Die Bauindustrie erlebt unruhige(re) Zeiten

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Von: Dan Windhorst

Auf dem Papier ist die Rede von Abschwung – einer Konjunkturflaute, die sich in Zahlen ausdrückt, den Blick auf die Dinge aber durchaus zu verzerren weiß. Andere sprechen in diesem Zusammenhang nämlich vielmehr von einer »Rückkehr zur Normalität«, nachdem die Baubranche ein vergoldetes Jahrzehnt erlebt und genossen hat. Gleichwohl tanzt in den Köpfen vieler noch immer das Schlossgespenst einer sich anbahnenden Krise. Und gerade deshalb gilt zu hinterfragen, womit wir es tatsächlich zu tun haben und welche Stellschrauben es braucht, damit sich die Branche, unabhängig von der tatsächlichen Tragweite, besser wappnen kann.

Über viele Jahre hinweg nutzte das bauMAGAZIN die jährlich erscheinende Rubrik »Rückblick–Ausblick«, um solchen Fragen ein Mal jährlich eine Plattform zu bieten. Ein ausgewählter Kreis an Branchenkennern und -größen erhielt die Möglichkeit, die eigene Sicht der Dinge im Rahmen der Dezember-Ausgabe aufzuzeigen. Nun kehrt das bauMAGAZIN mit »Klartext« zu dieser Tradition zurück.

Um der Schnelllebigkeit unserer Zeit zu begegnen und gezielter auf aktuelle Entwicklungen von Baubranche, Wirtschaft und Politik einzugehen, wird das neu gestaltete Format »Klartext« künftig nicht jährlich mit gesammelten Statements, sondern in regelmäßigen Abständen mit einzelnen Branchengrößen und -kennern in den bauMAGAZIN-Ausgaben erscheinen. Anlässlich der April-Ausgabe wollte bauMAGAZIN-Chefredakteur Dan Windhorst wissen, wie die Branche die aktuelle Situation einschätzt – auch und gerade mit Blick auf das eigene Unternehmen. Die Fragestellung hierzu lautet: »Abseits einer Weltpolitik, die zunehmend aus den Fugen gerät, muss sich die deutsche Bauwirtschaft mit vielen Unwägbarkeiten im eigenen Land auseinandersetzen: Neben einer strauchelnden Ampel-Regierung sorgen hohe Baupreise, leere Fördertöpfe und verunsicherte Investoren für gedämpfte Prognosen. Wie beurteilen Sie das? Wie hat sich Ihr Unternehmen im Jahr 2023 entwickelt und welche Erwartungen knüpfen Sie insbesondere an das noch junge Jahr 2024?«

Eine Stellungnahme hierzu gaben diesmal Hanns Markus Renz, Business Director DACH bei Kobelco Construction Machinery Europe, Andreas Velten, Geschäftsführer der Moba Construction Solutions, Marcel Schoch, CEO der HS-Schoch Gruppe sowie Andreas Veith, Geschäftsführer bei Martin und Robin Veltman, Geschäftsführender Gesellschafter der BMAir Gruppe ab. Und die erste Erkenntnis daraus ist, dass das »auf Sicht fahren« in diesem Jahr zwar angebracht sei, die Situation aber keinesfalls falsch interpretiert werden dürfe.d

 

»2024 wird ein Jahr der Anpassungen sein«

Unsere Branche befindet sich im Wandel. Eine unsichere wirtschaftliche Situation, die Anforderungen der Energiewende, hohe Zinsen, Arbeitskräftemangel und Lieferengpässe stellen alle Unternehmen der deutschen Bau- und Baustoffindustrie vor große Herausforderungen. Einmal mehr gilt es, in diesem schwierigen Umfeld aktiv und innovativ zu bleiben – Eigenschaften, mit denen die deutsche Bauwirtschaft in der Vergangenheit allerdings oft gestärkt aus Krisen hervorging. Und vergessen wir nicht: Es gibt einen enormen und dringenden Bedarf an Bauleistungen, egal ob wir von unserer Verkehrsinfrastruktur, der Energiewirtschaft oder dem Wohnungsbau sprechen.

»Im April stellen wir in Paris einen neuen 50-Tonner vor.«

Dennoch wird 2024 wohl ein Jahr der Anpassung an sich grundlegend verändernde wirtschaftliche und gesellschaftliche Rahmenbedingungen werden. Umso wichtiger ist es, dass der Staat und seine Behörden, aber auch der Finanzsektor die Bauschaffenden in ihrer Gesamtheit unterstützen: Dafür braucht es massiv entschlackte, klar definierte Genehmigungsverfahren mit beidseits verbindlichen Fristen, zielgerichtete Förderungen oder allenfalls marktgerechte Finanzierungen ohne teure Mitnahme-Effekte. Nur so können Hersteller, Materiallieferanten, Bauunternehmen und Bauherren die anspruchsvollen Aufgaben stemmen, die sich hinter den Stichworten »prekäre Verkehrsinfrastruktur«, »zukunftsfähige Energieversorgung« und »Wohnungsmangel« verbergen. Auch Kobelco verzeichnete nach dem erfolgreichen 2022 mit seinen deutlichen Corona-Nachholeffekten allgemein eine eher zurückhaltende Investitionsbereitschaft. Positive Ausnahmen bildeten hier allerdings neue Modelle, die wir in der Erdbewegung, für den Straßen- und Tiefbau sowie im Bereich der Mini- bis Midi-Bagger bis 15 Tonnen vorstellten. Der unmittelbare »Return on Investment« – niedrigerer Kraftstoffverbrauch, höhere Anbauleistung, geringere Wartungskosten – ist offensichtlich für viele Bestands- und Neukunden nach wie vor ein entscheidendes Argument. Auch 2024 gehen wir diesen Weg: Im April stellen wir in Paris den Kobelco SK520LC-11E als neuen 50-Tonner vor und auch mit dem Kobelco SK380SRLC-7 als einem der leitungsstärksten Kurzheckbagger setzen wir wieder echte Akzente. d

»Wir sehen mit einem  gewissen Optimismus auf  das noch junge Jahr 2024«

In Anbetracht der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die aktuell sehr spannend sind, dürfen wir auf ein zufriedenes und erfolgreiches Geschäftsjahr 2023 zurückblicken. Wir sollten eines nicht vergessen: Der Baumaschinen- und Anbaugerätemarkt hat in den vergangenen Jahren Rekordumsätze verzeichnet, weshalb wir uns nun vielmehr wieder in der „Normalität“ einpendeln. Unser Vorteil ist, dass wir breit aufgestellt sind und aufgrund unserer langjährigen Expertise neue Lösungen entwickeln können, die aus einer Hand gefertigt sind. Gleiches gilt für unsere individuelle Fertigung, angepasst an die jeweiligen Einsatzanforderungen, wodurch wir noch flexibler auf unsere Kunden reagieren können. Gerade in diesen Zeiten setzen unsere Anwender auf Zuverlässigkeit – und das setzt zwei Dinge voraus: Anbaugeräte, die robust, effizient und langlebig sind, und einen Service, der nah am Maschinisten dran ist. In der Vergangenheit hat Martin stets davon profitiert, auf seine traditionellen Werte zu setzen. Gleichzeitig wurden viele wichtige Investitionen getätigt, um uns zukunftssicher aufzustellen. Das betrifft unsere Entwicklungsabteilung, unsere Dienstleistungen, aber auch unsere hochmoderne Fertigung, was uns heute eine gute Marktposition verschafft. Für 2024 schätzen wir die Situation weiterhin als herausfordernd ein, sehen dies aber nicht als Krise, wie es vielfach in den Märkten kommuniziert wird. Wir sehen mit einem gewissen Optimismus auf das noch junge Jahr 2024. Denn: Da wir Märkte nicht direkt beeinflussen können, werden wir uns bestmöglich anpassen. d

»Wir pendeln uns eher  wieder im Normalbereich ein«

Tatsache ist, dass wir mit der aktuellen Situation nicht zufrieden sein können. In den vergangenen Monaten ist wahrlich viel Bewegung in die Sache geraten. Sowohl auf internationaler als auch nationaler Ebene wirken gleich mehrere Faktoren auf uns und unsere Branche ein. Die weitreichende Diskussion über die aktuelle Baupreisentwicklung, dringend benötigte Fördertöpfe sowie den schwächelnden Wohnungsbau haben spürbar für Verunsicherung gesorgt – sowohl bei uns als auch bei unseren Kunden. Auf internationalem Parkett jetzt einen Konsens zu finden erweist sich angesichts der weltweiten Spannungen als gewaltige Hürde. Mit Blick auf Deutschland erwarte ich hingegen deutliche und vor allem zeitnahe Antworten, um der Wirtschaft, den Investoren und den Bürgern die Unsicherheit zu nehmen. Wichtig ist, dass jetzt die richtigen Impulse geliefert werden. In erster Linie ist hier unsere Politik gefordert: Wir benötigen positive Signale, aber auch Planbarkeit und Weitsicht für den Mittelstand, um der Zurückhaltung bei Investitionen entgegenzuwirken. Für uns waren und sind die Auswirkungen durchaus spürbar: In der zweiten Jahreshälfte 2023 haben wir gerade im Bereich der Standard-Anbaugeräte einen relativ deutlichen Auftragsrückgang gegenüber den Vorjahren verzeichnet. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich unsere Umsatz- und Absatzzahlen nach extrem erfolgreichen Jahren eher wieder im »Normalbereich« einpendeln. Die Bau- und Baumaschinenbranche war Rekordjahre gewohnt und kehrt momentan »auf den Boden der Tatsachen« zurück. Hier also von einer handfesten Krise zu sprechen halte ich für überspitzt.

»Trotz unruhigerer Zeiten sind wir auch für das aktuelle Geschäftsjahr 2024 optimistisch gestimmt.«

Hinzu kommt, dass wir in anderen Segmenten wie der Regenerierung, dem Ersatzteil-Service und der Vermietung aktuell eine positive Entwicklung wahrnehmen. Als großer Vorteil erweist sich unsere individuelle Fertigung: Gerade bei den Anbaugeräten können wir mit Sonderlösungen punkten, die auf die Bedürfnisse des Anwenders zugeschnitten sind. Trotz unruhigerer Zeiten sind wir auch für das aktuelle Geschäftsjahr 2024 optimistisch gestimmt. Ein Grund dafür ist, dass wir als Full-Liner im Bereich Anbaugeräte und als Verschleißteilspezialist entsprechend breit aufgestellt sind: Schwächeln einzelne Produktsparten, können wir wiederum in anderen Bereichen stark performen. In all den Jahren hat sich bei HS Schoch immer wieder gezeigt, dass sich auch in ungewisseren Zeiten neue Chancen ergeben. Und genau die wollen und werden wir mit Weitsicht nutzen.  d

»Wir gehen positiv an die Zukunft heran«

2023 war für die gesamte Baubranche ein Jahr, das nicht so einfach und wachstumsgeprägt war. Verursacht durch die weltweiten, multiplen Krisen und die Inflation haben wir spätestens in der zweiten Jahreshälfte eine starke Verunsicherung bei den Bauunternehmern wahrgenommen. Die Auftragslage war eingebrochen, und es war unklar, wie es in diesem Jahr weitergehen würde. Ausgedrückt hat sich diese Unsicherheit in einer deutlichen Zurückhaltung bei Investitionen und Vorsicht bei Planungen – verständlicherweise möchte jeder, auch die Unternehmer der Baubranche, erst mal wissen, wie es weitergeht, bevor neue Anschaffungen getätigt und Verpflichtungen eingegangen werden.

Diese Entwicklung ist nicht schön. Zurückblickend hatten wir aber bis dahin viele gute Jahre in der Branche. Somit sollten ein oder zwei nicht so gute Jahre zu überstehen sein. Wie es auch von Expertenseite immer wieder zu hören ist, gehen wir davon aus, dass das laufende Jahr 2024 und auch das kommende Jahr 2025 noch herausfordernd sein werden. Spätestens 2026 sollten wir dann aber wieder in gutes Fahrwasser zurückkehren können. Schon jetzt haben wir das Gefühl, dass sich wieder eine gewisse Sicherheit einstellt. Die aktuelle Auftragslage wird wieder einschätzbar und die Marktlage und ihre weitere Entwicklung lässt sich eher absehen.

Daher gehen wir positiv und optimistisch an die Zukunft heran. Mit unseren Technologien verschlanken und verkürzen wir Bauabläufe, helfen Zeit und Material einzusparen. All das hilft dem Bauunternehmer außerdem, dem unausweichlichen Fachkräftemangel zu begegnen. Denn wenn er seine Projekte effizienter abwickelt, stärkt ihn das im Wettbewerb. Er kann seine Preise attraktiver gestalten, besser anbieten und so seine Auftragslage sicherstellen. Genau dafür arbeiten wir von der Moba. d

»Saubere Luft im Fahrerhaus ist lebenswichtig, auch in Zeiten einer instabilen Baubranche«

Es waren, wie in der Branche üblich, bewegte letzte Jahre. Wenn wir auf 2023 zurückblicken, stand es für unsere Unternehmensgruppe ganz im Zeichen der Integration nach der erfolgten Übernahme der Amberg Umwelt-Technik GmbH im Oktober 2022. Die Umstellung auf BMair ist sehr umfangreich; man muss die Mehrwerte von Produktentwicklungen im Hause BMair im Vergleich zu den bestehenden Produkten von Amberg erkennen und erleben können. Sowohl intern als auch extern sind wir auf dem richtigen Weg und haben 2023 gute Ergebnisse erzielt. Unsere Kundschaft gab uns in diesem schwierigen Prozess durchweg positive Resonanz.

Mit der Übernahme von Freshfilter Schutzbelüftung Ende 2023 können wir auch sehr optimistisch auf das kommende Jahr blicken. Für BMair bleibt die Botschaft – trotz der zunehmenden Unsicherheiten in der Baubranche – dieselbe: für die sauberste Luft in einer Kabine zu sorgen. In einer schwachen Wirtschaftslage kommt es oftmals zu Verschiebungen von Investitionen. Wir sehen somit oft Maschinen, die bereits im Feld vollständig mit Staub bedeckt sind, ohne jeglichen Schutz für den Bediener. Das ist uns natürlich ein Dorn in Auge; schließlich hat man nur einen Körper, den man verantwortungsbewusst behandeln sollte. Nach der Arbeitszeit sollte jeder Mitarbeiter seinen Ruhestand sorgenfrei genießen können. Das Risiko, aufgrund unverantwortlicher Arbeitsbedingungen potenziell lebensgefährlich zu erkranken, müssen wir alle gemeinsam verhindern. Es sollte auch der Anspruch jedes Arbeitgebers sein, seine Mitarbeiter vor diesen Gefahren zu schützen.


Deshalb werden wir als BMair auch in diesem Jahr gegen verschmutzte Luft kämpfen. Einerseits durch die Schaffung von Bewusstsein auf dem Markt und andererseits durch das Angebot eines bestmöglichen Service. Nach allen Anstrengungen im Jahr 2023 haben wir unser Vertriebs- und Technikerteam in mehreren Regionen erweitert, um damit eine bundesweite Abdeckung zu gewährleisten.  Ab Mai werden wir unsere Aktivitäten in Deutschland unter dem Namen BMair Deutschland GmbH & Co. KG fortführen. Die Namensänderung von Amberg Umwelt-Technik zu BMair Deutschland ist der Startschuss für eine Reihe großer Entwicklungen. Unsere Marketingabteilung ist bereits damit beschäftigt, eine vollständig neue Markenidentität zu entwickeln, welche wir auf der IFAT 2024 in München präsentieren werden. Die größte Entwicklung für BMair ist eine neue Produktlinie, die später in diesem Jahr erwartet wird. Mit einem neuen europäischen Sicherheitsstandard für Schutzbelüftungsanlagen im Hinterkopf kombiniert unsere Forschung und Entwicklung bestehende patentierte und neueste Technologien zu einer neuen Schutzbelüftungsanlage. Ein System, das bestehende Richtlinien weltweit auf ein höheres Niveau hebt. Das ist es, wofür BMair steht: ohne Kompromisse den bestmöglichen Schutz für Maschinenbedienerinnen und -bediener bieten.d

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