Nach 42 Jahren endet bei RUD die Ära Reinhard Smetz

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Von Michael Wulf

Wer heute über Ladungssicherheit redet und von Lasten, die gehoben oder gewendet werden müssen, dem kommt in den allermeisten Fälle zunächst die Farbe Pink in den Sinn – und damit automatisch die Produkte aus dem Hause RUD. So ist das bereits 1875 gegründete Unternehmen aus dem schwäbischen Aalen mit der Marke RUD, nach der Erfindung der modernen Schneekette in den 1930er-Jahren, so etwas wie ein Gattungsbegriff für hochwertige Anschlag- und Zurrmittel geworden – ähnlich wie »Tempo« für Papiertaschentücher oder »Tesa« für Klebstreifen. »Wir sind unbestritten die ›Nummer 1‹ und somit Benchmark in der Branche«, sagen denn auch Reinhard Smetz und Hermann Kolb beim Besuch des bauMAGAZIN in der Firmenzentrale auf der »Friedensinsel« im Aalener Stadtteil Unterkochen.

Wenn Reinhard Smetz auf seine außergewöhnliche Karriere zurückblickt, dann kommt ihm als erstes vor allem eines in den Sinn: »Durch unsere Entwicklungen haben wir die Sicherheit beim Transport auf der Straße sowie die Arbeitssicherheit generell signifikant erhöht«, betont der heute 67-Jährige. »So ist beispielsweise im Bergbau die Anzahl der tödlichen Unfälle massiv zurückgegangen.« Eine Ehre sei es ihm zudem gewesen, eine »tolle Abteilung« zu leiten, die ihn dabei unterstützt habe, »die eigenen Erfindungen weltweit zu multiplizieren, was für einen Entwicklungsingenieur die größte Anerkennung ist«.


»Aufgabe irgendwie falsch verstanden«

Der im benachbarten bayerischen Nördlingen geborene Reinhard Smetz hatte 1974 – nach einer Lehre als Werkzeugmacher und einem Maschinenbaustudium an der Fachhochschule in Aalen – als junger Diplom-Ingenieur eine Stelle in der Konstruktionsabteilung des Unternehmens angenommen, mit einem klar formulierten Auftrag des damaligen Firmenchefs Werner Rieger. »Ich bin eingestellt worden zur Entfeinerung des Baukastenprogramms«, so Reinhard Smetz, was bedeutet habe: Das etwa sieben Ketten und 40 Bauteile umfassende Produktportfolio von RUD sollte reduziert werden. »Aber irgendwie muss ich die Aufgabe falsch verstanden haben.«

Denn bis heute sind in den vergangenen 35 Jahren gut 2 000 Varianten entwickelt worden, gibt es mehr als 700 verschiedene Sicherheitsanschlagpunkte. So entstand in der Ära Smetz der pinkfarbene Anschlagketten-Bau­kasten der Güteklasse 100 VIP ebenso wie der verkehrspurpurne Baukasten der Güteklasse 120 ICE, deren gemeinsames Kennzeichen die Farbe Pink ist und für die Reinhard Smetz den Slogan »Pink ist RUD und RUD ist gut« erfunden hat. Wobei die Farbe Pink nicht allein aufgrund ihres Aha-Effekts gewählt wurde. »Diese Farbe ist auch ein Hitzeindikator. Sind Komponenten zu starker Hitze ausgesetzt, die eine Gefahr für die Festigkeit bedeutet, verfärbt sich der Anstrich zunächst in Ocker- und Brauntönen, dann ins Schwarze. So erkennt man sofort, ob eine Kette am Anschlagpunkt überhitzt wurde und ersetzt werden muss.


Lasten schneller und sicherer umschlagen

Bei der Weiter- und Neuentwicklung des RUD-Portfolios sei man immer der Devise gefolgt, so Reinhard Smetz, dem Kunden einen Mehrwert bieten zu wollen. Wie zum Beispiel das RUD-ID-System zeige, das mittels RFID-Technologie die Prüfung und Dokumentation erleichtere. Grundsätzlich sei es aber immer das Ziel von RUD, den täglichen Umschlag von Lasten schneller und sicherer zu machen. »Wir sind mit unseren Produkten überall dort zuhause, wo Lasten mit einem Gewicht von mehr als 25 kg gehoben oder gewendet werden.« Dadurch sei mal in nahezu allen Branchen vertreten – vom Bergbau über den Werkzeug- und Maschinenbau, den Stahl- und Anlagenbau, der Bau- und Transportindustrie bis hin zum Off-Shore-Bereich oder zur Medizin. Beispielsweise sollte jede Baumaschine, sagt Reinhard Smetz, mit Anschlag- oder Zurrpunkten ausgerüstet sein. Denn das erhöhe die Sicherheit und verbessere das Handling beim Transport.

Aus diesen Gründen sollten seiner Meinung nach die Ingenieure in den Konstruktionsabteilungen, egal in welcher Branche, diese Thematik wesentlich stärker beachten. »In der Konstruktion müsste es heißen: Am Anfang ist der Anschlagpunkt«, so Reinhard Smetz. Allerdings sei dies heute nur zu 10 % der Fall, so seine »gefühlsmäßige« Schätzung. Deshalb gebe es auch ein »Riesenpotenzial«, zumal immer mehr Ingenieure erkennen würden, wie wichtig Anschlag- oder Zurrpunkte seien. So arbeite RUD mittlerweile weltweit eng mit den Herstellern von Fahrzeugen für den Schwerlasttransport zusammen und sei in diesem Bereich gut positioniert.

Das gilt auch vertriebstechnisch, denn Reinhard Smetz war seit 30 Jahren auch für den Vertrieb von Anschlag- und Zurrmitteln zuständig. So gibt es in Deutschland heute neben dem flächendeckenden Händlersystem zusätzlich elf RUD-Vertriebs- und Beteiligungsfirmen. Für den Export wurde ein Händler- und Partnernetz in 60 Ländern mit 29 RUD-Beteiligungen aufgebaut, die maßgeblich zum Umsatz von rund 100 Mio. Euro beitragen, der gut 50 % des Gesamtumsatzes des RUD-Gruppe ausmacht.


»Noch branchenfokussierter«

Diesen Erfolgsweg will Reinhard Smetz’ Nachfolger Hermann Kolb, auch schon seit 26 Jahren im Unternehmen, fortsetzen. »Wir streben weiterhin ein profitables Wachstum an und wollen uns noch branchenfokussierter aufstellen«, so der 55-jährige Betriebswirt, der zuletzt den Vertrieb weltweit verantwortete und wie Reinhard Smetz über die zahlreichen Plagiate im Markt klagt. »Wir bleiben bei unserer Philosophie ›Made in Germany‹ und differenzieren uns so im Wettbewerb«, betont Hermann Kolb. »Bei uns laufen derzeit allein 74 Projekte mit dem Ziel, die Sicherheit nochmals zu erhöhen.«

Und was macht Reinhard Smetz in seinem wohlverdienten Ruhestand? Nach der Verabschiedung von Mitarbeitern und Geschäftspartnern bei einer Isar-Floßfahrt wird er sich verstärkt seinem Hobby Golf widmen … und ansonsten der RUD-Gruppe als »Senior Engineer« mit Rat und Tat im technischen Bereich zu Seite stehen – »in welchem Umfang, das wird sich zeigen«.

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