»Wir entwickeln und produzieren in Zukunft auf Grundlage einer Plattform-Technologie, um weltweit in der Lage zu sein, modular konzeptionierte Maschinen entsprechend den marktspezifischen Anforderungen zu bauen«, erklärte Joachim Strobel im Gespräch mit dem bauMAGAZIN am Rande des VDBUM-Großseminars in Braunlage (siehe auch Seite 349). »Dieser Prozess ist eingeleitet. Liebherr wird mit dieser 2-Linienstrategie auch langfristig in der Lage sein, die richtigen Produkte sowohl für die etablierten Märkte in Europa und Nordamerika als auch für die Emerging Markets zu bauen«, so der Geschäftsführer Vertrieb der Liebherr-EMtec GmbH, der weltweiten Obergesellschaft der Sparte Erdbewegung. »Durch die höhere Flexibilität ergibt sich eine Kostenersparnis. Und nur so kann man auf preissensitiven Märkten Marktanteile hinzugewinnen.« Die zweite maßgebliche Weichenstellung in der Unternehmensgruppe betrifft die Entwicklung und Fertigung von Kernkomponenten sowie deren Vertrieb. Dieser Geschäftsbereich ist inzwischen innerhalb der Firmengruppe Liebherr in einer eigenen Sparte gebündelt. »Die Komponentenentwicklung und -fertigung hat bei Liebherr immer eine gleich große Rolle gespielt wie die Entwicklung der Maschine selbst«, erläuterte Joachim Strobel. »Deshalb sind Komponenten ein wichtiger Bestandteil unserer Strategie, zumal dieses Know-how auch die Grundlage für unsere Produktinnovationen ist.«
Zu den Kernpunkten der Plattformstrategie gehört laut Joachim Strobel, dass Liebherr in absehbarer Zeit speziell für die Emerging Markets ein zu der bestehenden Palette flankierendes Modellportfolio anbietet, das drei bis vier Radlader sowie vier Kettenbagger in der Klasse von 18 t bis 25 t umfasst. »Damit deckt man rund 80 % der in den Emerging Markets nachgefragten Maschinentypen ab«, sagte Strobel. Allerdings werde es noch eine Zeit lang dauern, bis dieser Prozess der Umstellung abgeschlossen sei. »Uns ist bewusst, dass man nur mit einer den lokalen Erfordernissen entsprechenden Modellpalette in diesen Märkten erfolgreich sein kann. Wir rechnen jedenfalls damit, dass wir in etwa zwei Jahren die ersten positiven Effekte feststellen können.« Mittelfristig plane Liebherr, Baumaschinen nach dem Baukastenprinzip zu produzieren. »Die modulare Bauweise sorgt für eine enorme Flexibilität bezüglich kundenorientierter Lösungen bei gleichzeitiger Optimierung der Kosten«, so Strobel.
Liebherr hat seit jeher Wert darauf gelegt, wichtige Baugruppen und Systeme auf dem Gebiet der mechanischen, hydraulischen und elektrischen Antriebs- und Steuerungstechnik selbst zu entwickeln und zu fertigen. Das Wachstum des Komponentenbereiches als interner Zulieferer der Firmengruppe und der vermehrte Verkauf von Liebherr-Komponenten an externe Kunden führten letztlich zu der logischen Konsequenz, die an mehreren Standorten verteilten Aktivitäten zusammenzuführen. Zu diesem Zweck wurde 2007 die Sparte Komponenten gegründet. Spartenobergesellschaft ist die Liebherr-Component Technologies AG mit Sitz in Bulle (Schweiz). Das Programm umfasst Dieselmotoren, Gasmotoren, Hydraulikpumpen und -motoren, Hydraulikzylinder, Großwälzlager, Getriebe und Seilwinden, elektrische Maschinen sowie elektrische und elektronische Steuerungen und Komponenten.
Komponentensparte neu organisiert
Die Aufgabe der Komponentensparte ist es auch weiterhin, die Firmengruppe zuverlässig mit Kernkomponenten zu beliefern. Und natürlich dafür zu sorgen, mit selbst entwickelten Komponenten den technologischen Vorsprung zu sichern. »Gleichzeitig sorgt die Kompetenz auf verschiedensten Gebieten der Technik aber auch dafür, dass Liebherr immer wieder ganz neue Geschäftsfelder erschließen kann«, sagte Strobel. Als Beispiel nannte er die riesigen Sonnenschirme, die Liebherr für die Pilgerstätten in Mekka und Medina baut. »Dieses Projekt wird federführend von der Liebherr-Werk Ehingen GmbH betreut, es sind jedoch mehrere Liebherr-Gesellschaften involviert. Es gibt wohl nur wenige Unternehmen, die diese Kompetenz haben, solche Beschattungsanlagen für zigtausende von Menschen zu konstruieren und zu produzieren.«
Um das Potential im Bereich der Komponenten künftig noch besser zu nutzen und die Technologien noch stärker an Kunden außerhalb der Firmengruppe zu vermarkten, baut die Sparte Komponenten derzeit ihre Vertriebsorganisation weiter aus. Auch in die Fertigung wird investiert. Allein im vergangenen Jahr beliefen sich die Investitionen auf rund 76 Mio. Euro. Im Bau ist unter anderem ein neues Zweigwerk in Biberach, in das der Schaltschrank- und Elektromotorenbau aus dem bestehenden Biberacher Komponentenwerk verlagert werden soll.
Neues Werk in Kirchdorf
Zahlreiche weitere Investitionsmaßnahmen sollen dazu dienen, den Komponentenbereich weiter zu stärken. So ist geplant, im Kirchdorfer Teilort Oberopfingen auf einem 370 000 m² großen Grundstück eine Endmontagehalle für Hydraulikzylinder zu errichten. An diesem neuen Standort ist außerdem ein Kontinentallager geplant, von dem aus zukünftig die weltweite Ersatzteilversorgung der Firmengruppe im Baumaschinenbereich gesichert werden soll.
Den Anfang macht die Sparte Erdbewegung. Mit der Baumaßnahme werden bei der Liebherr-Hydraulikbagger GmbH in Kirchdorf, bei der zurzeit die Hydraulikzylindermontage angesiedelt ist, wieder Flächen frei: »Wir werden diese für den weiteren Ausbau unserer Produktpalette brauchen«, sagte Strobel, »und hoffen deshalb, dass wir mit dem ersten Bauabschnitt in Oberopfingen noch in diesem Jahr beginnen können.« Definitiv nicht zu den neu in Kirchdorf gebauten Produkten werden Bagger der Mini- und Midi-Klasse gehören, so Strobel. »Als Hersteller mit den meisten Mobil-Kompaktbaggern im Portfolio haben wir hier klar unsere Schwerpunkte gesetzt und wollen uns nicht in dieses Feld stürzen. Man muss die eigenen Stärken sehen und die liegen nicht im kleinen Massengerät.« Ebenso stellte Strobel klar, dass Liebherr den vor drei Jahren mit dem Bauma-Innovationspreis ausgezeichneten Energierückgewinnungszylinder »in der Form« nicht in Erdbewegungsmaschinen einbauen werde, um damit auf die Ankündigung eines Wettbewerbers zu reagieren, der auf der Bauma einen Bagger mit einem hydraulischen Hybridantrieb präsentiert. »Wir denken, dass diese Technologie nicht in der Erdbewegung, sondern bei großen Umschlagmaschinen mit klar definierten Ladezyklen den größten Effekt hat, weshalb wir sie derzeit auch nur dort verbauen.«
Auch hinsichtlich der Nutzung eines leistungsverzweigten Getriebes für Radlader hielt sich Strobel bedeckt. Die Nutzung dieses Antriebs werde sicherlich im multiplen Lang- und Kurzstreckeneinsatz interessant. »Auch Liebherr wird auf der Bauma seinen technologischen Stand bei dieser Thematik vorstellen. Die entscheidende Frage wird sein, von welcher Technologie-Seite man einsteigt. Das Know-how in Sachen hydrostatischer Antrieb, das wir uns erarbeitet haben, bietet hier mit Sicherheit auch Vorteile in der Beherrschbarkeit eines leistungsverzweigten Antriebes.« Ein anderes zukunftsweisendes Thema auf der Bauma ist für Liebherr die sogenannte intelligente Baumaschine. »Wir werden einen Hydraulikzylinder mit einem intelligenten Wegmesssystem präsentieren, was ohne zu übertreiben als Meilenstein auf dem Weg zur automatisierten Baumaschine bezeichnet werden kann«, kündigte Strobel an.
Konkreter wurde Strobel hingegen bei der Beurteilung der vor zwei Jahren in Deutschland eingeführten neuen Vertriebsstruktur. Die seinerzeit unter dem Dach der Liebherr-Baumaschinen Vertriebs- und Service GmbH in Kirchdorf gebündelten Werksniederlassungen sollten in einem dualen System zusammen mit den Handelspartnern von Liebherr den Vertrieb und Service in Deutschland optimieren. »Die neue Struktur und der einheitliche Auftritt haben sich absolut bewährt. Es war genau die richtige Entscheidung«, so Strobels Fazit. »Wir haben die Zahl der Vertriebs- und Servicestellen sogar weiter ausgebaut und können weiterhin auf das größte Vertriebs- und Servicenetz der Baumaschinenbranche in Deutschland verweisen.«
Diese große Präsenz und Kundennähe habe sich auch positiv auf den Absatz ausgewirkt, obwohl die Nachfrage auf dem deutschen Markt im vierten Quartal 2012 deutlich zurückgegangen sei und insgesamt rund zehn Prozent weniger Baumaschinen abgesetzt wurden als 2011. »Wir haben ein gutes Jahr hinter uns«, sagte Strobel, »auch wenn wir leicht hinter unseren zugegebenermaßen sehr optimistischen Planungen zurückgeblieben sind. Unsere Marktanteile haben wir teilweise sogar leicht verbessern können.«
Gründe für die Zurückhaltung vor allem in den letzten drei Monaten des Jahres 2012 sind für Strobel die Euro-Krise und die immer noch für Diskussionen sorgenden neuen Emissionsrichtlinien. »Viele Kunden sind einfach verunsichert, weil die Politik die Staatsschulden- und die Euro-Krise immer noch nicht bewältigt hat. Das spielt bei Investitionsentscheidungen natürlich unterschwellig eine Rolle«, so Strobel. »Deutschland ist zwar immer noch so etwas wie der Fels in der Brandung, aber keiner weiß derzeit, wie lange das der Fall sein wird.«
»Tier V wird kommen«
Aber auch die Einführung der neuen Motoren gemäß der Emissionsrichtlinie Tier 4 interim/Stufe III B spiele eine Rolle. »Viele Kunden haben die Anschaffung einer neuen Maschine bewusst verschoben, weil sie erst wissen wollen, wie diese neuen Motoren sich im Praxiseinsatz wirklich bewähren.« Wobei Strobel die neuen Emissionsvorschriften generell äußerst kritisch sieht: »Da werden von der Politik Dinge in unglaublich kurzen Zeitzyklen vorangetrieben, die in der Gesamtbilanz in keiner Verhältnismäßigkeit stehen. Gleichzeitig jedoch werden der Wirtschaft Belastungen zugemutet, deren mittel- und langfristige Auswirkungen noch keiner abschätzen kann.« Deshalb versuche man über den Europäischen Baumaschinenverband CECE Aufklärungsarbeit zu leisten, damit das Zeitfenster bei der Einführung neuer, noch weitergehenden Emissionsvorschriften größer wird. »Aber Tier V wird kommen«, sagte Strobel, »die Frage ist nur: wann? Und diese Frage können wir vielleicht positiv beeinflussen.«
Grundsätzlich sei Liebherr auch weiterhin sehr positiv gestimmt: »Wir freuen uns auf die Bauma. Wir sind sehr gut gerüstet und haben uns in unserer Firmengeschichte immer wieder durch große Herausforderungen zu großen Leistungen motiviert. Ein Vorteil ist dabei sicherlich unsere Innovationskraft, unsere Effizienz und unsere Einstellung, die auf den Firmengründer Hans Liebherr zurückgeht, der sagte: Nur wenn unsere Kunden zufrieden sind, können auch wir zufrieden sein.«
Von Michael Wulf