern das ist ein Effizienzsteigerungsprogramm. Man hat Abläufe gestrafft, besser organisiert und dadurch Kosten gespart. Auch das weltweite Distributionsnetz wurde auf den Prüfstand gestellt, um es an die neuen Ideen und die neuen Märkte anzupassen …

Heidemann: … und dabei gelten wir von Zeppelin als Benchmark, wie auch die Auszeichnung zum besten CAT-Vertragspartner in Europa zeigt. Auch glaube ich, es ist das erste Mal, dass sich ein Baumaschinenhersteller so klar darauf fokussiert, in der Produktion ähnliche Abläufe hinsichtlich der Automatisierung durch Roboter aufzubauen wie in der Automobilindustrie.

»Das ist definitiv kein ­Sparprogramm, sondern das ist ein Effizienzsteigerungsprogramm.«


bauMAGAZIN: Ein großes Thema in der Baumaschinenbranche waren in den vergangenen Jahren die neuen Emissionsvorschriften Tier 4 final/Stufe IV. Wie bewerten Sie diese und wie beurteilen Sie die Diskussionen über eine Nachrüstungspflicht für alle Baumaschinen mit Rußpartikelfiltern, wie sie in Baden-Württemberg ab Mitte 2015 droht?

Heidemann: Zunächst einmal waren die neuen Emissionsvorschriften eine große Herausforderung für alle Hersteller, vor allem für die, die relativ kleine Stückzahlen produzieren. Der große Vorteil für uns war, das Caterpillar das wirklich hochprofessionell gemanagt hat. Es gab nie technische Probleme mit den Motoren. Ich weiß, dass einige andere Hersteller das Thema wirklich unterschätzt haben und immer noch erhebliche Probleme haben. Caterpillar hat die Emissionsanforderungen wirklich nahezu geräuschlos erfüllt. Ich persönlich bin der Meinung, dass Dieselpartikelfilter (DPF) genau das richtige sind, um die Rußpartikelemissionen so gut wie möglich zu reduzieren. Caterpillar hatte mit seiner ACERT-Technologie schon von Anfang an auf dieses Konzept gesetzt und dadurch ist jetzt so etwas wie einen kleiner Wettbewerbsvorteil für uns entstanden. Denn diejenigen, die einzig auf die CSR-Technologie gesetzt haben, müssen jetzt wahrscheinlich doch Dieselpartikelfilter verbauen. Wir werden kommendes Jahr auch die kleinen Radlader oder die Minibagger mit Partikelfiltern ausrüsten. Ich rechne damit, dass es künftig nicht nur in Baden-Württemberg eine Partikelfilterpflicht geben wird, sondern die anderen Bundesländer nachziehen werden. In der Schweiz gibt es diese Vorschrift schon länger, auch die Deutsche Bahn fordert das bei ihren Ausschreibungen mittlerweile fast überall. Etwas problematisch ist natürlich die Nachrüstung. Besser ist es, die Filter sind direkt ab Werk eingebaut …


bauMAGAZIN: Aber die Frage ist doch: Müssen nur die aktuellen Maschinen mit Partikelfiltern nachgerüstet werden, oder soll bzw. muss diese Vorschrift auch für ältere Maschinen gelten?

Heidemann: Prinzipiell bin ich für Bestandsschutz. Dieser Rechtsgrundsatz muss gelten.


bauMAGAZIN: Mit Zeppelin Rental ist der Konzern im Vermietgeschäft schon seit einiger Zeit gut positioniert. Was waren die Gründe für die Übernahme der Streif Baulogistik und der BIS Blohm + Voss Inspection Service GmbH?

Gerstmann: Das ist eine konsequente Weiterentwicklung. Im Rental-Bereich ist Zeppelin heute deshalb so erfolgreich, weil wir nicht nur Baumaschinen vermieten. Sondern wir vermieten eine Lösung! Und die konzentriert sich auf das, wo die Baumaschine eingesetzt wird – nämlich die Baustelle. Dazu gehört beispielsweise die Sicherung des Verkehrs oder die flexible Einrichtung mit Containern. Und da haben wir unser Portfolio mit diesen beiden Unternehmen konsequent erweitert. So ist Streif Baulogistik auch ein Spezialist für die Energieversorgung einer Baustelle, für die Zugangskontrolle oder die Arbeitssicherheit. Deshalb ist das eine ideale Ergänzung für uns. Und mit Blohm + Voss können wir als eine weitere Dienstleistung die Materialprüfung sicherstellen. Das bezieht sich beispielsweise auf die Thematik Schweißnähte oder auf die Überprüfung, ob alle auf dieser Baustellen genutzt Maschinen und Geräte auch zertifiziert sind.

Heidemann: Das ist übrigens kein Neuland für Zeppelin. Das bieten wir in unserem Geschäftsbereich Anlagenbau schon länger an. Wir haben also die Kompetenz dafür …

Gerstmann: … und wir erschließen uns natürlich einen Markt, der durch die Baumaschine alleine nicht zu erreichen ist, nämlich den des industriellen Bauens. Kraftwerke, Raffinerien oder Flughäfen, dort muss man extreme Anforderungen erfüllen, das ist alles hochkomplex. Da fragt der Kunde nicht mehr, was kostet der Bagger in der Stunde, sondern er will wissen, wie teuer ihn die Gesamtlösung kommt. Was unsere Strategie betrifft, verweise ich auf den Zeppelin-Slogan »We create solutions«. Das ist natürlich die Idee für alle unsere Geschäftsbereiche. Wir wollen heute nicht einfach ein Baumaschinen-Händler sein. Sondern wir wollen Lösungen im Bereich Baumaschinen bieten. Dazu gehört die Finanzierung, die Vermarktung der Gebrauchtmaschinen, der Service, die Einsatzberatung … Wir wollen dem Kunden die Komplett-Lösung bieten. Das gilt auch für den Bereich Power System. Die Zeit, in der wir nur Motoren verkauft haben, ist vorbei. Heute bauen wir komplette Gaskompressionsanlagen, Blockheizkraftwerke oder Schiffsantriebe. Bei der Aida ist nicht nur der Motor von Caterpillar, sondern das ganze Schiffsantriebkonzept, von den Ausgleichsmotoren bis hin zur Motorensteuerung.

»Prinzipiell bin ich für Bestandsschutz. Dieser Rechtsgrundsatz muss gelten.«


bauMAGAZIN: Zum Thema Infrastruktur in Deutschland, die immer maroder wird: Wie beurteilen Sie den derzeitigen Stand, sind Sie enttäuscht von der Politik und wie lauten Ihre Vorschläge, damit der Investitionsstau sich auflöst?

Heidemann: Es stimmt: Den großen Ankündigungen sind relativ wenig an Taten gefolgt. Das ist bedauerlich. Trotzdem bin ich recht zuversichtlich. Denn ich glaube, dass diese Problematik jetzt ernst genommen wird. Vielleicht noch nicht in den Riesenschritten, wie wir uns das wünschen würden. Ich persönlich habe die Idee von Torsten Albig, dem Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, nicht für so schlecht gehalten, der ja gefordert hat, jeder Autofahrer soll sich mit einer Sonderabgabe in Höhe von 100 Euro pro Jahr an der Sanierung der Verkehrsinfrastruktur beteiligen. Die war zu 100 % einfach und richtig.bauMAGAZIN: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Rolle der zentralen Verbände aus der Bauindustrie? Man hat den Eindruck, deren Einfluss wird immer geringer. Wäre es nicht sinnvoller, die Verbände schließen sich zusammen und sprechen nur noch mit einer Stimme – und werden dann auch gehört?

Heidemann: Da antworte ich sofort mit ja. Das ist ein Unding und gibt es nur in der Bauwirtschaft. Ich weiß, dass es gewachsene Strukturen sind. Aber es wäre viel besser, wir hätten einen großen Bau-Verband, der dann auch von der Politik und von der Bevölkerung gehört wird.


bauMAGAZIN: In Deutschland sind zuletzt mehrere Großprojekte – wie der Berliner Flughafen, die Elbphilharmonie in Hamburg – aus dem Ruder gelaufen oder haben wie Stuttgart 21 für großen Bürgerprotest gesorgt. Wie beurteilen Sie diese Debatten und was muss passieren, dass so etwas nicht mehr vorkommen kann?

Heidemann: Wir bedauern, dass dadurch das Ansehen der deutschen Ingenieurskunst im Ausland einen Knacks erlitten hat. So ist es leider nach Außen verkauft worden. Das ist sehr schade. Doch diese Darstellung stimmt nicht …

Gerstmann: … das sind rein politische Probleme mit unendlich vielen Facetten. Nehmen wir das Beispiel Elbphilharmonie: Die wäre nie gebaut worden, hätte man politisch die Wahrheit gesagt, um es auf den Punkt zu bringen …


bauMAGAZIN: … aber ist es bei Großprojekten nicht üblich, dass die Politik die Kosten klein rechnet, obwohl jeder weiß, für diese Summe lässt sich das Projekt nie finanzieren?

Gerstmann: Das andere Problem ist bloß: In dem Augenblick, in dem man die Wahrheit sagt, gibt es so viele Gegner, dass sich das Projekt nicht realisieren lässt.


bauMAGAZIN: Ist dieser Widerspruch zu lösen?

Gerstmann: Da muss man wahrscheinlich das gesamte politische Verständnis und die politische Kultur verändern. Und das wird nicht so einfach funktionieren. Beispielsweise sagt ein Politiker oft das und macht das, wofür er wieder gewählt wird. Wir haben zum Teil eine politische Kultur, in der unliebsame Wahrheiten Entscheidungen herbeiführen, die nicht transparent, nicht sauber und nicht nachhaltig sind.

Heidemann: Es gibt aber auch Beispiele in Deutschland dafür, dass ein Großprojekt funktioniert, wie seinerzeit der Neubau des Münchener Flughafens. Das Projekt blieb im Kosten- und Zeitrahmen. Mein Eindruck ist heute aber auch, dass man in der Bevölkerung immer öfter mit einer gewissen Modernitätsfeindlichkeit auf geplante Großprojekte reagiert. Wie zum Beispiel die Entscheidung gegen den Bau einer dritten Startbahn auf dem Flughafen München. Das kann ich nicht nachvollziehen. Natürlich, der Fluglärm stört, ich wohne ja selber in der Nähe. Aber dieser Flughafen ist ein Job-Wunder. Der Landkreis Freising hat eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in Deutschland, die Gewerbesteuer sprudelt. Die ganze Region boomt. Und deshalb macht mir der Bürgerentscheid gegen diese dritte Startbahn Sorgen. Wenn man jetzt gegen alles ist: gegen eine Flughafenerweiterung, gegen einen neuen Bahnhof, gegen die Bewerbung für die Olympischen Winterspiele …

»Das ist ein Unding. Das gibt es nur in der Bauwirtschaft.«


bauMAGAZIN: Unsere Frage zum Schluss: Wo sehen Sie den Zeppelin-Konzern im Jahr 2020?

Heidemann: Wir werden auch dann sehr erfolgreich sein und uns deutlich weiterentwickelt haben. Die Mitarbeiterzahl wird von heute 8 000 auf mehr als 10 000 steigen. Und der Umsatz wird sich, vorausgesetzt die Verhältnisse in Russland und in den benachbarten Staaten normalisieren sich wieder, auf gut 3 Mrd. Euro erhöhen. Wenn man sich die Entwicklung von Zeppelin in den vergangenen gut 20 Jahren anschaut, so ist die sehr beeindruckend. 1992 hatten wir 2 000 Mitarbeiter, heute ist es das Vierfache. Der Umsatz hat sich in dieser Zeit von umgerechnet rund 500 Mio. Euro auf heute knapp 2,5 Mrd. Euro verfünffacht. Vergleichbares ist, glaube ich, nur ganz wenigen Unternehmen in Deutschland gelungen. Wir sind ganz fest davon überzeugt, dass sich diese beeindruckende Entwicklung auch in den kommenden Jahren fortsetzt.

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