MEVA: Sonderkonstruktion löst komplexe Schuppengeometrie

Die Verlängerung der Stadtbahnlinie U 6 in Stuttgart erlaubt es Reisenden künftig, ohne Umsteigen vom Nordwesten der Stadt zum Flughafen im Süden zu fahren. Im Gesamtprojekt der Stuttgarter Straßenbahnen sind viele Baufirmen tätig. Den größten Auftrag, den Bau des Rampen-, Tunnel- und Endhaltestellenbauwerks am Flughafen, hat das Bauunternehmen Züblin erhalten. Beim Bau einer besonders anspruchsvollen Schuppenwand setzte das Unternehmen auf die planerische Kompetenz von MEVA. Diese architektonisch ausgefallene Wandkonstruktion befindet sich an der Endhaltestelle Flughafen/Messe.

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Die Schuppenwände erforderten in Planung und Umsetzung Fingerspitzengefühl. »Es ist das erste Mal für uns, dass wir eine Wand in dieser Art und Weise ausgeführt haben. Der Aufwand war daher schwer einzuschätzen. Mit der Unterstützung von MEVA hat diese Premiere für uns aber sehr gut funktioniert«, sagt Züblin-Bauleiter Heiko Wagner. Dazu übersetzten die MEVA-Ingenieure eine unbemaßte Skizze aus der Ausschreibung in ein detailliertes 3D-Modell. Winkel, Nischen und Abstände sind darin genau eingezeichnet.

Anforderungen des Projekts

Im nach oben offenen Haltestellenbereich zwischen Kongresshotel im Norden und Flughafen im Süden ragen die Schuppenwände mit einer Höhe von bis zu 9,3 m empor. Die Höhe ist nicht gleichbleibend und orientierte sich in der Planung an einem Rad- und Gehweg in der Nähe. Die Schuppen haben eine Breite von 4 m und sind überlappend angeordnet, um den Eindruck einer geschuppten Fläche zu erzielen. Oben kragen die Schuppenwände aus und verjüngen sich. Die Verjüngung wurde per Rückseitenschalung erzielt. Um dabei einen schnellen und effizienten Baufortschritt zu erreichen, sollte es zudem möglich sein, die Elemente der Sonderschalung miteinander zu koppeln.

In 18 Takten wurden die Schuppenwände erstellt. Die aufwendige Geometrie spiegelte sich bereits beim Einbringen der Bewehrung wider, die mit einem exakten Muster am Boden den Formen der Schuppenwände folgte. Anschließend wurden 15 cm hohe Anfänger betoniert, die den späteren Aufbau der hohen Sonderschalungen samt Stützböcken erleichterten.

Nischenschalung in drei Teilen

Die schuppenförmige Anordnung zusammen mit der einhäuptigen Betonage erforderte eine Lösung, um den Freiraum zwischen den einzelnen Schuppen abzubilden. Eine von MEVA konstruierte Nischenschalung schafft Abhilfe und erlaubte es, die geforderten Geometrien in der Umsetzung effizient zu realisieren. Da die Nischen zwischen den Schuppen später beleuchtet werden, war nicht bloß eine rechteckige Aussparung zu planen. Es galt auch die elektrische Versorgung in Form einer dahinter gelagerten Nische zu gewährleisten. Zudem benötigte man einen Nischenanfänger am Boden, um die unterschiedliche Winkellage zu den Blockfugen zu berücksichtigen. Die vordere Nischenschalung ist schließlich das größte Element dieser drei Bauteile. Die Entwicklung einer technisch cleveren Lösung erforderte einiges an kreativer Ingenieursarbeit. Aufgrund der beengten Verhältnisse entschied man sich dabei für eine Konstruktion aus Stahl.


Detaillierte Lösung

Um die Nischenschalung sicher zwischen den Schuppen einzubringen, waren mehrere Aspekte zu beachten. So wird sie zum einen durch den Rahmen hindurch an der Schalung verschraubt. Weiterhin sind passgenaue Holzplatten in der Aussparung integriert, um dem Frischbetondruck Stand zu halten. Außerdem wird ein Sonderhalter, ein L-förmiges Metallteil, in die Nischenschalung eingebracht. Die lange Seite des L wird am Rahmen der Schuppenschalung fixiert. Sie dient bei einer Schütthöhendifferenz und auftretender Frischbetondruckdifferenz zwischen zwei Schuppen als horizontale Sicherung, indem der Druck in den Rahmen abgeleitet wird. Um nach der Betonage die Nischenschalung wieder zu entfernen, wurde sie außerdem trapezförmig konstruiert und mit Gelenkecken versehen. Als Trapez ist die Rückseite schmaler. Ist der vordere Teil frei, kommt es somit nicht zur Reibung und das Teil kann leicht entnommen werden. Die Gelenkecken erlauben es außerdem, die Seiten einzuklappen und erleichtern weiterhin den Ausschalprozess.

Nord-Süd-Differenz

Neben der komplexen Detaillösung gab es auch im Großformat Herausforderungen, denen die MEVA-Ingenieure begegneten. Die Geometrien der Schuppenwände unterscheiden sich auf Nord- und Südseite. So ist die Anordnung der Schuppen entgegengesetzt und auch die rückseitige Verjüngung gestaltet sich wegen der Umgebung unterschiedlich. Die 140 m lange Südseite erhält auf der Rückseite eine Schräge, während auf der mit 93 m kürzeren Nordseite eine Rinne konstruiert wird. Aufgrund der besonderen Form waren dazu passgenaue Sonderschalungen nötig, die sich im Verlauf der Bauarbeiten wiederverwenden lassen. »Unsere Bauabläufe unterscheiden sich je nachdem, in welchem Bereich gearbeitet wird«, erklärt Bauleiter Heiko Wagner die Herausforderungen der Nord-Süd-Differenz. »Anfangs mussten wir besonders konzentriert arbeiten. Nach etwa zwei Einsätzen hatten wir aber den Bogen raus. Man merkt, dass MEVA bei der Planung auch die Praxis im Blick hatte und die Anwendung möglichst einfach gestaltet wurde.«

Aus eins mach zwei

Da die Schuppenwände nicht nur über unterschiedliche Rückseiten verfügen, sondern auch nach oben über die Baugrube hinausragen, war der Einsatz einer ausschließlich einhäuptigen Schalung nicht möglich. MEVA erarbeitete eine Möglichkeit, um die ein- und zweihäuptige Arbeitsweise zu kombinieren. Der untere Bereich wird mithilfe Stützbock STB 450 und Industrieschalung Mammut 350 gegen die Baugrubenwand betoniert. Dabei erleichtert die vollflächige Frischbetondruckaufnahme von bis zu 100 kN/m² das Arbeiten, weil man bis zu einer Wandhöhe von 4 m nicht auf die Betoniergeschwindigkeit achten muss. Aufgrund der unterschiedlichen Rückseiten hat der einhäuptige Bereich auf der Nordseite eine Wandstärke von ca. 1 m und auf der Südseite von 1,3 m. An der Nordwand ist zudem der einhäuptige Bereich größer, nimmt daher höhere Kraft auf und wird mit drei Triplex-Stützen gesichert. An der Südwand genügen zwei der modularen Schwerlaststützen von MEVA. Im oberen Bereich der Schuppenwände wird aus der einhäuptigen eine zweihäuptige Schalung. Eine Stahlrahmenkonstruktion von MEVA hält den rund 2,5 m hohen Abschnitt. Da die Schuppenwände insgesamt die gleiche Höhe haben, wird der Höhenunterschied im einhäuptigen Bereich zwischen Nord und Süd per Stützblech an der Stahlrahmenkonstruktion ausgeglichen.

Mut zu neuen Lösungen

Die Funktion des Stahlrahmens gleicht einem Trockenanker. Im gesamten Bereich des Stahlrahmens wird die Schalung somit nicht durchgeankert. »Ursprünglich war zunächst eine zweiseitige Ankerung vorgesehen«, erinnert sich Projektleiter Christian Hoffmann von Züblin. »Für ein einheitliches Bild der Betonflächen hätten wir daher auch im einhäuptigen Bereich gleichmäßig Blindkonen einbringen müssen. Der Aufwand wäre enorm gewesen.« Der MEVA-Vorschlag, mit einem Stahlrahmen zu arbeiten, ermöglicht eine Verschalung, die man als zweimal einhäuptig bezeichnen könnte. Somit entstehen keine Ankerlöcher und die Notwendigkeit von Blindkonen entfällt. Der vereinfachte Arbeitsprozess bietet einen deutlichen Zeitvorteil. Gleichzeitig sieht die Fläche ebener und gleichmäßiger aus. »Das war ein absoluter Mehrwert für unser Projekt«, freut sich Hoffmann.

Glatt und strukturiert

Um besonders glatte und gleichmäßige Betonoberflächen zu erzielen, wurde die Sonderschalung in den MEVA-Werken mit der alkus-Vollkunststoffplatte ausgestattet. Die Platten wurden von hinten verschraubt. Fugen und Ecken wurden mit dem gleichen Kunststoffmaterial verschweißt, aus dem auch die Platten bestehen. Neben den glatten Flächen der alkus-Vollkunststoffplatte findet sich am Rand der Schuppen eine leichte Maserung. Diese wird mithilfe einer Strukturmatrize erzielt. Für eine stimmige Ansicht wurden die Schalungsplatten passgenau und ohne Erhebung nebeneinander in der Sonderschalung eingebaut. t

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