Liebherr Werk Nenzing: Erstes akkubetriebenes Großdrehbohrgerät besteht Feuertaufe

Das weltweit erste akkubetriebene Großdrehbohrgerät LB 16 unplugged, das von Liebherr auf der Bauma als Prototyp vorgestellt worden ist, hat seine Feuertaufe jetzt auf einer offiziellen Baustelle bestanden: So war die Maschine an der Anschlussstelle Bludenz-Bürs der Autobahn A 14 in Vorarlberg im Einsatz, einer der größten Straßenbaustellen Westösterreichs. Warum die emissionsfreie Baustelle einer der Entwicklungsschwerpunkte bei Liebherr ist und wie dies bei einer Spezialtiefbaumaschine wie dem LB 16 umgesetzt wurde, das erläuterten die Geschäftsführer Holger Streitz (Technik) und Gerhard Frainer (Vertrieb) von der Liebherr-Werk Nenzing GmbH im Rahmen der Liebherr-Informationsfahrt für die internationale Baufachpresse.

Lesedauer: min
Von: Michael Wulf

Bereits zum Start des Projekts habe man an der Akzeptanz eines kabelbetriebenen Bohrbetriebs gezweifelt, so Holger Streitz. »Es bestand daher von Anfang an die klare Forderung, einen ganzen Arbeitstag aus dem Energiespeicher des Geräts – ohne Kabel, also unplugged – zu bedienen.« Nachteilig bei dieser »Extremanforderung« sei beim LB 16 die sehr begrenzte Baugröße für die Positionierung der Batterietröge gewesen.

Acht Stunden lang kabellos bohren

Mithilfe des Telematik-Systems LiDAT habe man einen Referenzarbeitstag und daraus wiederum die maximal mögliche Batteriegröße für den zur Verfügung stehenden Bauraum definiert. »So können rund 80 % aller gemessenen Bohreinsätze kabellos in einer zehn Stunden andauernden Schicht ermöglicht werden«, betonte Holger Streitz und stellte zur Veranschaulichung einen Vergleich zur Automobilindustrie her: »Beim LB 16 unplugged sprechen wir von einer Batteriekapazität, die der von etwa sieben Tesla-S-Modellen oder sieben Audi-e-tron-Fahrzeugen und damit einer Reichweite von rund 3 000 km entspricht.«

»Unser Ziel war es auch, nicht nur einfach ein neues Maschinen-, sondern ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln«, sagte Gerhard Frainer. »Nach den überwältigenden Reaktionen des Marktes sei man jetzt gespannt auf die weitere Entwicklung. »Die Maschine funktioniert, aber wir sind erst am Anfang.« Diese neue Technologie bedeute auch eine Art Wechsel, ergänzte Holger Streitz, der letztlich das gesamte Unternehmen erfasse. »Egal welche Technologie sich in den nächsten Jahren durchsetzen wird, es wird zunehmend ›elektrisch‹ werden. Und dieses erste Jahr an Erfahrung kann man uns nicht mehr nehmen. Deshalb lautet sein Fazit: Die First-Mover-Strategie hat funktioniert.«


Spezialtiefbau erstmals nahezu emissionsfrei umgesetzt

Funktioniert hat auch der LB 16 unplugged auch bei seinem Ersteinsatz auf der Autobahnbaustelle in Vorarlberg. Durch Überlastung kommt es dort immer wieder zu massiven Verkehrsbehinderungen. Um gefährliche Rückstaus auf der Rheintal-Walgau-Autobahn A 14 zu vermeiden, werden im Auftrag der ASFINAG, der österreichischen Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungsgesellschaft, bis Ende 2021 ein großer Kreisverkehr mit zwei Brücken über die A 14 sowie zwei neue Anbindungen an Landesstraßen errichtet. Das einzigartige an dieser Baustelle war, dass durch die Verwendung von Maschinen mit elektrischem Antrieb der Spezialtiefbau zum ersten Mal nahezu emissionsfrei umgesetzt werden konnte.

Das lokale Bauunternehmen i+R realisierte dabei den Spezialtiefbau auf der Westseite. Für die Gründungsarbeiten setzte i+R mit dem LB 16 unplugged das weltweit erste Bohrgerät auf dem Markt mit »Local Zero Emission« ein. Die Herausforderung für i+R waren dabei das enge Baufeld selbst sowie die beschränkte Arbeitshöhe, mussten doch die Pfahlgründungen direkt unter einer Hochspannungsleitung eingebracht werden.

Tagesleistung der Maschine lag bei etwa zwei Pfählen

Deshalb wurde das Bohrgerät als Low Head ausgeführt, also mit verkürztem Mäkler. i+R erstellte im Rahmen des Projektes 148 Pfähle und bohrte insgesamt 1 742 m in den Boden. Dabei wurden etwa 1 200 m³ Beton verbaut. Die Pfähle variieren zwischen zehn und 14 m Tiefe und haben einen Durchmesser von 900 mm. Durch die beschränkte Arbeitshöhe mussten Bohrrohre mit geringer Länge (2 m) verwendet und die Bewehrungskörbe in Teilstücken eingebaut werden. Die Tagesleistung der Maschine lag bei ca. zwei Pfählen.

Die Anlieferung des Betons erfolgte teilweise mit einem Liebherr-Betonmischer ETM 905 mit elektrischem Trommelantrieb. Dessen Batteriekapazität reicht im Normalbetrieb für einen ganzen Arbeitstag. Als Plug-in-Hybrid kann die Batterie während der Fahrt oder extern über einen Stecker, beispielsweise an einer Betonmischanlage, nachgeladen werden. Außerdem hatte i+R einen elektrischen Kompaktbagger im Einsatz.

Bestmögliche Kombination

Somit sei erstmals eine Baustelle im Spezialtiefbau mit fast ausschließlich elektrisch angetriebenen Maschinen umgesetzt und die bestmögliche Kombination aus Kundennutzen, Umweltverträglichkeit und Effizienz erreicht worden, so Liebherr. Auf ein Jahr hochgerechnet könnten so rund 35 000 l Diesel eingespart und ein CO₂-Ausstoß von mehr als 92 t vermieden werden.

»Innovative Entwicklungen wie dieses weltweit erste Bohrgerät mit Null-Emissionen zeigen, dass auch auf Baustellen der ASFINAG ausreichend Platz für umweltschonende Baupraktiken besteht«, sagte Andreas Fromm, Geschäftsführer der ASFINAG Bau-Management. So gesehen war und ist die Baustelle bei Bludenz-Bürs eine Win-Win-Situation für alle: mehr Sicherheit und weniger Staus für die Vorarlberger Bevölkerung und umweltschonender Einsatz von Baumaschinen auf der derzeit größten ASFINAG-Baustelle in Vorarlberg.«    m

[6]
Socials