Das Herz des Kabinendesigns schlägt in Sibiu

Lesedauer: min

Das mittelständische High-Tech-Unternehmen setzt dabei zum einen auf den Ausbau des Geschäfts mit den Fahrzeugkabinen – von denen jährlich rund 75000 Einheiten produziert werden –, wie das im Mai gegründete Joint Venture mit Russian Machines im zentralrussischen Twer (das bauMAGAZIN berichtete) unterstreicht, oder auch das bereits 2010 vereinbarte Joint Venture im südindischen Chennai. Als Mitglied der Cab-Alliance – einem Netzwerk unabhängiger, international aktiver Unternehmen im Kabinenmarkt – ist die Fritzmeier Gruppe in insgesamt neun Ländern mit eigenen Werken und mit weiteren sieben Alliance-Werken weltweit vertreten.


Zum anderen wolle man aber auch im Bereich Kunststoff-Baugruppen wachsen, so Georg Fritzmeier. Schon heute liefert das Unternehmen beispielsweise Komponenten für den Actros von Mercedes-Benz oder Carbon-Teile für BMW. Angestrebt werde zudem, künftig vermehrt Aluminium-Kabinentüren- oder -fenster für Busse und Züge zu produzieren. Auch in der von seiner Schwester Ursula geleiteten Sparte Umwelttechnik will man expandieren und setzt dabei unter anderem auf den Pflanzenspektrografen Isaria mit seinem präzisen und intelligenten Mess- und Düngesystem. »Davon versprechen wir uns in Zukunft einiges«, sagte Fritzmeier.


Der Firmenchef hat aber noch ein anderes Steckenpferd. Mit dem Tochterunternehmen M1-Sporttechnik entwickelt und produziert Fritzmeier hochwertige Carbon-Fahrräder, die auch als E-Bike angeboten werden – wie die Secede-Modelle, die ersten komplett teilbaren Räder mit Elektroantrieb. Damit setzt er die Tradition seines Vaters Rupert fort, der in den 1970er-Jahren mit technologischen Innovationen im Sport für Aufsehen ­gesorgt hat. So entwickelte er den ersten Vollkunststoff-Ski, den die Doppel-Olympiasiegerin Rosi Mittermeier fuhr, oder die Surfbretter der Marke Mistral, mit denen der US-Amerikaner Robby Naish zigfacher Weltmeister wurde.

Die neue Vision heißt FCloud

Für Innovationen steht auch das von Vice President und Cabs-Geschäftsführer Uwe Rastel aufgebaute Werk in Sibiu, in dem die Ingenieure derzeit an der Umsetzung einer neuen Vision arbeiten: nämlich am Aufbau der FCloud, einer flexiblen, standortübergreifenden Engineering-Plattform für alle Kabinenwerke der Fritzmeier Gruppe sowie deren Partner. Ziel ist der Aufbau ­eines Datennetzwerkes, mit einheitlichen Abläufen und Systemen, in das alle – vom Lieferanten über die Joint-Ventures bis zu den Kunden – eingebunden sind. »Wir beginnen mit den sieben Kabinenwerken von Fritzmeier und werden die anderen nach und nach einbinden«, sagte Radu Vasiu, Geschäftsführer des Fritzmeier-Werks in Sibiu.


Durch FCloud werde die Effizienz im Engineering nochmals erheblich verbessert. Der gemeinsame Zugang auf CAD-Daten, Datenbanken und Lizenzen bei einheitlicher Domäne ermögliche unter anderem, dass Mit­arbeiter an jedem Standort am gleichen Projekt gleichzeitig arbeiten könnten und die Daten online in allen Werken mit dem letzten Änderungsstand verfügbar seien. »Der Engineering-Arbeitstag beginnt in Indien und endet in der zweiten Schicht in Sibiu, wenn die indischen Mitarbeiter bereits wieder auf dem Weg zur Arbeit sind.«


Was 2002 mit drei Ingenieuren begonnen hat, ist mittlerweile zu einer veritablen Erfolgs­geschichte geworden. Mit den derzeit insgesamt knapp 170 Mitarbeitern zählt Fritzmeier zu den wichtigen Arbeitgebern in Sibiu und erwirtschaftete im vergangenen Jahr einen Umsatz von knapp 8 Mio. Euro. Zum Leistungsspektrum gehören die Entwicklung von Kabinen in ihrer Gesamtheit, unter Verwendung von aktuellsten Technologien für die Modellierung der mechanischen und elektrischen Komponenten, Ergonomie Tools, FE-Berechnung oder Simulationen unter Verwendung einer gruppenübergreifenden Datenbank. In der Produktion werden die hauseigenen entwickelten Leichtbau-Fahrzeugkomponenten wie Türen, Scheibensysteme und Baugruppen hergestellt.

»In Ingenieure investiert«

»Zu einer Zeit, in der westeuropäische Unternehmen wegen der billigen Arbeitskräfte Teile ihrer Produktion nach Rumänien verlegten, haben wir konsequent in die Ausbildung von Ingenieuren investiert«, erläuterte Uwe Rastel die Strategie. »Uns ging es von Anfang an um Know-how, um den Aufbau und das Schaffen qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze.« Deshalb spiele auch das Recruiting von Studenten der Fakultät für Engineering der Universität »Lucian Blaga« in Sibiu eine zentrale Rolle bei der Weiterentwicklung des Standortes. So seien derzeit rund 40 % der Angestellten junge Universitätsabsolventen. Auch die Verantwortlichen der Universität loben das bayerische High-Tech-Unternehmen. »Wir sind froh, dass Fritzmeier unseren Studenten so viele Kurse, Praktika und Arbeitsstellen zur Verfügung stellt«, sagte Professor Liviu Rosca, Dekan der Fakultät für Engineering mit derzeit rund 3000 Studenten. »Die Zusammenarbeit mit internatio­nalen Firmen vor Ort ist sehr wichtig für uns.«


Die Aktivitäten des Fritzmeier-Engineering-Centers umfassen heute folgende Kompetenzbereiche: Design der kompletten Kabinen, Finite Elemente Berechnung (FE) im frühem Designstadium, die Kabelbauentwicklung in 2D und 3D, Ergonomie-Überprüfung, das gesamte Design der Schweiß- und Prüfvorrichtungen für die Prototyp- und Serienproduktion sowie die technische Produktdokumentation, die alle wesentlichen Arbeits- und Prüfschritte beinhaltet.


»Die Herausforderung besteht darin, die Kabinen exakt nach dem Kundenlastenheft zu entwickeln und das vereinbarte Industriedesign mit produzierbaren Komponenten zu erreichen«, erklärte Entwicklungsleiter Marian Ilas. »Denn unsere Kunden legen neben maximaler Qualität viel Wert auf das Erreichen des Kostenziels für ihre Produkte.« Dabei spielen maximale Sicherheit und Komfort für den Fahrzeuglenker eine herausragende Rolle, gehen die Kabinenspezialisten über die gesetzlich vorgeschriebenen Normen und Standards hinaus.


»Komfort und Sicherheit für den Bediener, das sind die entscheidenden Aspekte bei der Entwicklung einer Kabine«, ergänzte Uwe Rastel. »Denn nur, wenn sich der Bedienter in der Kabine sicher und wohlfühlt, kann er auch effizient mit der Maschine arbeiten.«

»Leistungsstarkes Profitcenter«


Dass das Werk in Sibiu sich in den vergangenen Jahren zu einem leistungsstarken Profitcenter entwickelt hat, das betonte Georg Fritzmeier. »Innovationen wie beispielsweise die aus Aluminium geschweißten Bagger­lader-Heckfenster, die Aluminium-Kabinentür im moderne Ganzglas-Design mit integrierten flach schließenden oder ­innen liegenden Aktiv-Scharnieren, die wir kürzlich mit unserer Concept Cab auf der Bauma vor­gestellt haben, sind alle hier ­entwickelt worden«, sagte Fritz­meier. »Und viele unserer größten und langjährigen Kunden verlassen sich mittlerweile bei der Entwicklung von neuen Kabinenbauteilen auf die Erfahrung und die Manpower unserer Engineering-Spezialisten hier in Sibiu.«


Von Michael Wulf


 

[12]
Socials