Hochbau (Schalung/Gerüste/Beton) Im Blickpunkt Titelstory

Gute Zahlen, eine Weltpremiere und der Blick in die Zukunft

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Von Michael Wulf

Dass die Liebherr-Gruppe ihren Umsatz in den ersten sechs Monaten dieses Jahres um 115 Mio. Euro im Vergleich zum Vorjahreszeitraum hat steigern können, ist laut Stefan Heissler – als Mitglied des Direktoriums der Liebherr-Inter­national AG in Bulle (Schweiz) unter anderem für die Unternehmenskommunikation verantwortlich – vor allem auf die gute Geschäftsentwicklung in Westeuropa zurückzuführen. In diesem mit Abstand wichtigsten Absatzmarkt mit einem Umsatzanteil von 54,1 % erwirtschaftete Liebherr in der Zeit von Januar bis Juli 2,437 Mrd. Euro, was einem Plus von 9,1 % entspricht. Auch im Bereich Baumaschinen und Mining, traditionell die umsatzstärkste Geschäftseinheit, konnte Liebherr seine weltweiten Umsätze um 2,8 % auf insgesamt 2,725 Mrd. Euro steigern. Wachstumstreiber waren dabei die Sparten Erdbewegungsmaschinen (+ 2,9 % auf 988 Mio. Euro) und Mobilkrane (+ 9,9 % auf 1,131 Mrd. Euro).


Investitionen in Höhe von 795 Mio. Euro

Auch aufgrund externer Prognosen, wie denen des Internationalen Währungsfonds oder von Euroconstruct, rechnet man bei Liebherr damit, dass der Gesamtumsatz im Jahr 2016 ähnlich hoch sein wird wie im vergangenen Jahr. »Derzeit gehen wir davon aus, dass der Umsatz im Bereich Baumaschinen und Mining am Ende des Jahres leicht unter dem Vorjahreswert liegen wird«, sagte Stefan Heissler. »Für die Sparten außerhalb dieses Bereiches rechnen wir dagegen mit einem leichten Umsatzplus.« Voraussichtlich steigen werde die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, und zwar von knapp 42 000 auf rund 43 000. Wie gewohnt investiert die Firmengruppe auch in diesem Jahr enorme Summen in ihre Produktionsstätten sowie in Vertrieb und Service. So werden sich die Investitionen in 2016 auf rund 795 Mio. Euro belaufen nach 750 Mio. Euro im vergangenen Jahr.

Diese Innovationskraft, so Stefan Heissler, habe schon immer zum Erfolg von Liebherr beigetragen – und zwar über eine große Bandbreite von Produkten hinweg. »Von den Baumaschinen über ­Komponenten für die Luftfahrt bis hin zu Kühlschränken – alle diese Bereiche arbeiten an außergewöhnlichen Technologien. Und dabei geht es um die Bereiche Digitalisierung, Automatisierung, Leichtbau und Energieeffizienz.«


Bau-Prozesse über IT-Tools unterstützen

Im Baubereich beispielsweise gehe es bei der Digitalisierung unter anderem um die Planung und Überwachung von Baustellen. Als Systemanbieter arbeite Liebherr daran, die einzelnen Prozesse über passende IT-Tools zu unterstützen. »Heutzutage können Baufirmen das Gelände automatisch vermessen«, erläuterte Stefan Heissler. »Wir können diese Vermessungsdaten wiederum für unsere Planungstools nutzen und darauf basierend die optimale Maschine für den jeweiligen Einsatz ermitteln. Gleichzeitig bieten wir unseren Kunden die Möglichkeit, die ausgewählte Maschine unter sehr realen Bedingungen zu testen – ähnlich wie in einem Flugsimulator. Darüber hinaus können wir Systeme zur Positionierung und Prozessdatenerfassung von Baumaschinen miteinander kombinieren. Dies gibt uns Antwort auf Fragen wie: Wo steht die Maschine und wo genau müssen die nächsten Arbeitsschritte erfolgen?«

Wichtig ist es uns, ein offenes System für selbst­fahrende Trucks zu entwickeln. Alle Fahrzeuge müssen in der Mine miteinander ­kommunizieren können. Das ist mit offenen Standards am besten möglich, denn die Minen­betreiber setzen meist Maschinen mehrerer Hersteller ein.«

Stefan Heissler, Mitglied des Direktoriums der Liebherr-Inter­national AG in Bulle (Schweiz)


Künftig Produkte aus dem 3D-Drucker

Auch im Bereich der Luftfahrt beschreite Liebherr neue Wege. In Kooperation mit externen Partnern entwickele und fertige man Luftfahrt-Komponen­ten, die mittels 3D-Druck hergestellt werden, und nehme so eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet ein. »Dabei erforschen wir die Fertigung mit Titan-, Nickel- und Aluminium-basierten Legierungen«, so Stefan Heissler. »Das Besondere daran ist: Die Materialeigenschaften sind vergleichbar mit den Eigenschaften konventionell gefertigter Teile. Die mittels 3D-Druck hergestellten Komponenten sind jedoch deutlich leichter und kompakter und haben kürzere Entwicklungszeiten.« Innerhalb weniger Stunden könnten Komponenten für die Luftfahrt, wie Titan-Ventilblöcke für Liebherr-Brems­klap­pen-Betätigungszylinder, entwickelt und »ge­druckt« werden.

Aber nicht nur im Bereich Digitalisierung treibe Liebherr neue Entwicklungen voran, sagte Stefan Heissler, auch die Automatisierung werde stetig weiterentwickelt. »In der Sparte Mining sind zum Beispiel selbstfahrende Trucks ein Ziel. Liebherr Mining Equipment Newport News Co. macht aktuell Fortschritte in der Entwicklung eines Autonomie-Bausatzes für große Muldenkipper.« Der Prototyp eines mit der notwendigen Technologie und Steuerungs-Komponenten ausgestatteten Muldenkippers werde derzeit getestet und bis 2018 sollen Feldversuche beim Kunden unternommen werden.

Mit dem sogenannten »Wahrnehmungs-Kit« – Sensoren, Kameras, Laser und Radar – soll der Truck seine Umgebung wahrnehmen. Im Anschluss sollen Entscheidungsparameter für das eigenständige Bremsen und Gasgeben oder das Rechts- und Linksabbiegen geschaffen werden. »Wichtig ist es uns, ein offenes System für selbstfahrende Trucks zu entwickeln. Alle Fahrzeuge müssen in der Mine miteinander kommunizieren können. Das ist mit offenen Standards am besten möglich, denn die Minenbetreiber setzen meist Maschinen mehrerer Hersteller ein.«


Neues Faserseil »um bis zu 80 Prozent leichter«

Ein weiteres Beispiel aus dem Bereich der Arbeitsassistenzsysteme sei die Umfelderkennung der Liebherr-Elektronik GmbH, so Stefan Heissler. Robuste, schmutzresistente Kameras, eine leistungsstarke Recheneinheit und ein hochauflösendes Display seien dem Fahrer dabei behilflich, unfallfrei zu arbeiten. Und so funktioniert es: Mittels digitaler Bildverarbeitung identifiziert das System Personen und Objekte im definierten Bereich. Hindernisse werden umrahmt und die Entfernung zur Maschine am Monitor dargestellt. Je nach Distanz wird die Umrahmung entsprechend einer Ampellogik eingefärbt. Der Fahrer wird vom System gewarnt und kann schnell reagieren, noch bevor kritische Gefahrensituationen entstehen.

Als eine andere wegweisende Innovation bezeichnete Stefan Heissler den Leichtbau, der in vielen Bereichen für eine direkte Effizienzsteigerung sorge. »Ein Beispiel dafür ist unser neues Faserseil, eine bahnbrechende Innovation für den Kranbetrieb: Das Faserseil ist um bis zu 80 % leichter als ein übliches Stahlseil.« Dies werde sich neben dem Einsatz in Mobil-, Raupen- und Turmdrehkranen auch im maritimen Bereich auszahlen, da hier Seillängen von bis zu drei Kilometern keine Seltenheit seien.

Schon länger und über die verschiedensten Produktbereiche hinweg befasse sich Liebherr mit der Thematik Energieeffizienz. So habe man aufgrund zahlreichen Innovationen und Weiterentwicklungen – wie dem Energierückgewinnungssystem ERC und dem Energiespeichersystem Liduro – den Energieverbrauch bei Radladern, Baggern und Umschlagmaschinen um bis zu 30 % reduzieren können, so Stefan Heissler.


58 Turmdrehkrane nach Istanbul

Welche essenziellen Vorteile die Digitalisierung auch in der Planung sowie in der Produktion bietet, das erläuterte Günther Hardock als Produktionsgeschäftsführer der Liebherr-Werk Biberach GmbH am Beispiel des Großauftrages für den Bau von 58 Turmdrekranen, die beim Bau des neuen Istanbuler Flughafens im Einsatz sind. Zusammen mit seinem Geschäftsführerkollegen Dominique Tasch (Vertrieb) und Danyel Temizkan als Geschäftsführer der Makine Ticaret Servis Ltd. Şti. in der Türkei für die Vertriebs- und Kundendienstaktivitäten der Geschäftsbereiche Erdbewegungsmaschinen, Maritime Krane und Raupenkrane bis 300 t sowie Turmdrehkrane zuständig, erklärte er, wie innerhalb von knapp sechseinhalb Monaten dieser Mega-Auftrag im Werk Biberach abgearbeitet werde konnte. Eine Schlüsselrolle – neben den um 30 % verkürzten Montagezeiten – spielte dabei auch die neue Pulverbeschichtungsanlage, in deren Bau insgesamt 20 Mio. Euro investiert worden sind (ein ausführlicher Bericht über den Einsatz der 58 Liebherr-Turmdrehkrane beim Bau des neuen Istanbuler Flughafens erscheint in einer der kommenden Ausgaben des bauMAGAZIN).Weltpremiere LRT-Kranreihe: Sprung ins Haifischbecken


Mit breiter Brust und langem Atem wagt Liebherr mit zwei neuen Geländekranen in der 90-t- und

100-t-Klasse den Eintritt in den hart umkämpften Markt der Rough-Terrain-Krane. »Wir wissen, dass wir in ein Haifischbecken springen, denn die Märkte sind besetzt«, sagten die Geschäftsführer Christoph Kleiner (Vertrieb) und Dr. Ulrich Hamme (Konstruktion und Entwicklung) bei der Weltpremiere der neuen LRT-Krane im Liebherr-Mobilkranwerk in Ehingen. »Aber wir sind überzeugt davon, dass wir mit unserer dritten Mobilkran-Baureihe absolut konkurrenzfähig sind.«

Erstmals der Öffentlichkeit gezeigt werden die Rough-Terrain-Krane LRT 1090-2.1 und LRT 1100-2.1 auf der Conexpo in Las Vegas im kommenden März.


Von Michael Wulf

Der Entwicklung der neuen Generation von Liebherr-Rough-Terrain-Kranen gingen umfangreiche Marktuntersuchungen und Analysen zu den Anforderungen an moderne RT-Krane voraus, insbesondere im Hauptmarkt Nordamerika, auf dem 50 % der weltweit abgesetzten RT-Krane vermark­tet werden. »Während der Bauma 2013 haben wir angefangen, das Thema ›RT-Krane von Liebherr‹ mit unseren Schlüsselkunden aus der ganzen Welt zu diskutieren«, sagte Christoph Kleiner. Schließlich hätten alle relevanten Mitbewerber solch einen Rough-Terrain-Kran in ihrem Portfolio. »Wir sind dann zu dem Schluss ge­kommen: Wenn Liebherr eine Neuentwicklung bringt, muss das Konzept für diese Hauptmärkte passen. Zusätzlich müssen folgende Kriterien erfüllt sein: Die richtige Krangröße zu einem wettbewerbsfähigen Preis und die ­aktuell technischen Anforderungen wie Auslegersysteme und -längen, Benutzerfreundlichkeit und Bedienungssicherheit müssen erfüllt oder übertroffen werden.«

Die Auslieferung der zwei neuen Kran-Modelle, die in Ehingen für den Weltmarkt gebaut werden, ist für die zweite Jahreshälfte 2017 vorgesehen. Ziel sei, von den jetzt vorgestellten zwei LRT-Modellen mittelfristig 100 Einheiten abzusetzen, wobei sich der Gesamtmarkt in diesem Segment derzeit auf 300 bis 400 Einheiten belaufe, so Ulrich Hamme. Das Liebherr-Engagement in diesem Kran-Bereich sei ein »langfristiges«, denn: »Wir haben einen langen Atem. Verläuft der Markteintritt so erfolgreich wie erhofft, ist zudem geplant, die LRT-Kranreihe bis 2025 auf vier Modelle auszubauen. Wenn uns das gelingt, dann haben wir alles richtig gemacht.«


Sicherheit an oberster Stelle

Hohe Sicherheit in allen Bereichen sei bei der Konstruktion der neuen LRT-Krane von Liebherr an oberster Stelle gestanden, erläuterte Ulrich Hamme weiter. So sind beide neuen Krantypen serienmäßig mit Schiebeholmüberwachung ausgerüstet. Der Abstützzustand, auf Reifen oder Stützen, wird automatisch erkannt und in die Kransteuerung übernommen. Auch der Anbau des Ballastes an die Drehbühne und der Anbau der optionalen Doppelklappspitze inklusive seiner Winkelverstellung werden erfasst und überwacht.

Ein wichtiger Beitrag zu mehr Sicherheit ist die von Liebherr entwickelte variable Abstützbasis VarioBase, die bei den neuen LRT-Kranen serienmäßig vorhanden ist. Mit VarioBase kann jede einzelne Kranabstützung beliebig ausgefahren werden. Die Kranarbeit wird über die Lastmomentbegrenzung der Liccon-Steuerung abgesichert, indem die genau in der jeweils aktuellen Situation zulässigen Traglasten aktuell errechnet werden. So lassen sich sowohl beim Rüsten als auch beim Heben von Lasten Unfälle durch Fehlbedienung vermeiden. Durch erhöhte Tragkräfte beim Heben über die Abstützungen sind mit dem Kran auch Hübe der nächst höheren Kranklasse möglich.

Wir haben einen langen Atem. Verläuft der Markteintritt so erfolgreich wie erhofft, ist zudem geplant, die LRT-Kranreihe bis 2025 auf vier Modelle auszubauen. Wenn uns das gelingt, dann haben wir alles richtig gemacht.«

Ulrich Hamme, Geschäftsführer Konstruktion und Entwicklung Liebherr-Werk Ehingen


»Teleskopieren funktioniert einfach und nahezu intuitiv«

Die beiden neu entwickelten LRT-Krantypen wer­den von Liebherr als erste Mobilkrane in einem global einheitlichen Sicherheitsstandard nach allen weltweit gültigen Vorschriften – wie zum Beispiel der US-Norm ANSI B30.5, der europäischen EN 13 000, der Australian Standards (AS) und der russischen GOST-Norm – in die Märkte gebracht. »Die Traglasttabellenauswahl wird vereinfacht und durch die Sicherheitsfunktionen unterstützt«, so Ulrich Hamme. »Das Teleskopieren, unabhängig vom Teleskopiersystem, funktioniert einfach und nahezu intuitiv. Die üblichen Standard-360°-Traglasttabellen werden durch die bei den LTM-Kranen entwickelten abstützabhängigen Traglasten bei Liebherr VarioBase ergänzt.«

Beide Krantypen werden von einem Cummins-Dieselmotor angetrieben, der alle gültigen Abgasemissionsvorschriften erfüllt. Der Motor leistet 194 kW (264 PS) und bietet ein maximales Drehmoment von 990 Nm. Ein 6-Gang-Lastschaltgetriebe von Dana und die großvolumige Bereifung (29.5 R25) sorgen für die erforderliche Geländegängigkeit beim Fahren. Die maximale Fahrgeschwindigkeit beträgt 25 km/h. Allrad- und Hunde­gang­lenkung gewährleisten eine hohe Wendigkeit und Manövrierfähigkeit unter beengten Bedingungen. Die 3,87 m hohen und 3,3 m breiten LRT-Krane werden mit Tieflader auf öffentlichen Straßen verfahren. Das Eigengewicht liegt unter 55 t komplett ausgestattet inklusive Ballast, bzw. unter 40 t ohne Ballast und ohne Ausrüstung. So sind die neuen Geländekrane von Liebherr weltweit wirtschaftlich transportierbar. Eine schnelle Betriebsbereitschaft und ein einfaches Rüsten des Krans nach dem Erreichen des Einsatzortes zeichnen den LRT 1090-2.1 und den LRT 1100-2.1 aus. Dazu tragen auch die innerhalb der Fahrzeugbreite bleibenden Abstützteller bei, da diese zum Transport nicht abgenommen werden müssen.


Optimale Traglasten über den ganzen Ausladungsbereich

Der 100-Tonner LRT 1100-2.1 bietet einen 50 m langen Teleskopausleger mit einem »Telematik«-Teleskopiersystem, bei dem die einzelnen Teleskopteile mit nur einem einzigen Zylinder unabhängig voneinander ausgeschoben und dann mit dem darüber liegenden Teleskopteil verbolzt werden. »Das Teleskopiersystem ist besonders einfach und bedienerfreundlich ausgeführt, denn mit lediglich zwei Teleskopierpfaden – stark oder lang – werden optimale Traglasten über den kompletten Ausladungsbereich realisiert«, so Ulrich Hamme. 14 t Gegengewicht sorgen für eine hohe Standsicherheit.

Die Tragfähigkeit des LRT 1100-2.1 liegt ca. 15 % über der des 90-Tonners, der mit 12 t Gegengewicht ausgerüstet ist. Der LRT 1090-2.1 hat einen 47 m langen Teleskopausleger. Sein Teleskopiersystem besteht aus einem zweistufigen Hydraulikzylinder mit Seilausschub­mechanik.

Wie beim 100-Tonner kann das Ausschieben des Auslegers einfach mit zwei Teleskopierpfaden vorgewählt werden. Die Ausschubmechanik beider Krantypen wurde für hohe teleskopierbare Traglasten ausgelegt. Für den Zwei-Hakenbetrieb sind das Hubwerk 2 und die erforderliche Mastnase serienmäßig ins Grundgerät integriert. Optional kann eine 10,5 m bis 19 m lange Doppelklappspitze an den Teleskopausleger angebaut werden. Sie ist unter 0°, 20° oder 40° Neigung anbaubar.

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