Längere Auslandsaufenthalte können auch den letzten Willen von Führungskräften gefährden

Viele Fach- und Führungskräfte kurbeln mit Auslandsjobs ihre Karriere an, Millionen von Deutschen leben einen Großteil des Jahres im Ausland. Sie nutzen oft die Möglichkeit, ihren Arbeits- und Aufenthaltsort innerhalb der EU frei zu wählen. Wie Rechtsanwalt Andreas Otto Kühne betont, können aber – und was viele nicht wissen – längere Auslandsaufenthalte dazu führen, dass ausländisches Erbrecht angewendet wird.

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Seit Inkrafttreten der EU-Erbrechtsverordnung 2015 vererben deutsche Staatsangehörige nicht mehr automatisch nach deutschem Erbrecht. Noch spiegeln viele Testamente und Erbverträge die veränderte Rechts­situation nicht rechtssicher wider. EU-weit gilt – ohne Dänemark, Großbritannien und Irland – das Erbrecht des Landes, in dem der Verstorbene seinen letzten »gewöhnlichen Aufenthalt« hatte – falls keine andere Regelung getroffen wurde.


Der »gewöhnliche Aufenthalt« ist nicht identisch mit dem Wohnsitz. Entscheidend sind die Lebensumstände des Erblassers vor seinem Tod. Neben Häufigkeit und Dauer von Aufenthalten sind auch Faktoren wie berufliche Aktivitäten, soziale Bindungen, Vermögenswerte oder auch Sprachkenntnisse zu berücksichtigen. Der gewöhnliche Aufenthalt kann bereits mit dem Umzug an einen anderen Ort wechseln. Noch haben die Gerichte nicht in verlässlichem Umfang entschieden, welche Faktoren bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts wie zu gewichten sind. Ob das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts oder doch das Recht der Staatsangehörigkeit greift, ist streitanfällig. Theoretisch kann auch das Recht eines Drittstaates gelten, zu dem der Verstorbene die größte Bindung hatte. Kommt fremdes Erbrecht zur Anwendung, drohen unliebsame Überraschungen für die Angehörigen, bis hin zur Enterbung.

Vorsicht ist bei Ehegattentestamenten wie dem »Berliner Testament« geboten. Darin setzen sich die Partner gegenseitig im Todesfall als Alleinerbe ein. Kinder erben in der Regel erst, wenn auch der zweite Elternteil gestorben ist. Diese Regelung ist nach ausländischem Erbrecht unter Umständen wirkungslos. Spanische, italienische oder französische Gerichte erkennen einen solchen gemeinsamen letzten Willen nicht an.

Testamente anpassen

Wer längere Zeit im Ausland verbringt, sollte sein Testament auf den Prüfstand stellen. Laut EU-Verordnung können Erblasser per Testament festlegen, dass für ihren Nachlass das Recht ihrer Staatsangehörigkeit gelten soll. Ein Deutscher kann so sicher sein, dass bei seinem Ableben innerhalb der betreffenden EU-Staaten deutsches Erbrecht gilt. Wer mehrere Staatsangehörigkeiten besitzt, kann das Recht eines dieser Staaten auswählen. Im Zuge dessen sollte auch das anwendbare Güterrecht geprüft werden. Erblasser können im Verhältnis zu einigen EU-Staaten sogar deutsches Güterrecht festlegen, obwohl eventuell ausländisches Erbrecht gilt. Die EU-Verordnung eröffnet auch Chancen: Theoretisch ist es möglich, Erbrechte ungeliebter Verwandter auszuschließen, da das Pflichtteilsrecht in einzelnen EU-Staaten unterschiedlich geregelt ist. Erschwerend kommt allerdings hinzu, dass die EU-Verordnung nicht für die Erbschaftsteuer gilt. Hier bleiben die jeweiligen staatlichen Regelungen bestehen.     §

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