bauMAGAZIN: Herr Unger, welche Ergebnisse hat Bomag im laufenden Geschäftsjahr 2014/15, das im September endet, bislang erreicht? Und sind Sie zufrieden mit dem bisherigen Verlauf?
Jörg Unger: Das Jahr 2014 war für uns besser als o.k. Wir waren gut unterwegs. Unsere Umsätze haben sich gut entwickelt. Dabei sind für uns nicht nur die letzten Zahlen wichtig, sondern für uns zählt auch, unsere Strukturen zu optimieren. Bei den Zahlen sind wir vernünftig vorangekommen. Unser Wachstum lag zwischen 5 % und 7 % bei einem Gesamtumsatz von rund 600 Mio. Euro. Wir haben damit ein vernünftiges Ergebnis erzielt. Und auch durch die strukturellen Maßnahmen, mit denen wir unsere Prozesse verbessert haben und weiter verbessern werden, sorgen wir für die Profitabilität des Unternehmens. Nun zum Jahr 2015: Natürlich gibt es Licht und Schatten. Ich glaube aber, dass in Zukunft die Baumaschinen- und die Landmaschinenbranche zwei enorm zukunftsträchtige Branchen sind. Zum einen gibt es immer mehr Menschen, für die Nahrung angebaut werden muss. Dafür benötigt man Landwirtschaftmaschinen. Die Baumaschinenbranchen ist hochinteressant, weil man die produzierten Güter auch transportieren muss…
bauMAGAZIN: …und dafür braucht es eine Infrastruktur…
Unger: Stimmt. Aber in den vergangenen Jahren wurde im Bereich der Infrastruktur massiv gespart. Zum Beispiel in Deutschland: Die Sanierung von Brücken und Straßen, das ist ein Riesenthema. Schließlich hängt das Wachstum einer Volkswirtschaft davon ab, wie gut ihre Infrastruktur ist. Und da wurde nicht nur bei uns gespart, sondern auch anderswo in Europa. Denn Straßen können nicht wählen. Aber Regierungen können so ganz schnell das Budget nach unten fahren. Aber so eine Politik geht nicht lange gut. Von daher gibt es einen ziemlichen Nachholbedarf. Und dafür ist die Bomag gut aufgestellt, auch global betrachtet. Weil wir eigentlich in allen Märkten produzieren, dort Vertrieb und Service anbieten und deshalb von dieser Entwicklung partizipieren können.
bauMAGAZIN: Noch einmal kurz zur Situation in Deutschland: Schon seit Jahren wird über den Ausbau und den Erhalt der Infrastruktur diskutiert. Passiert ist relativ wenig, mal abgesehen von den 5 Mrd. Euro, die nach der Wahl 2013 zusätzlich zur Verfügung gestellt wurden, allerdings verteilt auf vier Jahre. Kürzlich sorgte die wegen Sicherheitsmängeln angeordnete Sperrung der Schiersteiner Brücke für ein Verkehrs-Chaos im Rhein-Main-Gebiet. Muss es öfters zu solchen Sperrungen kommen, damit die politisch Verantwortlichen endlich aufwachen? Wie beurteilen Sie diese Diskussionen?
Unger: Richtig ist: Wenn man diese vom Bund und den Ländern zur Verfügung gestellten rund 5 Mrd. Euro in Relation zu den Haushalten stellt, dann merkt man schnell, über welche Krümel wir hier sprechen. Diese Milliarden-Summen hören sich in den Nachrichten immer ganz toll an. Aber wenn man bedenkt, was heute der Bau von einem Kilometer Straße kostet und wie hoch der Bedarf ist, dann ist es ausgesprochen wenig, was passiert. Und ob so etwas wie mit der Schiersteiner Brücke öfter passieren muss? Eigentlich müssten Politik und Wirtschaft in so einem engen Austausch miteinander sein, dass solche Themen den entsprechenden Stellenwert bekommen, bevor so etwas geschieht.bauMAGAZIN: Müssen dafür nicht auch die oftmals langwierigen Genehmigungsverfahren auf den Prüfstand gestellt werden? Oder anders gefragt: Sind diese Verfahren noch zeitgemäß?
Unger: Wir sind sehr föderal organisiert in Deutschland und diese Verfahren sind an vielen Stellen enorm kleinteilig. Warum sind Ausschreibungen für Straßenbauprojekte an vielen Stellen oder die Verfahren für die Genehmigung je nach Region so unterschiedlich? Da kann man vereinfachen, keine Frage. Wir müssen über den besten Weg diskutieren und dann zu einem Beschluss kommen. Und diesem Beschluss müssen wir folgen, anstatt ihn immer wieder in Frage zu stellen oder von Region zu Region ganz unterschiedliche Lösungen anzustreben.
bauMAGAZIN: Welche Rolle spielen dabei aus Ihrer Sicht die sogenannten ÖPP-Projekte, also die Zusammenarbeit von öffentlichen Auftraggebern und der Privatwirtschaft im Straßenbau, die immer wieder diskutiert werden?
Unger: Man kommt heute in vielen Fällen, wenn man auf der Bauunternehmerseite ist, an diesen Projekten nicht vorbei. Weil nämlich die öffentliche Hand nach Finanzierungsmöglichkeiten sucht. Damit ist man schnell bei der Auseinandersetzung über die Thematik: Was sind denn Kernaufgaben des Staates? Nach meinem Dafürhalten gehört die Infrastruktur klar dazu. Man kann oder man muss das vielleicht in Phasen, wenn der Staat knapper bei Kasse ist, um ÖPP-Projekte ergänzen. Aber wenn das eine das andere ersetzen würde, wäre das aus meiner Sicht kritisch. Die Fayat-Gruppe realisiert als Bauunternehmer mit mehr als 10 000 Beschäftigten in diesem Unternehmensbereich solche ÖPP-Projekte, weil es eine Notwendigkeit ist. Wenn man uns fragen würde, »wollt Ihr das Projekt auch selber betreiben oder wollt Ihr es nur verkaufen«, würden wir wahrscheinlich Zweiteres bevorzugen. Denn man kann nicht Experte in allem sein. Entweder ist man Experte bei der Erstellung oder man ist Experte für das Betreiben. Und warum sollen wir die Kompetenz zur Betreibung aufbauen, wenn es die schon gibt. Die hat nämlich der Staat. Deshalb ist ÖPP nicht mein Wunschthema. Aber wenn der Markt uns zu diesen Projekten zwingt, werden wir Antworten finden.
bauMAGAZIN: Nach wie vor bestimmt Bomag mit seinen Neu- und Weiterentwicklungen das Tempo auf den Märkten. Was können Ihre Kunden in diesem Jahr erwarten?
Unger: Es gibt nicht mehr die Weltrevolution im Maschinenbau. Das erwarten aber auch unsere Kunden nicht. Sondern sie erwarten eine systematische Weiterverfolgung von Themen. Bei der Bomag sind es die Themen Kaltfräsen, Fertiger und Verdichtung. Obwohl man mit der Bomag vor allem das Thema Verdichtung assoziiert, wähle ich bewusst diese Reihenfolge, denn Kaltfräsen und Fertiger sind für uns ganz wichtige Themen. In den vergangenen Jahren gehen wir dabei einen sehr beharrlichen Weg und haben immer mehr Kompetenz aufgebaut. Und wir haben den Anspruch, im Markt die klare »Nummer 2« zu werden. Das macht es notwendig, dass wir diese Produkte systematisch verbessern. So haben wir auf der Intermat eine komplette Fräsen-Familie, von der kleinsten bis zur 2-m-Fräse, präsentiert, die alle unter der konstruktiven Führung der Bomag neu entwickelt worden sind. Wir haben heute außerdem Fertiger mit einer Einbauleistung von 300 t/h bis 900 t/h mit den verschiedensten Bohlentypen im Portfolio und damit unsere Palette systematisch ergänzt, um die Anforderungen des Marktes abdecken zu können. Ein Zukunftsthema wird sicherlich das Thema Beschickung sein, gerade auch in Deutschland. Daran arbeiten wir und werden im kommenden Jahr eine Lösung präsentieren. Grundsätzlich gilt: Wir wollen zwischen die großen Steine, die wir gesetzt haben, immer wieder kleinere Steine setzen, um in der Produktpalette komplett wahrgenommen zu werden.
bauMAGAZIN: Die Fertiger werden derzeit in Italien produziert. Gibt es Überlegungen, die Fertiger auch in Deutschland zu produzieren?
Unger: Nein! Wir sind mit der Entwicklung unseres Werkes in Alfonsine nördlich von Ravenna sehr zufrieden. Dort gibt es eine große Expertise im Bereich Fertiger. Wir investieren weiter in diesen Standort, wir haben dort eine gute Mannschaft und wir können voneinander lernen.bauMAGAZIN: Wie hoch ist der Marktanteil von Bomag bei den Fertigern in Deutschland derzeit?
Unger: Es gibt leider keine saubere Methode, mit der man die Marktanteile im Fertiger- oder im Fräsenbereich messen kann, weil der Marktführer nicht bereit ist, seine Zahlen offen zu legen. Das erschwert die ganze Sache. Ich würde unseren Marktanteil bei den Fertigern in Deutschland heute auf um die 15 % beziffern.
bauMAGAZIN: Im bauMAGAZIN-Ausblick auf das Jahr 2015 haben Sie im Dezember angekündigt, es sei das Ziel der Bomag, die Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen und die Produktivität der weltweiten Standorte zu erhöhen. Was bedeutet das konkret?
Unger: Unsere weltweiten Standorte sind natürlich miteinander verknüpft. Beispielsweise haben wir in den USA und in Brasilien vor ungefähr zwei Jahren die Fertiger-Aktivitäten von Terex übernommen. Jetzt geht es auch darum, die nächste Produktgeneration zu entwickeln. Dabei gibt es eine enge Verzahnung der Kollegen in Amerika, in Brasilien in Europa oder in China, bei der die Devise gilt: Was können wir gemeinsam nutzen, ohne dabei die Gegebenheiten der regionalen Märkte zu vergessen. Wir machen zwar vieles richtig in Deutschland. Aber wir schätzen auch mal die Bedürfnisse in Südamerika, in den USA oder in China nicht richtig ein. Es ist eine enorme Herausforderung, dass man alle diese Mitarbeiter so zusammenbringt, dass sie gemeinsam etwas für die Zukunft entwickeln. Wir versuchen, eine Art Baukasten zu kreieren, und aus diesem Baukasten heraus definieren wir dann die Technologien, die wir zentral bedienen und die wir regional bedienen.
bauMAGAZIN: Inwieweit funktioniert dieses Baukastenprinzip schon?
Unger: Im Bereich der Verdichtungstechnik sind wir schon sehr weit. Bei den Fertigern ist das so noch nicht so der Fall. Einfach deshalb, weil unsere Fertiger in den USA ja bislang auch den dortigen Bedürfnissen entsprochen haben. Aber wenn wir die nächste Generation entwickeln, muss es diese enge Zusammenarbeit geben.
bauMAGAZIN: Welche Entwicklung zeichnet sich auf dem deutschen Markt ab? Im vergangenen Jahr soll ja laut VDMA die Nachfrage nach Straßenbaumaschinen gut gewesen sein…
Unger: Ich sitze auch in dem Gremium, das diese Einschätzung abgeben hat. Und es war die einhellige Meinung, dass wir in Deutschland in einer vernünftigen Situation sind. Deutschland ist und bleibt die technische Lokomotive. Wenn es um Neu- oder Weiterentwicklung geht, werden ganz viele Themen zuerst in Deutschland aufgegriffen. Zum Beispiel die Verkettung von verschiedenen Prozessen im Straßenbau, also von der Sicherstellung der Qualität in der Asphaltmischanlage bis hin zum Einbau. Aber bei allem Einsatz von Hightech im Straßenbau: Wir brauchen am Ende auch die Menschen, die diese Maschinen bedienen können. Das Anforderungsprofil steigt immer weiter. Deshalb sind wir als Hersteller auch ganz stark gefordert. Zum Beispiel: Wie können wir Hightech einfacher bedienbar machen. Man muss sich heute in eine Maschine setzen können und die Funktionen müssen an vielen Stellen selbsterklärend sein.bauMAGAZIN: Noch einmal zurück zu den Märkten. Was erwarten Sie für das Jahr 2015 auf den für die Bomag wichtigsten Märkten? Welche Auswirkungen haben der Ukraine-Konflikt oder die immer noch nicht beendete europäische Finanzmarktkrise?
Unger: Ich glaube, dass 2015 ein ordentliches Jahr für uns werden wird, bei allem Licht und Schatten, den es gibt. Wir werden meiner Ansicht nach einen sehr starken nordamerikanischen Markt erleben, wobei die europäischen Hersteller beim Export auch von der derzeitigen Wechselkurssituation profitieren. Das sind erst einmal ganz ordentliche Rahmenbedingungen. Was Europa betrifft: Deutschland ist stabil! Wir generieren Haushaltsüberschüsse, und diese werden auch in Zukunftsthemen investiert, und zu denen gehört auch die Infrastruktur. Das ist von einem Teil der Politik erkannt worden. Aber man muss auch aufpassen, dass man nicht die Fehler macht, die in andern europäischen Ländern gemacht wurden, beispielsweise in der Lohnpolitik. Man darf nicht zu euphorisch das Geld ausgeben, das man in den nächsten Jahren erst noch verdienen muss. Trotzdem gilt: Deutschland ist nach wie vor extrem gesund und ein starker Wirtschaftsraum. Wir müssen alles dafür tun, dass es so bleibt. Ähnlich wie in Deutschland ist die Situation in Nordeuropa, während es in Südeuropa immer noch Verwerfungen gibt. Einfluss hat natürlich auch die Situation um Russland. Da gab es große Begeisterung und viel Hoffnung, die jedoch jetzt erst einmal zerstört ist. Da wage ich keinen Blick in die Glaskugel. Grundsätzlich sehe ich in allen relevanten Märkten Potenziale für uns. Mir ist da nicht bang.